Montag 15 März 2021, 08:57

Nsame – Unersättlicher Löwe wartet auf Chance, unzähmbar zu werden

  • Jean-Pierre Nsame wurde in den letzten beiden Spielzeiten zum besten Spieler der Schweizer Liga gewählt

  • Der Kameruner hat 2020 33 Tore in 38 Spielen erzielt

  • Er hofft, angesichts seiner Leistungen auf eine Chance im kamerunischen Nationalteam

Robert Lewandowski, Cristiano Ronaldo, Romelu Lukaku und Ciro Immobile – das sind weltweit die einzigen Spieler, die 2020 noch mehr Tore erzielt haben als Jean-Pierre Nsame. Mit einer Bilanz von 33 Toren hat der Kameruner im vergangenen Kalenderjahr damit zweifellos einen Höhepunkt seiner Karriere erreicht.

Nach seinem Wechsel in die Schweiz im Jahr 2016 ging es für ihn stetig bergauf. In seiner ersten Saison erzielte er für den Zweitligisten Servette Genf 23 Tore in 31 Spielen und stieß damit die Tür für einen Wechsel zu den BSC Young Boys Bern auf. In der Hauptstadt traf Nsame in der höchsten Spielklasse pro Saison zuerst 15, dann 16 und schließlich 41 Mal in die Maschen! Nach einem solchen Höhenflug ist es schwer, sich noch zu steigern.

Doch der Protagonist ist da anderer Meinung. "Seit ich hergekommen bin, habe ich ständig Fortschritte gemacht, aber ich habe nicht das Gefühl, schon bei 100 Prozent angekommen zu sein. Schließlich wäre es traurig, wenn ich mit gerade einmal 27 Jahren schon sagen müsste, dass ich mein bestes Niveau erreicht habe", erklärt der Spieler, der seit Saisonbeginn bereits 20 Treffer in 31 Spielen für sich verbuchen kann, am Mikrofon von FIFA.com.

"Das sind die Früchte der Arbeit, die mein Ausbildungsklub, die unterschiedlichen Leihstationen, bei denen ich aktiv war, und die verschiedenen Trainer, die ich bisher hatte, geleistet haben. Sie alle haben einen Beitrag dazu geleistet, und heute ernte ich die Früchte dieser jahrelangen Arbeit. Ich fühle mich im Augenblick sehr wohl und habe jetzt auch mehr Erfahrung. Dadurch kann ich besser einschätzen, an welchen Aspekten ich noch arbeiten muss, um in Zukunft noch besser zu werden. Das ist eine Motivation."

Inspiration, Fortschritt, Motivation

In der Schweiz ist er schon der Beste, denn in den letzten beiden Spielzeiten wurde er jeweils zum besten Spieler der Liga gewählt. Er ist ein sehr kompletter Angreifer und weiß genau, dank welcher Qualitäten er dieses Niveau erreicht hat. "Ich habe mich von Jahr zu Jahr gesteigert und mich zu einem guten Chancenverwerter entwickelt, Vertrauen in meine Aktionen gewonnen und mein Stellungsspiel verbessert", erklärt er. Auch seine imposante Statur (1,88 m) ist natürlich hilfreich. "Ich kann mich gut gegen die Verteidiger durchsetzen, habe keine Angst vor Zweikämpfen, nutze die Tiefe und auch intensive Laufduelle sind kein Problem. Mental bin ich meiner Meinung nach auch ziemlich stark, weil ich über die gesamte Spieldauer konzentriert bleibe, immer auf die ideale Situation warte und das Spiel ganz gut lesen kann", fügt er hinzu und erklärt, dass er diese Fähigkeiten im Zusammenspiel mit seinem ehemaligen Teamkameraden, dem französischen Ex-Nationalspieler Guillaume Hoarau erlernt hat.

Außerdem lässt er sich von einem weiteren Torjäger der Tricolore inspirieren. "Ich kann mich in allem noch verbessern, in der Abschlusszone noch effektiver und im Spiel präsenter werden. Ich schaue mir sehr häufig Karim Benzema an, wegen seiner Art, ins Spiel einzugreifen, sich bei der Spieleröffnung als Anspielstation zu präsentieren und wegen seiner präzisen Technik", erklärt der Kameruner. "Ich kann und werde mich immer noch weiterentwickeln und mich spielerisch verbessern. Im Alter zwischen 27 und 31 oder 32 Jahren fühlt man sich sicherer, kann besser mit unterschiedlichen Situationen umgehen und weiß genau, wo die eigenen Stärken liegen."

