Mittwoch 01 Juli 2020, 06:40

Zidane brilliert gegen Brasilien 

  • 01. Juli 2006: Zidane lieferte gegen Brasilien eine herausragende Leistung ab

  • Die beiden Teams standen sich zum vierten Mal bei einer Weltmeisterschaft gegenüber

  • "Im Spielertunnel herrschte eine Stimmung wie im Euro Disney"

Als Brasilien und Frankreich in der Frankfurter Commerzbank-Arena aufliefen, hatten sich bereits drei Teams für das Halbfinale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006™ qualifiziert, nämlich Deutschland, Italien und Portugal.

Nun standen sich die beiden letzten WM-Sieger acht Jahre nach dem Finale der Auflage von 1998 erneut gegenüber, und auf dem Spiel stand das letzte Ticket für die Runde der letzten Vier. Die Franzosen konnten dieses vorgezogene Finale dank eines glänzend aufgelegten Zinédine Zidane und eines Treffers von Thierry Henry für sich entscheiden.

Spielinfo

Brasilien – Frankreich 0:1

1. Juli 2006 Frankfurt am Main, Commerzbank-Arena (DE)

Torschütze: Thierry Henry (57.)

Aufstellungen:

  • Brasilien: Dida, Cafu © (76. Cicinho), Lucio, Juan, Roberto Carlos, Gilberto Silva, Zé Roberto, Kaká (79. Robinho), Juninho (63. Adriano), Ronaldinho, Ronaldo

  • Frankreich: Fabien Barthez, Willy Sagnol, Lilian Thuram, William Gallas, Eric Abidal, Patrick Vieria, Claude Makélélé, Franck Ribéry (77. Sidney Govou),Zinédine Zidane ©, Florent Malouda (81. Sylvain Wiltord), Thierry Henry (86. Louis Saha)

Hintergrund

Die beiden Teams standen sich zum vierten Mal bei einer Weltmeisterschaft gegenüber. Brasilien konnte bereits fünfmal den Weltmeistertitel für sich verbuchen, Frankreich nur einmal. In den direkten Aufeinandertreffen hatten die Franzosen allerdings die Nase vorn. Die Brasilianer hatten 1958 in Schweden das Halbfinale gewonnen, während die Franzosen aus dem Viertelfinale 1986 und aus dem Finale 1998 als Sieger hervorgegangen waren.

Dennoch gingen die Brasilianer als Favoriten in die Partie. Die Seleção war amtierender Weltmeister und hatte die ersten vier Spiele problemlos für sich entschieden. Dabei hatten die Brasilianer zehn Tore erzielt und nur einen einzigen Gegentreffer kassiert, und zwar in der Gruppenphase gegen Japan.

Für Les Bleus hatte sich der Turnierauftakt schwieriger gestaltet und sie mussten sich in ihrer Gruppe hinter der Schweiz mit dem zweiten Platz begnügen. Der 3:1-Sieg im Achtelfinale gegen Spanien gab dem Team jedoch wieder Hoffnung.

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Spielverlauf

Mentales Duell: Fabien Barthez erklärte nach der Partie: "Im Spielertunnel herrschte eine Stimmung wie im Euro Disney. Alle haben gelacht. Alle waren zufrieden." Für Zidane gab es ein Wiedersehen mit Roberto Carlos und Ronaldo, seinen Teamkameraden von Real Madrid. Thierry Henry und Gilberto Silva waren Kollegen beim FC Arsenal, wo der Brasilianer auch lange Zeit mit Vieira zusammengespielt hatte. Florent Malouda, Eric Abidal und Juninho hatten mit Olympique Lyon gemeinsam mehrere französische Meistertitel gewonnen, und Willy Sagnol scherzte mit Lucio und Zé Roberto, seinen Teamkameraden beim FC Bayern München. Doch diese lockere Atmosphäre schien sich unterschiedlich auf die beiden Teams auszuwirken. Claude Makélélé brachte es auf den Punkt: "Im Tunnel hatte ich schon das Gefühl, dass wir die Oberhand über sie hatten. Wir waren entspannt, haben viel gelacht. Uns so zu sehen, hat sie wohl etwas aus dem Gleichgewicht gebracht." Tatsächlich setzten die Franzosen die Seleção von Beginn an enorm unter Druck und ließen über die gesamten 90 Spielminuten nicht nach.

