Dienstag 10 November 2020, 04:44

Santi Cazorla: "Ein Finale ist nie vorbei, bevor es wirklich vorbei ist, insbesondere gegen Deutschland"

  • Santi Cazorla gehörte zu Spaniens Goldener Generation

  • Er lässt seine Karriere bei Al Sadd in Katar ausklingen

  • Cazorla spricht über Katars WM-Vorbereitungen und seine Meinung zu Xavi als Trainer

Santi Cazorla trug seinen Namen in goldenen Buchstaben in die Annalen des spanischen Fussballs ein. Er gehörte zur Goldenen Generation, die mehrere Jahre lang den Weltfussball dominierte und zwei Mal Europameister sowie ein Mal Weltmeister wurde.

Der heute 35-Jährige kam mit 23 Jahren erstmals für La Roja zum Einsatz und bewies dort als Mittelfeldspieler viele Jahre lang einzigartige Qualitäten. Dank seiner präzisen Pässe, seiner Dribbelstärke und seiner perfekt platzierten Schüsse mit rechts wie links verdiente er sich den respektvollen Spitznamen El Mago, der Zauberer.

In seiner langen Karriere musste Cazorla verschiedene, teils langwierige Verletzungen überstehen. Nachdem er in den letzten zwei Spielzeiten einmal mehr bei Villarreal überzeugte, bekundete die Führung des katarischen Klubs Al Sadd großes Interesse und überzeugte ihn von einem Wechsel in das Land, das in zwei Jahren die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ ausrichten wird.

Vier Monate nach seinem Wechsel nach Doha sprach FIFA.com mit Cazorla über seinen Wechsel, seine Karriere im spanischen Nationalteam, seine Erfahrungen unter Aragones und Del Bosque und seine Meinung zu Xavi, der katarischen Liga und Al Sadd.

FIFA.com: Erzählen Sie uns über Ihre Entscheidung für einen Wechsel nach Katar zu Al-Sadd.

Cazorla: Ich finde, es ist eine gute Erfahrung, mit meiner Familie in ein neues Land zu wechseln. Ich habe vor dem Wechsel mehrfach mit Xavi über Katar und Al Sadd gesprochen, und er hat mich motiviert, seinem Weg zu folgen und zu diesem Klub zu wechseln. Er hat betont, wie intensiv der Wettbewerb ist. Al-Sadd spielt sehr guten Fussball und peilt stets nationale und kontinentale Titel an. Ich bin hierher gekommen, um mein Bestes zu geben und dem Klub zu Titeln zu verhelfen. Ich fühle mich hier sehr wohl und denke, dies ist der beste Ort, um meine Karriere ausklingen zu lassen.

Sie haben bei Al-Sadd einen guten Start erwischt, gleich einen Titel gewonnen und Ihre ersten Tore in Stadien für die FIFA Fussball-WM Katar 2022™ erzielt. Was ist das für ein Gefühl?

Es ist ein großartiges Gefühl, in WM-Stadien für 2022 zu treffen. Ich bin sicher, dass ich mich immer daran erinnern werde. Wir haben dieses Spiel klar gewonnen, ich habe zwei Tore erzielt und einen guten Eindruck hinterlassen, weil ich mit vollem Einsatz für mein Team gespielt habe. Dank meiner Teamkameraden konnte ich mich von Beginn an gut einfügen. Der Gewinn des Stars Cup war ein perfekter Start.

In der AFC Champions League 2020 war das Glück allerdings nicht auf Ihrer Seite…

Unser Ziel war das Finale, insbesondere weil die Spiele in Doha ausgetragen wurden. Doch wir mussten viele Spiele in sehr kurzer Zeit absolvieren. Das hat es für uns alle sehr schwer gemacht. In der Gruppenphase lief es noch sehr gut für uns. Und das Spiel gegen Persepolis war eine sehr knappe Angelegenheit. Wir haben viele Chancen herausgespielt, sie aber leider nicht genutzt und letztlich verloren, weil wir bei einem gegnerischen Eckball nicht konzentriert genug waren.

Rückblickend ist das Ergebnis trotzdem enttäuschend. Doch es zwingt uns dazu, uns weiter zu verbessern. Wir haben es ins Finale des Emir Cup geschafft und wir stehen an der Tabellenspitze der Stars League. Diesen Schwung müssen wir bewahren und es in der AFC Champions League erneut versuchen 2021.

Sie spielen jetzt unter Ihrem Freund und früheren Teamkameraden Xavi. Was können Sie uns über ihn als Spieler und als Trainer sagen?

Xavi war ein großartiger Spieler. Die ganze Welt hat ja gesehen, was er mit Barcelona und der Nationalmannschaft erreicht hat. Er ist einer der besten Mittelfeldspieler aller Zeiten. Das hat er mit seinen herausragenden Leistungen und den gewonnenen Titeln bewiesen. Es ist toll, jetzt bei Al Sadd unter ihm als Trainer zu spielen. Er macht seine Sache bei dem Klub sehr gut und hat große Ambitionen. Seine Arbeit wird überall sehr geschätzt.

Wie sehen Sie seine Zukunft als Trainer? Viele würden ihn gern als Coach im Camp Nou sehen, so wie schon Guardiola vor ihm…

Xavi ist ohne Zweifel ein sehr guter Trainer. Ich habe tagtäglich mit ihm zu tun und merke, dass er die Führungsqualitäten, die er schon auf dem Feld hatte, jetzt auch als Trainer hat. Er macht seine Sache als Trainer sehr gut und verfolgt seine eigene Philosophie. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass er eines Tages Trainer von Barcelona wird. Doch das ist seine Entscheidung und er selbst weiß am besten, wann die Zeit für diesen Schritt reif ist.

