Freitag 04 Dezember 2020, 10:59

Petković: "Wir würden uns über ein Duell mit Deutschland freuen"

  • Am 7. Dezember ist die Auslosung der europäischen WM-Qualifikation

  • Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petković im Interview

  • "Eine WM-Auslosung ist kein Wunschkonzert"

Als Nachfolger von Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld musste Vladimir Petković bei seinem Antritt als Schweizer Nationaltrainer 2014 in große Fußstapfen treten. Doch der 57-Jährige hat sich bewährt, sein Vertrag wurde erst vor wenigen Monaten bis Ende 2022 verlängert.

Unter der Ägide des Tessiners, der bis acht Monate vor Nati-Amtsantritt noch in der Serie A Lazio Rom coachte, qualifizierten sich die Schweizer sowohl für die UEFA EURO 2016 in Frankreich als auch für die WM 2018 in Russland. An beiden Turnieren scheiterten sie allerdings jeweils unglücklich im Achtelfinale. Bitter sind die Erinnerungen an das 5:6 gegen Polen im Elfmeterschießen in Saint-Étienne oder das 0:1 gegen Schweden vor zwei Jahren in St. Petersburg.

Kurz vor der Auslosung der europäischen Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ sprach FIFA.com mit Petković.

Herr Petković​, wie fällt Ihr Fazit von 2020 aus?

2020 wird in die Geschichtsbücher eingehen. Die ganze Welt wurde überrascht von einer Pandemie und entsprechend hat es auch den Fussball getroffen. Ich nehme das Leben immer wie es kommt und versuche das Beste daraus zu machen. Sportlich standen nach einer langen Pause acht Spiele in knapp drei Monaten auf dem Programm. Das war eine intensive und zugleich lehrreiche Zeit für mein Team und auch für mich. Wir konnten in der Liga A der UEFA Nations League gegen die besten Mannschaften Europas spielen. Resultatmäßig gab’s Luft nach oben, aber in den Spielen gegen Deutschland und Spanien haben wir gesehen, dass wir uns positiv weiterentwickeln und gegen die Besten mithalten und uns durchsetzen können.

Inwieweit hat sich Ihre Arbeit als Nationaltrainer durch die Corona-Pandemie verändert?

Wir hatten eine sehr lange Zeit ohne Zusammenzüge und ohne Spiele. Letztlich waren wir nur drei Monate aktiv auf dem Platz. Um den Kontakt zum Staff und zu den Spielern aufrechtzuerhalten, haben wir digitale Meetings organisiert. Manchmal auch nur, um uns zu sehen und über den Bildschirm anzustoßen. Ich habe viel mit den Spielern telefoniert und mir die Geisterspiele der Clubs meiner Spieler größtenteils im Fernsehen, anstatt im Stadion angesehen. Die Spieler haben sich an diese neuen Begebenheiten gewöhnt und wir im Staff mussten innerhalb kurzer Zeit alles umsetzen, was vorher real nicht möglich war. Wie ich erwähnt habe, ich nehme es, wie es kommt und versuche jeweils das Beste aus der Situation zu machen.

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Wie sind Ihre Erwartungen für 2021? Was ist bei der EURO möglich?

2021 wird ein intensives und ereignisreiches Fussballjahr. WM-Qualifikationsspiele und die EURO – wir freuen uns darauf und hoffen, dass wir bald wieder Fussball spielen und erleben können wie vor der Pandemie. Wir haben schon in der Nations League Kampagne viel investiert als Vorbereitung für die EURO. Wir wollen uns für die WM in Katar qualifizieren und in der EURO so weit als möglich kommen. Mit meiner Mannschaft ist vieles möglich. Wenn alles zusammenstimmt, können wir weit kommen und wir hoffen, dass bald die definitive Entscheidung fällt, dass die EURO wie geplant stattfinden kann.

Italien, Türkei und Wales warten in der Gruppe...

Alle drei sind starke Gegner. Aber wir müssen uns vor keinem verstecken. Wir gehen in jedes Spiel, um zu gewinnen. Italien und Türkei haben leichte Vorteile, weil sie "Heimspiele" haben, Italien in Rom und die Türkei in Baku. Unser erstes Ziel ist es, in dieser Gruppe weiterzukommen.

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Die deutsche Nationalmannschaft hat viel Kritik abbekommen in den letzten Tagen. Hat Sie das 0:6 gegen Spanien überrascht? Sie selbst haben gegen die Spanier kurz zuvor 1:1 gespielt...