Taktiksieg von Raymond Domenech: Trainer Domenech war zuvor für den laschen Turnierstart der Franzosen kritisiert worden. In dieser Partie zeigte sich jedoch sein taktisches Können. Er entschied sich für eine 4-2-3-1-Formation, um den famosen Angriff der Brasilianer zu stoppen. Er forderte seine Spieler auf, sich in der Verteidigung richtig ins Zeug zu legen. Makélélé und Vieira, aber auch Malouda, Ribéry und Zidane setzten die Anweisung in die Tat um und erstickten die Angriffe der Seleção im Keim. Die schnellen Vorstöße der französischen Flügelspieler taten das Übrige, und den Brasilianern gelang es nicht, ihr Spiel durchzubringen.

Roberto Carlos' Schnürsenkel: In der 56. Minute ging Cafu Malouda auf der linken Flanke an. Der Schiedsrichter entschied auf Foulspiel, und Zidane trat an, um den Freistoß auszuführen. In dieser Situation beschloss Roberto Carlos, sich zu bücken, um seine Schnürsenkel neu zu binden. Dadurch blieb Thierry Henry am langen Pfosten ungedeckt. Zidane spielte den Ball in den Lauf des Stürmers, der sich diese Chance nicht entgehen ließ und die Kugel volley in die Maschen jagte. Er erzielte damit das einzige Tor in dieser Partie.

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Der Star

Zinédine Zidane hatte bereits vor seiner Ankunft in Deutschland verkündet, dass diese WM sein letztes Turnier sein würde. Nachdem die Gruppenphase einmal überwunden war, war klar, dass jedes Spiel sein letztes sein könnte. Zizous Karriere könnte jederzeit zu Ende sein. Gegen Brasilien lieferte er eine herausragende Leistung ab, und viele hielten dieses Spiel für das beste seiner Karriere. Was er auch versuchte, schien ihm zu gelingen. Mit geschickten Drehungen löste er sich aus der Umklammerung seiner Bewacher, überwand sie mit einem Heber, tunnelte sie nach Belieben. Er war einfach nicht vom Ball zu trennen. Er spielte seine Gegenspieler schwindlig und führte darüber hinaus den Freistoß aus, der zu Henrys Siegtreffer führte. "Zidane war in diesem Spiel der Zauberer", erklärte Pelé nach der Partie.

Zitate

"Er hat auf dem Platz einige Kabinettstückchen gezeigt, die vielen Leuten gefallen haben dürften. Das war fantastisch. Er hat mich schon inspiriert, als ich noch kein Profi war. Heute inspiriert er mich immer noch." Eric Abidal (Verteidiger, Frankreich)

"Das war Zinédine Zidanes erste Vorlage für Thierry Henry. Oh ja! Jetzt kann keiner mehr sagen, dass ich es nicht geschafft habe. Es hat mich genervt, dass ich Thierry noch nie eine Vorlage gegeben habe, obwohl wir gemeinsam schon ziemlich viele Spiele auf dem Buckel haben. Ein einziges Mal habe ich es geschafft, und zwar gegen Brasilien. Perfekt." Zinédine Zidane (Kapitän und Mittelfeldspieler, Frankreich)

"Wir haben verloren, weil es uns nicht gelungen ist, unser Spiel durchzubringen. Es ist schwer zu erklären, warum es so war. Wenn wir es wüssten, hätten wir das Problem während des Spiels behoben." Kaká (Mittelfeldspieler, Brasilien)

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Und danach?

Nachdem Les Bleus sich im Halbfinale knapp gegen Portugal durchgesetzt hatten, trafen sie im Finale auf Italien. Damit bot sich die Chance, acht Jahre nach dem ersten WM-Titel einen zweiten einzuheimsen. Die Hoffnung war groß, als Zidane gleich in der siebten Spielminute einen Elfmeter verwandelte. Doch die Italiener glichen nur 12 Minuten später in Gestalt von Marco Materazzi aus. In der Verlängerung wurde Zizou, der während des gesamten Turniers eine Glanzleistung abgeliefert hatte, nach einem Kopfstoß gegen Materazzi vom Platz gestellt. Ohne das große Idol war bei den Franzosen die Luft raus. Die Squadra Azzurra sicherte sich im Elfmeterschießen den vierten Weltmeistertitel.