Mittwoch 22 April 2020, 08:03

Fussballakteure an vorderster Front

  • Die COVID-19-Pandemie hat den Fussball auf der ganzen Welt zum Stillstand gebracht

  • Während der Zwangspause helfen einige Fussballakteure im Kampf gegen das Virus

  • Wir haben mit einem Spieler, einer Spielerin und einer Schiedsrichterin gesprochen, die in Spanien ihren Beitrag leisten

Toni Dovale würde jetzt eigentlich irgendwo in Asien zum Saisonauftakt antreten. Iragartze Fernández sollte sich auf ihre nächste Partie als Schiedsrichterassistentin vorbereiten und Estela Fernández den nächsten Gegner von Madrid CFF in der Primera Iberdrola analysieren. Doch auch ihre Pläne wurden von der COVID-19-Pandemie vereitelt.

Derzeit müssen Millionen Menschen zur Unterbrechung der Ansteckungsketten zu Hause bleiben, während andere an vorderster Front gegen das Virus kämpfen. Dank ihrer Ausbildung und der Berufe, die sie neben dem Fussball ausüben, leisten alle drei ihren Beitrag zur Ausbremsung der Pandemie in Spanien, einem der am stärksten betroffenen Länder. Sie berichten von ihren Erfahrungen.

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Iragartze Fernández: Schiedsrichterin und Krankenschwester

Iragartzes Vater ist Fussballer, andere Familienmitglieder sind im Gesundheitswesen tätig, und für sie war schon recht früh klar, dass sie beiden Beispielen folgen wollte. Vor fünf Jahren musste sie ihre Laufbahn als Spielerin verletzungsbedingt beenden, doch sie ist dem Fussball als Schiedsrichterin treu geblieben. In der ersten spanischen Frauenliga, der Primera Iberdrola, und in der dritten Division des Männerfussballs fungiert sie als Schiedsrichterassistentin. Diese Leidenschaft kombiniert sie mit ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in einem Gesundheitszentrum.

"Als ich beschlossen habe, Schiedsrichterin zu werden, war mein Vater zuerst etwas besorgt, aber er unterstützt mich sehr und macht mich auf Fehler aufmerksam. Er ist mein persönlicher Videoassistent", meint sie lachend. Derzeit gilt die Sorge des Vaters allerdings nicht dem Geschehen auf dem Spielfeld. "Meine Eltern machen sich Sorgen, weil wir an vorderster Front sind."

Seitdem der Fussball in Zwangspause gegangen ist, arbeitet die junge Frau freiwillig Vollzeit in ihrem Gesundheitszentrum – einem von vier, die in Bilbao ausschließlich für COVID-19-Patienten zuständig sind. "Wir arbeiten nach neuen Vorgaben und ändern unsere Arbeitsweise stetig. Das führt zu psychischer Erschöpfung, aber ich mag Herausforderungen, und für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens ist das eine echte Herausforderung."

Sie ist überzeugt, dass sie dank ihrer Tätigkeit als Schiedsrichterin besser auf diese Stresssituation vorbereitet ist. "Du musst jedes Wochenende schnelle Entscheidungen treffen ... Hier sieht es im Augenblick ganz ähnlich aus. Bei COVID hast du ganz wichtige Entscheidungen zu treffen", erklärt sie.

Gegen Stress und Erschöpfung treibt sie nach der Rückkehr nach Hause Sport. Auch der Beifall für das Gesundheitspersonal, der in der Regel mit dem Ende ihrer Schicht zusammentrifft, gibt ihr Mut. "Die Leute sehen uns aus dem Gesundheitszentrum kommen und spenden uns noch mehr Beifall. Der Applaus hält etwa zehn Minuten an, sie machen Musik, tanzen, wir werden richtig gefeiert, und das gibt uns viel Auftrieb. Du sagst dir, 'morgen gehe ich noch motivierter zur Arbeit'.

Das alles hilft ihr auch über die Zwangspause im Fussball hinweg: "Ich vermisse das alles sehr und kann es gar nicht erwarten, dass wieder ein Freitag kommt, an dem ich meine Fahnen und Schiedsrichterkleidung in die Tasche packen und ins Fussballwochenende starten kann."

