Freitag 15 Juni 2018, 12:43

Lewandowski: "Es muss nicht immer ich sein"

  • ​FIFA.com sprach exklusiv mit Lewandowski

  • Der Stürmer über Polens Hoffnungen und den Goldenen Schuh

  • Der 30-Jährige fühlt sich frisch und erwartet, oft gedoppelt zu werden

Von Piotr Koźmiński, Teamreporter Polen

Im Alter von 30 Jahren ist einer der derzeit besten Stürmer der Welt endlich zum ersten Mal bei einer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ dabei. Robert Lewandowski weiß, dass die Erwartungen einer fussballbegeisterten Nation nicht zuletzt auf ihm ruhen, und er genießt diese Herausforderung. FIFA.com traf sich mit dem Stürmer von Bayern München und sprach mit ihm über die Erwartungen Polens, den Auftaktgegner Senegal, die erwartete enge Deckung durch die Gegner und seine Gedanken in Bezug den möglichen Gewinn des Goldenen Schuhs von adidas, womit er in die Fußstapfen seines Landsmannes Grzegorz Lato treten würde.

FIFA.com: Ihnen ist sicher klar, dass die polnischen Fans viel erwarten, insbesondere von Ihnen. Was für ein Gefühl ist es, Kapitän und Führungsfigur zu sein? Robert Lewandowski: Das stimmt, die Erwartungen sind hoch, aber nicht nur an mich sondern an das gesamte Team. Polen ist nun einmal ein Land, das immer glaubt und hofft, das den Spielern die Daumen drückt, aber gleichzeitig eben auch viel erwartet. Darauf sind wir vorbereitet. Druck? Ja, natürlich, Druck gibt es immer, daran wird sich nie etwas ändern. Doch wir wissen, wie wir damit umzugehen haben. Wir können den Druck beiseite schieben.

Sie waren in der WM-Qualifikation in Europa mit 16 Treffern der erfolgreichste Torschütze. Was erwarten Sie bei hier in Russland von sich? Ich will hier einfach guten Fussball spielen. Ich will meinem Team bestmöglich helfen, mit meiner Leistung und meinen Torschüssen. Wir wollen hier als Team so weit wie möglich kommen und ich weiß, dass ich dabei eine wichtige Aufgabe zu erfüllen habe.

Wird Ihnen die Erfahrung von der UEFA EURO 2016, bei der Polen das Viertelfinale erreichte, hier in Russland zugute kommen? Die WM ist natürlich das wichtigste Fussballturnier, noch einmal eine Stufe höher als die Europameisterschaft. Aber auch diese Endrunde war für uns eine sehr wertvolle Erfahrung, denn wir haben die Atmosphäre bei einem großen Turnier kennengelernt. Wir waren mittendrin und wissen daher, wie das ist. Das sollte uns zugute kommen. Doch natürlich ist das Wichtigste immer auf dem Platz. Wenn wir hier etwas erreichen wollen, müssen wir noch besser spielen als in Frankreich.

Gibt es große Unterschiede bei Ihrer persönlichen Vorbereitung und Ihrem Gefühl im Vorfeld der UEFA EURO 2016 und Russland 2018? Meine Saison verlief ziemlich anders als die vor der EM-Endrunde 2016. Ich habe weniger Spiele absolviert [in der Saison 2017/18] und bin deswegen frischer. Ich hoffe, dass mir dies während der WM zugute kommt. Außerdem wurden die Vorbereitungen dieses Mal genau an die Bedürfnisse der einzelnen Spieler angepasst. Polen startet mit der Partie gegen Senegal in die WM. Wo liegen die Stärken der Senegalesen? Sie sind sehr gut bei Kontern. Wenn sie angreifen, dann geht alles blitzschnell. Sie verlieren keine Zeit, wenn sie den Ball haben. Sie versuchen, sofort nach vorn zu stürmen und so schnell wie möglich zum Abschluss zu kommen. Die Senegalesen sind eine äußerst gefährliche Mannschaft.

Sie haben in den letzten zwei Freundschaftsspielen gegen Chile und Litauen drei Tore geschossen. Ist Lewandowski also in Topform? Wir werden sehen. Man darf Freundschaftsspiele nicht überschätzen. Die wichtigen Spiele kommen jetzt. Ich will, dass mein Torhunger noch größer wird. Und natürlich hoffe ich, dass es hier bei der WM, auf der größten Fussballbühne der Welt, noch mehr Tore werden.

Es hat schon einmal ein Pole den Goldenen Schuh bei einer WM gewonnen, nämlich Grzegorz Lato 1974. Träumen Sie davon, dass Ihnen das auch gelingt? Ich versuche hier realistisch zu bleiben. Die ganze Mannschaft weiß natürlich, dass ich von den gegnerischen Verteidigern ganz besonders eng gedeckt werde, so wie aus auch schon 2016 in Frankreich war. Darauf bereiten wir uns auch vor. Daher weiß ich nicht, wie viele gute Torchancen ich überhaupt haben werde. Aber wenn ich gedoppelt werde oder gefoult werde, dann bringt das mehr Räume für meine Teamkameraden. Wir hoffen, daraus unseren Vorteil zu ziehen. Wenn ein anderer unserer Spieler trifft, ist das großartig. Es muss nicht immer ich sein.

Welche WM-Erinnerungen haben Sie aus Ihrer Kindheit als Fan? Meine ersten Erinnerungen habe ich an die WM 1998 - Frankreich und Brasilien im Finale, zwei großartige Teams. Ich war damals ein Kind und fand das Turnier einfach toll. 2002 war dann Polen mit dabei. Da musste ich natürlich etwas früher von der Schule nach Hause kommen. Die letzten zwei Stunden habe ich immer wieder mal geschwänzt, weil die Spiele in Polen wegen der Zeitverschiebung sehr früh liefen. Ich habe Polen natürlich die Daumen gedrückt und mich sehr gefreut, dass wir bei diesem wundervollen Turnier dabei waren. Ja, ich erinnere mich noch sehr gut daran. Und nun bin ich selbst hier dabei...