Montag 07 November 2016, 10:55

Noboa: Wir wollen die Qualifikation unbedingt schaffen

Wenn man einen hochrangigen Offizier als Vater hat, sind Disziplin oder die Einhaltung von Regeln im täglichen Leben einfach allgegenwärtig. Und es sind Themen, die grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden. Trotzdem ist es Fernando Noboa, derzeit Generaloberst der ecuadorianischen Marine, nicht gelungen, seinen sehnlichsten Wunsch in die Realität umzusetzen, nämlich dass seine drei Söhne alle eine Karriere beim Militär einschlagen. Am ehesten geneigt, einmal in die Fußstapfen des Vaters zu treten, war der mittlere Sohn Roberto. Am Ende zog er es jedoch vor, Unternehmer zu werden. Seine beiden Brüder hingegen lehnten eine berufliche Zukunft in Uniform von vornherein ab.

"Am Anfang fand er die Idee mit dem Fussball überhaupt nicht gut", erinnert sich Christian Noboa, der älteste der drei Söhne. "Es passte ihm gar nicht. Er wollte, dass ich studiere und dann zur Marine gehe. Schließlich sagte er aber zu mir, dass, wenn mir der Fussball denn wirklich so gut gefallen würde, er mich so gut wie nur möglich unterstützen werde." Und wenn heute für den ecuadorianischen Nationalspieler und Profi des russischen FK Rostow eines klar ist, dann ist es die Gewissheit, dass das Militär seine Sache nie gewesen wäre. "Nach Befehlen von anderen zu handeln, war mir schon immer zuwider", so Noboa im Gespräch mit FIFA.com, wobei er sich ein Lächeln nicht verkneifen kann. Vielleicht ist aus ihm ja gerade deshalb ein Mittelfeldspieler geworden. Denn anstelle Befehle zu befolgen, ist er es, der in der 'Truppe' auf dem Platz für Ordnung sorgt. David, der jüngste Spross der Familie, folgte dem Beispiel seines ältesten Bruders.

Und obgleich sich Don Fernando die Zukunft seiner Söhne anders vorgestellt hatte, war seine Frau Sonia Tello in diesem Punkt nicht mit ihm einig. "Der Fussball hat mich schon als Kind begeistert. Ich habe in meiner Familie viele Cousins, mit denen ich als kleines Mädchen Fussball gespielt habe. Als ich dann acht Jahre alt war, haben meine Mutter, meine Tante und eine Freundin meiner Mutter den Entschluss gefasst, mich auf eine Fussballschule zu schicken." Kein Wunder, dass auch Christian schon früh seine Berufung für den Fussball entdeckte. ** **Von da an ordnete er seine ganze Disziplin und Arbeit dem unter, was er bis dahin zu Hause erlebt hatte. Und er übertrug das Ganze auf seine Leidenschaft. "Mir war klar, dass ich mit meiner Entscheidung für den Fussball vieles aufgeben musste. Keine Partys, keine durchfeierten Nächte, kein Alkohol und keine Zigaretten… Zwischen 14 und 19 Jahren habe ich nur noch trainiert. Ich habe versucht, mich gesund zu ernähren und angemessene Ruhepausen einzulegen. So gesehen habe ich in meinen Jugendjahren schon etwas verpasst, doch es hat sich gelohnt." Und wieder huscht ihm ein Lächeln über das Gesicht.

Verständigungsprobleme, Kulturschock und ein völlig anderes Klima Wenn er auf seine Kindheit zurückblickt, erinnert sich der heutige Mittelfeldakteur vor allem an die häufig wechselnden Wohnorte seiner Familie. "Wegen des Berufes meines Vaters sind wir alle ein, zwei Jahre umgezogen. Dies bedeutete jedes Mal eine neue Schule, wo wir dann auch neue Freunde kennen lernten." Deshalb habe ich auch nicht lange überlegt, als ich 2007 - damals spielte ich bei CS Emelec - ein Angebot aus Russland erhielt. Ich habe einfach meine Koffer gepackt und bei Rubin Kasan unterschrieben. Der Neustart dort war nicht leicht. "Am Anfang habe ich mich schon gefragt, was ich in dieser Kälte am anderen Ende der Welt zu suchen habe."