Natürlich ist man überrascht, wenn Deutschland 0:6 verliert. Aber es ist noch nicht lange her, dass Deutschland Brasilien 7:1 geschlagen hat. Im Fussball ist so vieles möglich. Es gibt solch außergewöhnliche Tage, an denen so etwas passieren kann, zumal wir in einer Zeit sind, in der sich die Teams vor allem auf die EURO und die WM-Qualifikation einstellen und Dinge ausprobieren. Das Resultat zeigt aber auch, dass die Spanier sehr stark und schon sehr weit sind. Und es wertet zugleich unser 1:1 gegen Spanien auf, welches drei Tage vorher war. Das wurde vielerorts nicht von allen so hoch eingestuft.

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Im September/Oktober gab es jeweils ein Unentschieden gegen Deutschland. Wie wichtig sind solche "Prestige"-Erfolge gegen die DFB-Auswahl?

Wir haben immer gesagt, dass wir uns vor keinem Gegner verstecken müssen. Unsere Spieler sind in den besten Ligen der Welt engagiert und spielen dort vielerorts zusammen mit Spielern der DFB-Auswahl. Wir sind näher an die Weltspitze gerückt. Diese Unentschieden sind der Beleg dafür, man hat aber auch gesehen, dass uns das letzte kleine Etwas noch fehlt, um solche Spiele auch zu gewinnen.

Kommen wir zur Auslosung der WM-Qualifikation für Katar 2022. Gibt es einen Gegner, den Sie gerne vermeiden würden?

Eine WM-Auslosung ist kein Wunschkonzert. In Topf 1 sind alle Gegner stark. Auch in Topf 2 und Topf 3 gibt es starke Teams. Wie immer nehmen wir das, wie es kommt. Und hoffen auf ein bisschen Losglück, damit wir uns schließlich mit guten Leistungen qualifizieren zu können.

Würde Sie ein Duell gegen Deutschland freuen?

Natürlich. Deutschland ist unser Nachbar. Wir haben eine lange nachbarschaftliche Freundschaft und eine reiche gemeinsame Fussballgeschichte. Spiele gegen Deutschland sind immer etwas Besonderes und es sind auch immer Highlights für unsere Fans. Aber wir müssen uns im Detail noch verbessern, um uns gegen solche Gegner hundert Prozent durchsetzen können. Wir würden uns wirklich freuen über ein Duell mit Deutschland!

Die Schweiz war jetzt viermal in Folge bei der WM dabei. Sind die Eidgenossen auch in Katar dabei?

Wir werden alles daransetzen. Wir sind sehr zuversichtlich und glauben daran. Auch wenn es schwieriger wird sich zu qualifizieren, weil neben den Gruppenersten nur noch die drei besten Gruppenzweiten aus Europa weiterkommen. Wir werden alles unternehmen, alles positiv umzusetzen.

Wie sehr beeinträchtigt die Corona-Pandemie die Ergebnisse? Kann es mehr Überraschungen geben?

Ich glaube nicht, dass die Ergebnisse dadurch beeinträchtigt werden. Die Pandemie betrifft alle. Entsprechend kämpfen alle Verbände und Mannschaften mit den gleichen Schwierigkeiten. In der UEFA Nations League haben alle lernen können und müssen wie man mit der Pandemie umgehen soll. Und wir haben gesehen, dass es bei einigen noch Verbesserungsbedarf gibt.

Wie steht es generell um die WM 2022? Waren Sie schon mal in Katar?

Ich war noch nie da und freue mich Katar kennenzulernen. Ich bin sehr neugierig darauf, was uns erwarten wird. Die Vorbereitungszeit ist kurz, die WM ist im Winter, die Spieler werden weniger müde sein, als sonst vor einer WM. Die Spieler aus den Topligen werden noch fitter sein als im Juni. Entsprechend werden die Qualität und die Intensität noch höher sein. Man kann wieder dazu lernen und neue Erfahrungen als Trainer und als Team sammeln, mit dem Ziel eine gute WM zu spielen.

Die WM wird im Winter stattfinden. Ist es dadurch ein ganz besonderes Turnier?

Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Für die Spieler und für die Fans auf der ganzen Welt. Für unsere Fans in der Heimat heißt es Public Viewing irgendwo drinnen und nicht draußen an schönen Sommerabenden. Dafür erleben jetzt jene, die auf der anderen Halbkugel der Erde wohnen, auch mal eine WM in der warmen Jahreszeit. In Europa werden die Leute im Winter mehr zuhause sein und dieses Spektakel entsprechend ausgiebig an den Bildschirmen verfolgen.

Dreimal hat die Schweiz bei den letzten vier WM-Teilnahmen das Achtelfinale erreicht. Kann 2022 noch mehr gelingen?

Wir arbeiten daran. Wir wollen uns immer verbessern. Schritt für Schritt. Erstmals wollen wir uns qualifizieren. Als zweiter Schritt wollen wir in unserer Gruppe weiterkommen. Und wir werden alles dafür tun, dass es uns gelingt, noch weitere Schritte zu machen.