Montag 28 März 2016, 18:24

Trinidads Youngster blüht auf

Nationaltrainer Stephen Hart von Trinidad und Tobago stand vor einem Problem: Im WM-Qualifikationsspiel bei St. Vincent/Grenadinen lag sein Team zurück und brauchte dringend einen zündenden Funken. Der Trainer schaute sich die Spieler auf der Ersatzbank an und entdeckte bei einem dieses besondere Funkeln in den Augen. Es waren die Augen eines Youngsters, kaum alt genug zum Autofahren. Doch die Augen von Levi Garcia waren hungrig.

"Es war wie ein Traum", erzählte der gerade 18-jährige Garcia im Gespräch mit FIFA.com über sein Debüt in der A-Nationalmannschaft, als das Spiel auf der Kippe stand. Es sind diese Momente, in denen ein Spieler entweder zum Helden wird oder hinter den Erwartungen zurück bleibt. "Der Trainer sagte zu mir: 'Geh einfach da raus und mach, wofür du hergekommen bist.' "

Und genau das tat Garcia: Er erzielte zwei Tore und entschied damit die Partie zugunsten seines Teams. Dank des 3:2-Sieges eroberten die Soca Warriors die Tabellenführung in ihrer WM-Qualifikationsgruppe, vor Guatemala und den USA. Sein erstes Tor erzielte Garcia schon neun Minuten nach seiner Einwechslung. Mit einer Reihe perfekter Übersteiger nach Art seines persönlichen Idols Neymar verwirrte er seinen Bewacher, zog dann nach innen und jagte die Kugel mit einem perfekten Rechtsschuss in die Maschen. Beim zweiten und spielentscheidenden Tor brauchte er nach einem langen Zuspiel nur noch den Fuß hinzuhalten, um den Ball erneut ins Netz zu befördern. Als der Schlusspfiff im Arnos Vale Ground in Kingstown ertönte, war allen klar, dass sie gerade das Debüt eines Ausnahmetalents erlebt hatten.

Erleichterte Umarmungen** **Der Flügelflitzer mit den Stachelhaaren wurde nach der Partie und seinem großen Tag vom Trainer umarmt und von seinen Mitspielern beglückwünscht. Deutlich wurde, wie sehr sich der Trainer über die Entdeckung dieses Rohdiamanten freute. Denn Garcia zeigte seine Extraklasse sofort nach seiner Einwechslung.

Seine Eleganz, Schnelligkeit und Torgefährlichkeit brachte dem Teenager im vergangenen Jahr einen Wechsel in die niederländische Eredivisie ein, eine der starken europäischen Ligen, in denen Spieler aus Trinidad Mangelware sind. Er nahm sich fest vor, die Chance seines Probetrainings zu nutzen. "Ich habe gezeigt, was ich kann", so der umgängliche Youngster, der zwar weiß, was er kann, aber trotzdem nicht vor Selbstbewusstsein strotzt. Er bekam ein paar Sondertrainingseinheiten vom legendären Niederländer Marco van Basten, damals Assistenztrainer bei AZ Alkmaar, und feierte schon kurze Zeit später sein Debüt in der ersten Mannschaft. 2016 erlebte der junge Angreifer dann eine Premiere nach der anderen.

"Damals hatte ich durchaus etwas Bammel. Das war schon etwas unheimlich", so Garcia über seinen ersten Einsatz für AZ Alkmaar in einer der stärksten europäischen Ligen. Vor nicht einmal zwei Monaten war das, und der Gegner war kein Geringerer als der Rotterdamer Spitzenklub Feyenoord. "Ein großes Stadion und  viele Zuschauer… das  alles war ganz neu und ziemlich einschüchternd für mich. Aber nachdem ich ein paar Mal am Ball war, fiel die Nervosität von mir ab, und dann war es wie jedes andere Spiel."

Die ersten Spiele, an die sich Garcia erinnern kann, fanden im Garten der Familie im kleinen Ort Santa Flora im Süden von Trinidad statt, wo er mit seinen drei älteren Brüdern kickte. "Die haben mich ganz schön rangenommen, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich war der Jüngste und entsprechend haben sie mich auch behandelt", erinnert er sich und weiß genau, dass ihn heute niemand mehr herumschubsen würde.

Doch letztlich taten ihm diese anfänglichen Herausforderungen gut. Im vergangenen Monat erzielte er sein erstes Tor für Alkmaar und schon gilt er manchmal als größte fussballerische Entdeckung von Trinidad und Tobago seit dem legendären Dwight Yorke. Garcia wurde 1997 geboren, zwei Jahre bevor Yorke mit Manchester United das Treble gewann. Der junge Flügelflitzer ist nicht einmal alt genug, um sich an die historische WM-Teilnahme Trinidads 2006 in Deutschland zu erinnern. Damals war der aktuelle Kapitän Kenwyne Jones der jüngste Spieler im Team. "Klar, auf YouTube habe ich viele Clips davon gesehen und in der Heimat wird auch immer noch viel davon gesprochen", so Garcia etwas verlegen.

Fern der Heimat Doch Garcia ist nicht nur ein Fussballstar auf dem Weg nach oben, sondern auch ein ganz normaler junger Mann, der häufig fern der Heimat versucht, seinen Weg zu machen. "Natürlich vermisse ich meine Familie und meine Freunde manchmal sehr", erzählt er von seinem Leben in den Niederlanden, weit weg von dem aromatischen Duft der Doubles, einer lokalen Spezialität aus Kichererbsen und geröstetem Brot, und dem zarten Ziegenfleisch, dass auf den Karibik-Inseln an jeder Straßenecke angeboten wird. "Ich bin hier in Holland der einsame Junge aus Trinidad. Aber das bestärkt mich nur in meinem Willen, es hier unbedingt zu schaffen. Nach Hause kommen, ohne es geschafft zu haben, kommt nicht in Frage."

Am Dienstag trifft Trinidad und Tobago erneut auf St. Vincent/Grenadinen, dieses Mal im Heimspiel. Die Fans im Hasely-Crawford-Stadion in Port-of-Spain wollen den neuen Star unbedingt in der Startformation sehen. Doch die Entscheidung darüber liegt beim Trainer.

"Egal ob zu Hause oder auswärts, wir versuchen immer, die drei Punkte zu holen", so Garcia, der vor dem Training noch eine kleine Siesta einlegen will. "Egal ob zu Hause oder auswärts, wenn wir drei Punkte holen, haben wir es richtig gemacht."