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Toni Dovale: Fussball-Globetrotter und Apotheker

"Ich habe neben meiner Fussballlaufbahn Pharmazie studiert", so Dovale. Der Stürmer wurde in La Masia, der Jugendakademie des FC Barcelona, ausgebildet und hat bereits für die spanischen Klubs Celta Vigo und Rayo Vallecano gespielt. Außerdem war er schon in den USA, Indien und Thailand aktiv. Als die Krise begann, war er gerade in Spanien im Urlaub und auf der Suche nach seinem nächsten Ziel. Seine Mutter betreibt eine Apotheke in La Coruña, und angesichts der dramatischen Situation fackelte er nicht lange. "Ich habe eine Ausbildung, die es mir ermöglicht, den Menschen in diesen schwierigen Zeiten zu helfen. Das ist das Beste, was ich machen konnte."

Morgens vor der Arbeit trainiert er. "Das ist alles etwas vereinfacht. Ich benutze, was gerade zur Hand ist: Wasserflaschen, Möbelstücke ..." Dann zieht er seinen Kittel an und schützt sich trotz der Knappheit der Mittel so gut wie möglich: "Bis vor Kurzem haben wir uns noch mit Küchenpapier und Heftklammern selbst Masken gebastelt, um die Leute bedienen zu können."

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Der Mangel an Masken, Desinfektionsgels und Handschuhen war in den ersten Wochen ein stetiges Problem. Glücklicherweise traf Dovale das Ganze nicht unvorbereitet. "Ich kannte die Situation aus Asien schon seit Monaten und hatte meine Familie vorgewarnt."

Doch der Arbeitsalltag ist nicht einfach, und die Angst vor Ansteckung ist sein stetiger Begleiter. Auch er vermisst den Fussball: "Ich vermisse das Spielfeld, den Geruch des Rasens, die Ballgeräusche, die Adrenalinstöße bei Spielen in vollen Stadien. Aber jetzt hat das Leben der Menschen Priorität", versichert er.

In dieser ungewissen Lage gibt es für ihn doch eine Gewissheit: "Wie wir die Dinge auch sehen mögen, mit jedem Tag, der vergeht, kommen wir dem normalen Leben wieder ein Stück näher."

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Estela Fernández: Fussballprofi und Polizistin

"Im Allgemeinen nehmen die Leute die Quarantäne ernst", so Fernández erleichtert. Die Ausgabe von Medikamenten und die Behandlung von Patienten sind systemrelevante Tätigkeiten. Gleiches gilt für die Überwachung der Einhaltung von Vorschriften. Genau darum kümmert sich die Mittelfeldspielerin in ihrer Polizeiwache in der Stadt Parla im Großraum Madrid. "Ich finde, das Beste an dieser Krise ist, dass wir näher zusammenrücken und uns bewusst wird, wie wichtig Familien und Partner sind ... Das Schlimmste ist, dass uns auch bewusst wird, wie verletzlich wir sind."

Genau wie Iragartze Fernández beschloss auch Estela, in die Fußstapfen eines Familienmitglieds zu treten. "Mein Vater ist auch Polizist und war für mich immer ein großes Vorbild", erklärt sie.

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Im Kampf gegen das Virus an vorderster Front zu stehen, bringt gewisse Risiken mit sich. Das weiß die Mittelfeldspielerin nur zu gut, denn sie ist seit einigen Wochen krankgeschrieben, da ihr Vater positiv auf COVID-19 getestet wurde. "Er hat sich angesteckt, aber es geht ihm schon wieder gut. Jetzt warten wir auf einen erneuten Test, damit ich wieder einsteigen kann. Ich will unbedingt wieder arbeiten."

Gleichzeitig trainiert sie weiter fleißig mit ihrem Team: "Jetzt trainieren wir per Videokonferenz." Sie steht ständig mit ihren Teamkameradinnen in Kontakt. "Sie sind wie meine Familie, und ich vermisse sie. Auch das Lampenfieber vor den Spielen und die Vorfreude auf die Spiele fehlen mir sehr."