Wie Guardiola kommt er aus Barças Nachwuchsakademie La Masia, aber das heißt trotzdem nicht, dass er eine Kopie von Guardiola ist. Er hat eine andere Arbeitsweise und sehr viele taktische Ideen. Ich bin sicher, dass er das Zeug zu einem großen Trainer hat. Wir müssen einfach abwarten und zuschauen.

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Erzählen Sie uns von dem Anruf von Luis Aragones, der Sie vor der EURO 2008 erstmals für die spanische Nationalmannschaft nominierte...

Ich verdanke Aragones sehr viel. Er hat den spanischen Fussball als Trainer enorm weitergebracht und vielen Spielern die Chance gegeben, es nach ganz oben zu schaffen und zu glänzen. Ich erinnere mich noch gut an seinen Anruf vor der EURO 2008. Für mich als junger Spieler war es ein großartiges Gefühl, eine solche Gelegenheit zu bekommen.

Spanien hat den Titel gewonnen und auch Sie hatten Ihren Anteil daran…

Es war einfach unglaublich. Ich habe an der Seite von Xavi, David Silva, Iniesta und anderen gespielt. Ich habe viel von ihnen gelernt. In unserem Trainingslager und bei der Vorbereitung auf die Spiele haben sie mich enorm unterstützt. Ich erinnere mich noch gut an das schwere Viertelfinalspiel gegen Italien. Ich kam in der zweiten Halbzeit für Iniesta in die Partie. Das Spiel ging in die Verlängerung und dann ins Elfmeterschießen. Ich wurde für den zweiten Elfmeter ausgeguckt. Der Druck war riesig, doch die Motivation meiner Teamkameraden half mir, ihn zu verwandeln.

Was für ein Gefühl war es, im Finale zu spielen und den Titel zu holen?

Ein Finale ist nie vorbei, bevor es wirklich vorbei ist, insbesondere gegen Deutschland. Wir mussten von Anfang bis Ende voll konzentriert bleiben und haben versucht, das Spiel zu kontrollieren. Letztlich ist es uns gelungen. Wir hätten vielleicht noch mehr Tore schießen können, doch letztlich waren wir alle sehr glücklich über den ersten Titelgewinn nach einer Durststrecke von 44 Jahren.

Es sei schwerer, sich auf dem Gipfel zu halten, als ihn zu erklimmen, heißt es oft. Aber für Spanien schien es 2012 leichter…

Das stimmt. Obwohl es viele starke Konkurrenten gab, war das Turnier für uns leichter. Wir waren in allen Spielen die bestimmende Mannschaft und im Finale gegen Italien haben wir ziemlich problemlos vier Tore erzielt. Ich denke, wir waren deutlich besser als alle unsere Gegner.

Hat dieser Titelgewinn Sie für die verpasste WM-Teilnahme 2010 entschädigt?

Die Weltmeisterschaft ist das prestigeträchtigste Turnier, an dem ein Spieler teilnehmen kann. Leider konnte ich wegen einer Verletzung auf dem Weg zum Titelgewinn nicht dabei sein. Aber natürlich war ich überglücklich mit dem, was das Team in Südafrika erreicht hat. Ein Jahr zuvor waren wir beim FIFA Konföderationen-Pokal nur Dritter geworden. Das hat uns vielleicht den nötigen Ansporn gegeben, dort die WM zu gewinnen.

Vier Jahre später waren Sie bei der WM in Brasilien dabei…

Diese WM-Teilnahme lief allerdings nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Das Ausscheiden nach der Gruppenphase war für uns alle ein Schock. Aber so ist das nun mal im Fussball. Manchmal ist das Glück nicht auf deiner Seite, wenn du es am nötigsten brauchst. Dennoch bin ich Trainer Vicente Del Bosque sehr dankbar für diese Gelegenheit. Er ist ein großartiger Trainer, mit dem La Roja in dieser Goldenen Ära alles gewonnen hat. Er hat großen Einfluss auf sehr viele Spieler gehabt.

Es sind noch zwei Jahre bis zur WM 2022 in Katar. Wie sehen Sie die Vorbereitungen im Gastgeberland?

Wir sind hier alle sehr aufgeregt und voller Vorfreude. Ich bin von den Vorbereitungen in Katar sehr beeindruckt. Es ist alles bereit für eine der besten Endrunden aller Zeiten. Ich habe schon in einigen der WM-Stadien gespielt. Sie sind überaus beeindruckend, wundervoll gestaltet und mit perfekten Plätzen ausgestattet. Ich bin sicher, alle Spieler und Fans, die in zwei Jahren hierher kommen, werden ein fantastisches Turnier mit großartiger Atmosphäre erleben.

Was sagen Sie zu dem spanischen Team, das im Moment geformt wird?

Es ist toll, dass das Team auf diese Weise aufgebaut wird. Wir haben sehr viele junge Spieler, die überaus vielversprechend sind. Ich denke, Luis Enrique ist auf dem richtigen Weg. Wir sollten ihm und den Spielern genügend Zeit geben, um sich zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln. Dann kann das Team mit berechtigten Hoffnungen zur WM reisen, erneut um den Titel mitzuspielen.