Dienstag 25 August 2020, 09:00

Neveu und die große Solidarität

  • Patrice Neveu hat viele Naturkatastrophen überstanden

  • Der Franzose hat in elf Ländern gearbeitet, SARS und einen Hurricane miterlebt

  • Neveu bleibt aus Solidarität in Gabun und hofft auf die WM 2022

Patrice Neveu gehört zu den erfahrensten Fussballtrainern der Welt. Vor 30 Jahren startete der Franzose eine Trainerlaufbahn, die einige unglaubliche Wendungen nehmen sollte. Er war 2003 Cheftrainer des chinesischen Klubs Zhuhai Anping, als die SARS-Epidemie das Land erfasste, und 2016 trainierte er das haitianische Nationalteam, als der Hurricane Matthew über das Land hinwegfegte. Damals war er mehrere Tage lang in einem Hotel isoliert. Jetzt erlebt er die COVID-19-Pandemie in Gabuns Hauptstadt Libreville.

Während die meisten in Gabun lebenden Franzosen nach Frankreich ausgeflogen wurden, hat Neveu sich entschlossen, in Libreville zu bleiben und eine Rückkehr nach Hause abgelehnt. In einem Interview mit FIFA.com erklärt er: "Es ist sinnvoll, in dem Land zu bleiben, in dem ich arbeite, damit ich in der Nähe des Fussballverbands und der Funktionäre bin. Ich muss auch in der Nähe der Gabuner und der hier aktiven Spieler bleiben, damit wir den Teamgeist aufrechterhalten können."

"Wenn du die Ergebnisse verbessern und das Niveau einer Fussballmannschaft steigern willst, brauchst du immer ein starkes Mannschaftsgefüge. Aus diesem Grund habe ich es für keine gute Idee gehalten, in dieser schwierigen Zeit, die Gabun und die ganze Welt wegen der COVID-19-Pandemie durchmachen, nach Frankreich zurückzukehren", fügt er hinzu.

Auf die Naturkatastrophen und Viren angesprochen, die Neveu im Laufe seiner Trainerkarriere bereits überstanden hat, erklärt er: "Als der Hurricane Matthew Haiti traf, habe ich versucht, den Spielern gegenüber Mut und Durchhaltevermögen zu zeigen, um die gute Stimmung im Kader zu erhalten. Schließlich war ich Trainer des Nationalteams."

"Obwohl mir die Schwere der Lage in diesen Fällen durchaus bewusst war, war ich nie im Zweifel über meine Pflichten. In China war die Situation sehr ernst, aber vielleicht ist es mir durch die Art meiner Arbeit möglich, diese schwierigen Situationen anzugehen – wie der Kapitän eines Schiffes", fügt er hinzu.

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Schwere Gruppe und Ägypten lauert

Nachdem die Pandemie weltweit für eine Zwangspause im Fussball gesorgt hatte, wurde der Spielbetrieb in den letzten Monaten nach und nach wieder aufgenommen. Die Afrika-Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ und den Afrikanischen Nationen-Pokal Kamerun 2022 soll in wenigen Monaten fortgesetzt werden. Wie immer werden in den Qualifikationsspielen intensive Rivalitäten zwischen einigen Nationalteams zutage treten. Außerdem warten alle schon gespannt auf das Duell zwischen dem ägyptischen Megastar Mohamed Salah und Gabuns Pierre-Emerick Aubameyang.

Auf die Frage nach den genauen Zielen für sein Team sagt Neveu: "Unser erstes Ziel ist die Qualifikation für den Nationen-Pokal 2022 in Kamerun. In Gabun waren alle enttäuscht, dass das Team bei der letzten Turnierauflage nicht dabei war. Daher ist eine Rückkehr ein absolutes Muss für uns."

Les Panthères wurden mit Ägypten, Libyen und Angola in eine Gruppe gelost. "Ägypten ist in dieser Gruppe favorisiert, weil das Team erfahrener ist und über hochklassige Spieler wie Mohamed Salah verfügt. Trotzdem glaube ich, dass unsere Mannschaft für eine Überraschung sorgen kann. Wir müssen daran glauben, dass wir es schaffen können, die Gruppe auf Platz eins abzuschließen und in die letzte Playoff-Runde einzuziehen. Das Spiel gegen Ägypten wird schwer werden, aber wir können ein positives Ergebnis erreichen", ist der 66-jährige Trainer überzeugt.

"Wir haben auch einige Spitzenspieler, und wenn wir uns auf die Teamarbeit konzentrieren, können wir gute Ergebnisse erzielen – auch wenn es unserem Team in der Tiefe etwas an Stärke mangelt, und zwar in Bezug auf die Qualität und Quantität unserer Reservespieler", fügt er hinzu.

Aubameyang ein echter Führungsspieler

Wenn Fussballfans an Gabun denken, kommt ihnen als Erstes der Stürmerstar Pierre-Emerick Aubameyang in den Sinn. Wir wollten wissen, wie wichtig er für das Team ist. "Als ich das Amt übernahm, war er aus mehreren Gründen etwas zögerlich, was die Nationalmannschaft anging. Ich habe mit ihm gesprochen, und er hat sich bereit erklärt, dabei zu bleiben. Er ist der Kapitän und ein hervorragender Torjäger. Das stellt er Jahr für Jahr wieder unter Beweis. Er bewegt bei Arsenal viel, und deshalb erwarten die Menschen in Gabun im Nationalteam viel mehr von ihm. Meine Aufgabe ist es, optimale Bedingungen für ihn zu schaffen, sodass er dem Team helfen kann."

"Er ist ein Superstar, aber wenn er zur Nationalmannschaft stößt, behandelt er alle wie seine Freunde. Ich werde nicht leugnen, dass er einige Anforderungen an die Nationalmannschaft gestellt hat, insbesondere auf organisatorischer Ebene. Ich hoffe, er kann für uns das leisten, was er bei Arsenal leistet und uns in der bevorstehenden Qualifikation für den Afrika-Cup und die WM helfen. Als Trainer freue ich mich sehr, mit einem so hervorragenden Spieler arbeiten zu können", fügt er hinzu.

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Elf Länder in 30 Jahren

Patrice Neveu ist einer von ganz wenigen Trainern, die in elf unterschiedlichen Ländern gearbeitet haben. Er liebt Reisen und neue Abenteuer und hat seit dem Start seiner Trainerlaufbahn in der Saison 1989/90 bereits Teams in Frankreich, Niger, Marokko, Tunesien, der VR China, Guinea, Ägypten, der DR Kongo, Mauretanien, Haiti und Gabun betreut.

Auf die Frage nach den Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen erklärt er: "Der Fussball ist die beliebteste Sportart der Welt, aber er ist nicht in allen Teilen der Welt gleich. Wenn man beispielsweise in China trainiert, muss man sich schnell an die dortigen Traditionen gewöhnen. Vor allem aber kommt es darauf an, dass es gelingt, den Spielern die technischen und taktischen Anweisungen verständlich zu machen."

"Ich liebe die afrikanische Mentalität sehr und verstehe sie sehr gut. Meine europäische Kinderstube hat mir geholfen, die Afrikaner zu verstehen. Das Verhalten mag zwar etwas unterschiedlich sein, aber das ist kulturell bedingt. Du musst dir wirklich darüber im Klaren sein, dass es ein Unterschied ist, ob du in Europa oder in Afrika trainierst. Als Trainer musst du einen Schritt zurücktreten und dich anpassen, um positive Ergebnisse zu erzielen", meint er abschließend.

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