Hinzu kamen Verständigungsprobleme, Kulturschock und ein völlig anderes Klima. Er versuchte, die Zähne zusammen zu beißen und nach vorn zu blicken. "In dieser Zeit hat mir all das geholfen, was mir in meiner Familie anerzogen worden war. Zum Beispiel Opferbereitschaft, Disziplin und auch mentale Stärke." Die inzwischen erzielten Ergebnisse sprechen für sich. In ein paar Monaten werden es zehn Jahre, die seit seiner Ankunft in Russland vergangen sind. Verheiratet mit einer Russin namens Olya und Vater von zwei "ecuadorianisch-russischen" Söhnen ist Christian mittlerweile perfekt integriert. Auch wenn es immer noch Dinge gibt, an die er sich wohl nie richtig gewöhnen wird. "Ich habe schon immer lieber bei Wärme als bei Kälte gespielt. Die Wärme liegt mir einfach mehr." Und wieder lacht er dabei.

Darum und weil er es so schätzt, für seine Nationalmannschaft aufzulaufen, freut sich Christian derzeit darauf, die verschneite Landschaft von Rostow für ein paar Tage hinter sich zu lassen und sie gegen den südamerikanischen Frühling einzutauschen. Dabei ist sich der 30-jährige Mittelfeldakteur, der sich in der bisherigen Südamerika-Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ als einer der Schlüsselspieler seiner Mannschaft erwies, durchaus bewusst, dass der Doppelspieltag im November für Ecuador, das aktuell in einer äußerst ausgeglichenen WM-Qualifikation auf Rang drei steht, von entscheidender Bedeutung sein wird. "Es ist eine hart umkämpfte WM-Qualifikation, und daran wird sich auch bis zum Schluss nichts ändern", ist er sicher.

Und er weiß sehr wohl, dass, wenn er bei 'seiner' russischen WM dabei sein will, alles von den Begegnungen vor heimischer Kulisse in Quito abhängt. "Die Entscheidung darüber fällt in unseren Heimspielen. So haben wir uns bereits für Brasilien 2014 qualifiziert. Denn vor heimischem Publikum waren wir in der Qualifikation überaus effizient. Daher hat sich in unserem Nationalteam nach einem spektakulären Start in die aktuelle WM-Qualifikation auch sofort Unruhe breit gemacht, nachdem wir bei zwei Heimspielen gepatzt hatten. "Gegen Paraguay und Brasilien haben wir Punkte eingebüßt, wie wir sie in der vorangegangenen WM-Qualifikation nicht verloren hatten. Am Ende war entscheidend, dass wir an den letzten Spieltagen gegen Chile und Bolivien vier von sechs möglichen Punkten holen konnten."

Mit den Fans im Rücken zum Erfolg Nächste Gegner sind Uruguay, das im Hinspiel in Montevideo nicht einmal ein Unentschieden zugelassen hatte, sowie das in der Tabelle bereits abgeschlagene Venezuela, das in Quito seinerseits auf ein Wunder hofft. Christian rechnet damit, dass seiner Mannschaft am 15. November gegen die Vinotinto **ein Sieg gelingt. Und ein paar Tage davor? "Wir haben mehrere Verletzte zu beklagen. Dazu kommen noch einige Spieler, die gesperrt sind. Das wiegt schwer. Wir werden versuchen, auf Augenhöhe zu spielen und alles zu geben, um Uruguay mindestens einen Punkt abzuringen. Denn der wäre sehr wertvoll."

Der in Guayaquil geborene offensive Mittelfeldspieler ist sich darüber im Klaren, dass auch die Fans Ecuadors zweite WM-Qualifikation in Folge fest im Visier haben. "Wir müssen es unbedingt schaffen, wie auch immer!" Genau deshalb hofft er nun, auch weiterhin auf die Heimstärke seiner Mannschaft setzen zu können. "Bei jedem Heimspiel spüren wir die eigenen Fans im Rücken. Wir müssen sie bitten, uns auch künftig den Rücken zu stärken." Und das schließt auch seine Familie ein. Auch Don Fernando. Denn obgleich der Traum von einer militärischen Karriere seiner Söhne nicht in Erfüllung ging, ist er heute ein stolzer Vater, der bereit ist, für seinen Sprössling alles in seinen Kräften Stehende zu tun. Ein Mann also, der zu seinem Wort steht.