Dienstag 06 Oktober 2020, 10:00

Richarlison: "Ich will in Katar immer wieder den 'Pigeon Dance' zeigen"

  • Richarlison will 2022 in Katar in Brasiliens Stammformation stehen

  • Der Stürmer lobt Neymar, James Rodriguez und Dominic Calvert-Lewin

  • Er spricht über seine Lieblingsposition und Evertons hohe Ambitionen

Erinnern Sie sich noch, wo sie waren, als James Rodriguez nach einer perfekten Ballannahme mit der Brust und einer Körperdrehung seinen unvergesslichen Volleyschuss gegen Uruguay abfeuerte? Unzählige Brasilianer werden diese Frage mit Ja beantworten, nicht nur die 74.000 Zuschauer, die vor Ort im Maracanã-Stadion waren.

Einer davon war damals als 17-Jähriger mit den Teamkameraden seines Amateurklubs in einem winzigen, stickigen Hinterzimmer und verfolgte die Partie auf einem uralten kleinen Fernseher.

Doch seitdem haben sich die Zeiten geändert. Heute ist Richarlison ein Teamkamerad des Kolumbianers, der mit dem FIFA Puskás-Preis ausgezeichnet wurde, und träumt davon, bei der WM etwas ähnlich Spektakuläres zu vollbringen. Und James, falls du das hier liest, die Brasilianer planen, einen noch auffälligeren Jubeltanz als deinen von Brasilien 2014 oder auch den von Roger Milla bei Italien 1990.

Der nun 23-Jährige sprach mit FIFA.com über seinen speziellen Torjubel, den 'Pigeon Dance' (Taubentanz), seinen Wunsch, 2022 in Katar zu Brasiliens Startformation zu gehören, seine Lieblingsposition, Neymar, Rodriguez und Dominic Calvert-Lewin, sowie Evertons hohe Ambitionen.

FIFA.com: Richarlison, welches ist Ihre schönste Erinnerung an die FIFA Fussball-WM? Richarlison: Ich war zwar damals noch sehr jung, aber ganz besonders gern erinnere ich mich an die WM 2002. Dieses Tor von Ronaldo, als Rivaldo den Ball durch die Beine laufen ließ, Ronaldo ihn annahm und flach ins Eck setzte – einfach unvergesslich. Das ist meine schönste WM-Erinnerung. Ich habe seitdem alle Weltmeisterschaften verfolgt. Etwas ganz Besonders war natürlich die WM 2014 in Brasilien. Ich habe praktisch jedes Spiel gesehen. Natürlich wäre ich sehr gern zu einem Spiel ins Stadion gegangen, aber ich war noch sehr jung und habe daher die Spiele in dem Klub gesehen, für den ich in der Altersklasse U-17 gespielt habe. Ich erinnere mich noch sehr gut an all die wunderschönen Tore. Der Kopfball von Robin van Persie, das Tor von Arjen Robben gegen Spanien, den Volley von James Rodriguez… Ich war sehr glücklich, dass ich eine WM in meinem Land miterleben konnte. Es war ein wirklich großartiges Turnier.

Sie haben James Rodriguez schon angesprochen. Können Sie selbst glauben, dass Sie jetzt an seiner Seite spielen?

(lacht) Ich habe mir schon so viele Träume erfüllt, für die ich sehr dankbar bin. An der Seite von James Rodriguez zu spielen, ist einer davon. Und natürlich habe ich unzählige Male davon geträumt, für die Seleção zu spielen, seit ich ein kleiner Junge war. An der Seite von Neymar, Coutinho und all den anderen großartigen Spielern in der Seleção zu spielen, ist mein größter Traum. Gabriel Jesus ist auch einer davon. Wir gehören zur gleichen Altersgruppe. Als ich noch in den Jugend-Nationalmannschaften spielte, war er schon ein Star und spielte für ein Erstligateam. Er war eine wirklich sehr große Inspiration für mich.

