Donnerstag 26 Januar 2017, 09:07

Traumtor des tragischen Helden

  • 25. Juni 2002: Ballack als Matchwinner und Opfer fürs Team

  • Gelbe Karte verhindert sein Finaleinsatz

  • Sogar der Schiedsrichter hatte Mitleid mit Ballack

"Er hat sich in den Dienst der Mannschaft und des ganzen Landes gestellt. Ganz Deutschland sollte vor ihm den Hut ziehen."

Diese Worte von DFB-Teamchef Rudi Völler über Michael Ballack waren völlig verdient und seine Vorhersage erwies sich als wahr. Tatsächlich zog ganz Deutschland vor Ballack den Hut und würdigte damit den entscheidenden Spieler des WM-Halbfinals gegen Mitausrichter Korea Republik.

Allerdings bezog sich Völler nicht nur auf Ballacks spielentscheidendes Tor in dieser Partie. Der deutsche Mittelfeldmotor stand noch wegen einer ganz anderen Aktion im Blickpunkt. Trainer, Mitspieler und ganz Fussballdeutschland bekundeten ihren Respekt auch und vor allem wegen einer folgenreichen Verwarnung, die Ballack nur vier Minuten vorher kassiert hatte.

"Obwohl er wusste, dass er mit einer weiteren Gelben Karte das Finale verpassen würde, hat er dieses absolut notwendige taktische Foul begangen", so Völler über Ballacks Grätsche gegen Lee Chunsoo, mit der er einen gefährlichen Angriff der Koreaner unterband. "Er musste den Südkoreaner foulen, das hat er gemacht, das machen nicht alle - das war ganz toll.

Er ist heute die tragische Figur. Er war richtig traurig, er hat geweint. Ich war der der Erste, der ihn in der Kabine wieder hochgezogen hat. Es ist sehr schade, dass er das Finale verpasst, denn er war heute einer der besten Spieler auf dem Platz."

Mit dieser Einschätzung stand Völler nicht allein da. Selbst Urs Meier, der schweizerische Schiedsrichter, der die Gelbe Karte gezückt hatte, empfand Mitleid mit Ballack, betonte jedoch auch, dass eine andere Entscheidung nicht denkbar gewesen sei.

Die Sperre des deutschen Mittelfeldregisseurs trug zu einer Änderung der WM-Regeln ab 2010 bei. Seitdem werden vorherige Verwarnungen nach den Viertelfinals gestrichen. Für Ballack jedoch war die spätere Änderung kein Trost. Für ihn war es "natürlich sehr bitter", dass er im wichtigsten Fussballspiel des Jahres nicht dabei sein konnte.

"Das war eine dumme Situation. Sie griffen in Überzahl an und ich hatte keine andere Wahl", so Ballack nach der Partie. "Es war mein erstes Foul und ich wusste, was es für Konsequenzen haben würde, aber ich musste es trotzdem tun.

Mein Traum vom WM-Finale ist geplatzt. Das ist ungefähr das Bitterste, was man als Fussballer mitmachen kann. Vier Jahre zuvor war Laurent Blanc genau das Gleiche passiert. Als ich das im Fernsehen sah, hatte ich großes Mitgefühl mit ihm.

Natürlich wünsche ich der Mannschaft jetzt im Finale erst recht den Erfolg. Ich werde mit dem Herzen bei der Mannschaft sein, auch wenn ich nicht gemeinsam mit den Jungs auf dem Platz stehe. Kaum jemand hätte viel darauf gesetzt, dass wir es ins Finale schaffen. Es ist schon eine Befriedigung, dass wir die Kritiker jetzt Lügen strafen können. Wir sind viel kritisiert worden für unsere Spielweise, aber heute haben wir guten Fussball gespielt und der Welt gezeigt, dass wir bei dieser WM etwas reißen können."

Ballack hatte Recht. Der Vorstoß bis ins Finale war ein großer Erfolg für Völlers Schützlinge, denn diese Mannschaft war mit viel weniger Topstars gespickt als einige Vorgänger- und Nachfolger-Teams. Für die Erfolge im Turnier hatten in erster Linie Torhüter Oliver Kahn und Ballack gesorgt. Entsprechend klar war bereits vor dem Finale, was der Ausfall Ballacks für die DFB-Auswahl bedeuten würde.

"Es ist fast unmöglich, Michael adäquat zu ersetzen", meine Völler damals. "Wenn die Mannschaft in eine schwierige Situation kommt, kann er das Spiel mit einem Tor oder einer Vorlage herumreißen. Daher wird es nahezu unmöglich, ihn zu ersetzen."

Genau so kam es dann auch. Ausgerechnet im Finale zeigte Kahn erstmals im Turnier Schwächen und Brasilien gewann durch zwei Tore von Ronaldo mit 2:0. Ballack war dabei nur ein frustrierter Zuschauer und blieb ohne Chance, ein WM-Endspiel zu bestreiten. Doch in Deutschland bewundert man noch heute seinen Einsatz und seine Opferbereitschaft, ohne die es das Team gar nicht erst bis ins Finale geschafft hätte.

Hätten Sie's gewusst?

Oliver Kahns Torwarthandschuhe von der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2002™, mit denen er in den sechs Spielen bis zum Finale nur einen einzigen Gegentreffer zuließ, gehören zu den einzigartigen Ausstellungsstücken im FIFA Welt Fussball Museum in Zürich.