Donnerstag 17 Mai 2018, 02:44

Van Marwijk: "Frankreich hat gute Chancen auf den WM-Sieg"

  • FIFA.com spricht mit dem neuen australischen Nationaltrainer Bert van Marwijk

  • Der Niederländer zog mit seinem Heimatland 2010 ins WM-Finale ein

  • Van Marwijk: Australiens Auftaktgegner Frankreich kann die WM gewinnen

Bert van Marwijk zählt bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ zu den erfahrensten Trainern. Er betreut die australische Nationalmannschaft, die zum vierten Mal in Folge und insgesamt zum fünften Mal auf der Weltbühne vertreten ist. Der 65-Jährige führte sein Heimatland, die Niederlande, bekanntermaßen vor acht Jahren in Südafrika bis ins WM-Finale. Vorausgegangen war eine grandiose K.-o.-Phase.

In der jüngeren Vergangenheit verhalf er Saudiarabien nach 12-jähriger Durststrecke wieder zur Teilnahme am Weltturnier, legte sein Amt danach jedoch nieder. Anfang des Jahres übernahm er das Traineramt bei Australien. Dort hatte Ange Postecoglou den Posten im November 2017 überraschend geräumt, nachdem Saudiarabien den Socceroos die Direktqualifikation für Russland 2018 aufgrund der besseren Tordifferenz vor der Nase weggeschnappt hatte.

Van Marwijk, der dritte niederländische Coach der Australier bei den letzten vier Weltmeisterschaften, hatte bislang nur zehn Tage und zwei Spiele mit seinem neuen Team zur Verfügung. In Kürze ist noch ein Trainingslager in der Türkei angesetzt.

Van Marwijk spricht mit FIFA.com über die Eigenschaften seiner neuen Mannschaft, die Stärken der französischen Auswahl, mit der Australien auf der Weltbühne konfrontiert ist, die Bedeutung von Erfahrung bei einer WM sowie über seine Erinnerungen an Südafrika 2010.

Inwiefern profitiert ein Trainer von vorherigen Erfahrungen auf der Weltbühne? Ich glaube nicht, dass man [diese Erfahrung] mit Worten zum Ausdruck bringen kann, es hat eher etwas mit der Haltung zu tun. Die Spieler müssen spüren, dass du diese Erfahrung hast. Ich glaube also, dass es eher um die kleinen Dinge als um etwas ganz Bestimmtes geht.

Welche Stärken konnten Sie in der Kürze der Zeit bereits bei Australien ausmachen? Die Spieler sind motiviert und haben eine gute Einstellung. Sie sind gute Zuhörer. Ich hatte vom ersten Tag an einen positiven Eindruck von den Spielern. Die zehn Tage, die wir [im März] gemeinsam hatten, waren sehr gut und nützlich für uns, und ich war mit unserer Leistung in der ersten Halbzeit gegen Kolumbien [torloses Remis] zufrieden.

Welche Qualitäten würden Sie in Russland gern noch aus dem Team herauskitzeln? Ich werde nichts aus dem Team herauskitzeln. Die Herausforderung besteht darin, ein System zu finden, das zu den Spielern passt. Noch besser ist es natürlich, wenn es auch zum Trainer passt.

Die Niederlande haben sich nicht für die WM qualifiziert. Gibt es unter diesem Aspekt in Ihrem Heimatland nun großes Interesse an Australien? Ich habe bereits Interesse gespürt, und ich glaube, es wird sich noch verstärken, je näher die WM rückt, da ich der einzige niederländische Trainer bei der Weltmeisterschaft bin. Außerdem wird es viel Interesse an Marokko geben, da viele Niederländer für die marokkanische Nationalmannschaft spielen.

Wie bewerten Sie Australiens Gruppe, in der außerdem Frankreich, Dänemark und Peru vertreten sind? Es ist sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass dies eine sehr schwierige Gruppe ist, vielleicht sogar die beste dieser WM. Insbesondere Frankreich hat eine sehr gute Mannschaft und gute Chancen, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wir hatten Gelegenheit, uns einen Teil des Spiels der Franzosen gegen Kolumbien anzuschauen. Sie verfügen über sehr schnelle und kreative Spieler, sind physisch stark und haben mit Mbappé einen der momentan besten Spieler der Welt in ihren Reihen. Sie haben viel Gefahrenpotenzial, aber das bedeutet nicht, dass man gegen sie kein gutes Ergebnis erzielen kann.

Über die anderen beiden Teams möchte ich jetzt lieber nicht sprechen, denn wir konzentrieren uns im Augenblick nur auf eine Sache, und zwar auf das Auftaktspiel . Unser Ziel ist es, über die erste Runde hinauszukommen, und ich glaube, wir haben eine Chance. Andernfalls hätte ich diesen Job nicht angenommen.

Gab es in Ihrer Jugend eine WM, die Sie besonders beeindruckt hat? Ich erinnere mich noch an die WM 1966 in England. Und die Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland war natürlich etwas ganz Besonderes, weil wir den zweiten Platz belegt haben. Ich hätte fast zu diesem Team dazu gehört, und 1978 war ich dann nominiert, habe mich aber leider verletzt.

Welche Emotionen löst es bei Ihnen aus, wenn Sie an Südafrika 2010 zurückdenken, wo sie mit den Niederlanden ins WM-Finale eingezogen sind? Das war ein tolles Erlebnis und einer der schönsten Augenblicke meiner Karriere. Normalerweise steigert man sich bei solchen Wettbewerben im Turnierverlauf, und das war auch bei uns der Fall.

Wir wurden von Spiel zu Spiel besser, und das konnte man wirklich spüren. Der Trainer einer unserer Gegner sagte später: ' Wir hatten das Gefühl, dass wir sie nicht schlagen können.' Und meine Spieler hatten das Gefühl, dass wir nicht verlieren können. Wir waren wirklich eine Mannschaft, und es sind nicht immer die besten Spieler, die die größten Preise einheimsen. Es ist die beste Mannschaft.