Was Träume angeht: Wie sehr träumen Sie davon, bei einer WM zu spielen?

Davon träume ich natürlich ständig. Schon seit meiner Kindheit. Das ist der Kindheitstraum eines jeden brasilianischen Fussballers. Ich liebe die WM. Sie ist ein unvergleichliches Turnier und zieht die ganze Welt in ihren Bann. Ich habe natürlich alle Weltmeisterschaften als Fan Brasiliens verfolgt und hoffe, dass 2022 nun meine erste WM als Spieler wird. Allerdings hat die Seleção bis dahin noch Einiges zu tun. Wir müssen durch die Qualifikation, und das wird ganz sicher nicht leicht. Wir müssen uns optimal vorbereiten und stets fokussiert bleiben. Ich muss alles tun, was ich kann – hart trainieren, vieles lernen – denn ich will als Spieler in der Stammformation zur WM fahren.

Sie haben schon angesprochen, dass die WM-Qualifikation in Südamerika schwer wird…

Wenn es gegen Brasilien geht, sind alle Gegner besonders motiviert. Jeder will Brasilien schlagen. Das macht die Sache für uns natürlich schwieriger. Und es gibt zahlreiche starke Teams in Südamerika. Es sind längst nicht mehr nur Brasilien, Argentinien und Uruguay. Es qualifizieren sich immer wieder andere Teams. Und sehen sie sich nur an, wie beeindruckend Kolumbien, Chile, Paraguay und Ecuador bei den jüngsten Weltmeisterschaften waren.

Haben Sie schon davon geträumt, Ihren "Pigeon Dance" 2022 in Katar zu zeigen?

(lacht) Das ist mein Markenzeichen! Natürlich habe ich mir schon vorgestellt, den "Pigeon Dance" bei der Weltmeisterschaft zu machen. Die Fans mögen ihn sehr und insbesondere die Kids sind ganz aus dem Häuschen. Ich habe ihn in der Seleção zusammen mit Neymar gemacht, ich mache ihn in meinem Klub und natürlich möchte ich zur WM 2022 fahren, dort viele Tore schießen und ihn immer wieder zeigen.

Was sagen Sie zum Thema Neymar?

Ich denke, Neymar und Lewandowski waren in diesem Jahr die besten Spieler der Welt. Ich würde wirklich gern sehen, dass Neymar die FIFA-Auszeichnung bekommt. Er ist konzentrierter als je zuvor. Ich weiß, wie sehr er die Weltmeisterschaft gewinnen will und ich weiß, dass er 2022 absolut alles tun wird, um diese Trophäe für Brasilien zu gewinnen.

Welche Teams werden die größten Rivalen Brasiliens im Kampf um den Titel?

Frankreich, Belgien und die Niederlande. Aber so eine WM ist sehr schwer. Ein einziges schlechtes Spiel und du bist draußen. Du darfst dir einfach keinerlei Ausrutscher leisten. Das haben wir ja bei der letzten WM gesehen. Wir haben gegen Belgien zwei Tore kassiert und waren draußen. Wir versuchen immer, noch reifer und besser zu werden, damit wir in Bestform zur WM fahren und Ausrutscher vermeiden können.

Welches ist Ihre Lieblingsposition?

Bei Everton bevorzugt Trainer Carlo Ancelotti das 4-4-2-System. Ich spiele als Mittelstürmer. Ich habe Ancelotti gesagt, dass ich am liebsten auf dieser Position spiele. Dort habe ich auch gespielt, als ich bei America Mineiro angefangen habe. Hier fühle ich mich am wohlsten. Wenn ich auf dem linken Flügel spiele, liegt es meistens daran, dass wir eine Verletzung haben. Ich gebe natürlich auch dort alles, das tue ich auf jeder Position. Aber wenn man mich fragt, wo ich am liebsten spiele, dann ist es die Mittelstürmerposition. Ich habe das auch schon (dem brasilianischen Nationaltrainer) "Professor" Tite gesagt, aber natürlich ist es seine Entscheidung und die Ancelottis, wo ich spiele. Mir selbst ist am wichtigsten, überhaupt zu spielen und mein Bestes im Nationaltrikot zu geben.