Dank dieses Strebens nach Perfektion ist Nsame seit mehreren Spielzeiten der beste kamerunische Stürmer des Planeten. Doch trotz all dieser Qualitäten wartet der bei SCO Angers ausgebildete Spieler noch immer auf eine echte Chance im Nationalteam seines Landes. "Ich hatte durchaus das Zeug, am CAF Afrikanischen Nationen-Pokal 2019 teilzunehmen, denn damals war ich der beste kamerunische Torjäger in Europa", meint er mit Blick auf seine ersten Nominierungen in den Jahren 2017 und 2019. "Doch der damalige Nationaltrainer Clarence Seedorf hat sich anders entschieden. Ich respektiere ihn, aber er hat mir keine überzeugende Erklärung geliefert, denn von den Stürmern, die da waren, habe ich die meisten Tore erzielt", erinnert er sich enttäuscht, ist aber weiterhin motiviert und hofft nun auf eine weitere Chance und darauf, dass man ihn ausschließlich nach sportlichen Kriterien beurteilt.

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Verlieren ist keine Option

"Das ist immer noch ein Ziel, das ich im Hinterkopf behalte, aber ich bin hier einfach mit einer Situation konfrontiert, mit der ich nicht glücklich bin, in Bezug auf die Dinge, die gesagt werden und die Positionen, die eingenommen werden, auch wenn das alles immer wieder thematisiert wurde", meint er und hofft, dass sich seine Situation unter António Conceição ändert. "Aber ich hätte nichts dagegen, in die Nationalmannschaft zurückzukehren, wenn die Dinge geklärt werden. Es gibt einen neuen Nationaltrainer. Solange man mit mir nur über das Sportliche spricht, ist mir der Rest egal. Ich arbeite weiter hart, um die Chance zu bekommen, mich durchzusetzen. Aber auf die Auswahl, die Entscheidungen habe ich keinen Einfluss ..."

Mit Blick auf die Afrika-Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022 brauchen die Unzähmbaren Löwen auf jeden Fall einen zuverlässigen Torjäger, um in einer Gruppe D zu bestehen, in der sie auf Malawi, Mosambik und vor allem auf die Côte d’Ivoire treffen. "Das ist eine große Rivalität, die auf die Zeit von Didier Drogba und Samuel Eto’o und die anderen hervorragenden Spieler dieser Zeit zurückgeht", meint Nsame, der häufig mit seinem ehemaligen ivorischen Mitspieler Roger Assalé über dieses Thema spricht. "Wenn alles gut läuft, wird die Qualifikation auf einen Zweikampf dieser beiden Teams hinauslaufen, auch wenn ich etwas traurig darüber bin, dass sich nur einer von beiden qualifizieren wird. Es wäre gut, die besten afrikanischen Teams bei der WM zu haben und zu zeigen, dass der afrikanische Fussball wirklich präsent ist. Auf jeden Fall wird es ein sehr interessantes Spiel werden. Vor allem, wenn ich dabei bin und die Chance habe, gegen Roger anzutreten!", meint er lachend.

Der fröhliche Gesichtsausdruck würde aber schnell verschwinden, falls es Kamerun nicht gelänge, die Reise nach Katar anzutreten. "Die Kameruner erwarten das von ihrem Nationalteam. Diesen Druck spüren alle Spieler", räumt er ein. "In Kamerun gehört die Nationalmannschaft dem Volk, den Menschen, die fanatisch sind und zwischen zwei Extremen schwanken. Wenn du gewinnst, lieben sie dich wie verrückt. Aber sie können dich auch wie verrückt hassen, wenn du verlierst ... Manchmal hat man den Eindruck, dass Verlieren keine Option ist, obwohl der Fussball nun mal aus Siegen und Niederlagen besteht. Auf jeden Fall muss Kamerun immer das Ziel haben, sich für die WM zu qualifizieren und einen guten Eindruck vom afrikanischen Fussball zu vermitteln", meint er abschließend.