Wie ist es, unter Ancelotti zu trainieren?

Er hat in der Welt des Fussballs schon alles gewonnen. Er ist eine Inspiration für unzählige Trainer. "Professor" Tite war mit ihm eine Zeitlang bei Real Madrid. Es ist eine große Ehre, unter einem der besten Trainer aller Zeiten zu spielen. Ich bin sehr dankbar, dass ich bei Everton die Gelegenheit habe, von ihm zu lernen, und ich habe das Gefühl, dass ich mich durch ihn enorm verbessert habe. Er sorgt auch für ein sehr angenehmes Umfeld und Klima für alle Spieler.

Ein weiterer Spieler, der sich unter Ancelotti enorm verbessert hat, ist Dominic Calvert-Lewin…

Dominics Entwicklung ist wirklich sehr beeindruckend. Er hat sich zu einem kompletten Stürmer gemausert. Als ich hierher kam, war er noch längst kein so starker Spieler wie heute. Das liegt an der harten Arbeit, die er hineinsteckt. Er ist jeden Tag im Kraftraum und arbeitet stets an seinem Abschluss. Und unter Ancelotti wird er besser und besser. Er hat einen absolut tollen Saisonstart hingelegt und die Berufung in die englische Nationalmannschaft absolut verdient. Es muss ein wahrer Alptraum sein, gegen ihn zu spielen. Und dazu ist er auch noch ähnlich sprunggewaltig wie Cristiano Ronaldo.

Auch James Rodriguez hat einen tollen Saisonstart gezeigt. Was halten Sie von ihm?

Er ist ein ganz besonderes Talent. Er ist der Zehner in Kolumbiens Nationalteam und hat hervorragende Referenzen: Real Madrid, Bayern München, FC Porto… Er könnte sofort in jedem Team in der Premier League Fuß fassen. Ich schaue mir sehr viele Premier-League-Spiele an. Welches Team hätte nicht gern einen James Rodriguez in seinen Reihen? Er hat bei Everton einen furiosen Start hingelegt und ich hoffe wirklich, dass es so gut weitergeht, damit wir in dieser Saison unsere Ziele erreichen können.

Und welche Ziele sind das?

Wir wollen einen Titel gewinnen. Die Fans sind hier sehr, sehr leidenschaftlich und warten schon viel zu viele Jahre darauf. Ich denke, dass wir jetzt mit Ancelotti und seinen Neuverpflichtungen einen Titel gewinnen können und um einen Platz in der Champions League mitspielen können. Das ist in England natürlich ganz besonders schwer, weil es diese großen Sechs gibt, aber wir sind ein ganz anderes Team als in der vergangenen Saison. Im vergangenen Jahr hatten wir viele Verletzungen. Doch jetzt haben wir hochklassige Spieler für die Positionen verpflichtet, wo wir es brauchten. Wir haben einen sehr guten Start in die Saison hingelegt und Ancelotti sorgt dafür, dass wir konzentriert und motiviert bleiben. Ich denke wirklich, dass wir uns für die Champions League qualifizieren können.

Was gefällt Ihnen am meisten am Leben in England?

Der Fussball. Ich sage meinen Freunden immer, dass ich so bald nicht hier weggehen will, denn hier wird der beste Fussball der Welt gespielt. Einige Dinge sind ziemlich schwierig – das Wetter ist ganz anders und die Leute reden längst nicht so viel wie in Brasilien. Aber ich liebe den Fussball hier.

Und was mögen Sie abseits des Fussballplatzes?

Ich liebe Videospiele. Und ich schaue auch ziemlich viel Fernsehen. Kriegsfilme gefallen mir besonders. Und zuletzt habe ich The Last Kingdom (Das letzte Königreich) gesehen. Die Serie ist wirklich gut.