Montag 25 März 2019, 08:16

Meazza als Star einer griechischen Tragödie

Jeder noch so lange Weg beginnt mit einem ersten Schritt, lautet eine alte Weisheit. Für den WM-Gastgeber beginnt der Weg heute mit dem Eröffnungsspiel des Turniers. Doch 1934 war das noch nicht so. Am Sonntag, 25. März 1934, fand eine wahrlich einmalige Partie statt, als Italien als einziger WM-Gastgeber der Geschichte um seine Qualifikation für das Turnier kämpfte.

Vier Jahre zuvor – mitten in der Wirtschaftskrise – hatten 13 europäische Mannschaften auf Einladung an der FIFA Fussball-WM 1930 in Uruguay teilgenommen. Damals war keine Qualifikation erforderlich. Nach dem Erfolg des ersten Turniers und angesichts der bevorstehenden Ausrichtung in Europa war das Interesse indes weitaus höher und so musste eine Qualifikationsrunde gespielt werden, um aus den 32 eingeladenen Teams die 16 Endrundenteilnehmer zu ermitteln.

Die Qualifikation begann im Juni 1933 und endete mit dem letzten Qualifikationsspiel der USA gegen Mexiko – das interessanterweise nur drei Tage vor dem Beginn der Endrunde am 27. Mai bereits in Italien ausgetragen wurde. Zwei Monate zuvor hatte der Gastgeber selbst sich den Platz bei seiner Heim-WM sichern müssen. Gegner war Griechenland.

Italien hatte einen Monat zuvor ein Freundschaftsspiel gegen Österreich verloren, während Griechenland im Februar einen Sieg gegen Bulgarien eingefahren hatte. Dennoch gingen die Griechen als krasser Außenseiter in das Duell. Schließlich waren die Italiener in allen sieben Länderspielen 1933 unbesiegt geblieben, während der Erfolg der Griechen ihr erster Sieg seit Dezember 1930 war und eine Negativserie von elf Spielen beendete.

Italien trat vor 20.000 leidenschaftlichen Zuschauern im San-Siro-Stadion in Mailand an. In Vittorio Pozzos Startformation stand dabei auch der gefürchtete Stürmer Giuseppe Meazza. Das Stadion wurde später aufgrund seiner herausragenden Leistungen in der Nationalmannschaft nach ihm benannt, und auch an diesem Nachmittag sollte er die Fans nicht enttäuschen. Neben Meazza standen noch weitere Spieler in der Aufstellung, die italienische Fussballgeschichte schrieben. Allein sechs der Akteure aus der Startformation gegen Griechenland standen genau 77 Tage später in Rom auch wieder zu Beginn des WM-Endspiels auf dem Platz.

Die Italiener nahmen von Anfang an das Heft in die Hand. Die Griechen widerstanden den Angriffen 40 Minuten lang, doch dann erzielte der gebürtig aus Brasilien stammende Anfilogino Guarisi den Führungstreffer für die Gastgeber. Unmittelbar vor der Pause erhöhte Meazza dann auf 2:0. Die Schützlinge von Apostolos Nikolaidis standen somit bereits vor einer fast unlösbaren Aufgabe.

Nereo Rocco wurde in der Pause durch Mittelfeldspieler Giovanni Ferrari von Juventus Turin ersetzt. Das wäre nach heutigen Maßstäben kaum der Rede wert, doch Auswechslungen wurden erst 1950 ins Regelwerk des Fussballs aufgenommen. Rocco durfte damals nur wegen einer ernsthaften Verletzung durch einen anderen Spieler ersetzt werden.

Bemerkenswert ist der Einsatz Roccos auch deswegen, weil dies sein einziges Länderspiel für Italien blieb und damals eine anschließende Karriere als Trainer nur möglich war, wenn man mindestens 45 Minuten für die Nationalmannschaft gespielt hatte. Und so konnte der damalige Mittelfeldspieler von Triest in den 1960er und 70er Jahren große Erfolge als Trainer des AC Mailand feiern. Er gewann zwei Mal den Europapokal und gilt als einer der ersten Anwender des Catenaccio, der den italienischen Fussball lange Zeit dominieren sollte.

Im zweiten Durchgang erhöhte der frisch ins Spiel gekommene Ferrari die Führung der Italiener weiter, bevor Meazza den 4:0-Endstand perfekt machte. Daniil Danelian verschoss sogar noch einen Elfmeter für die Griechen, und so konnten die Italiener am Ende einen mehr als klaren Sieg bejubeln.

Eigentlich war auch ein Rückspiel angesetzt, das in Athen stattfinden sollte. Doch angesichts der deutlichen Niederlage in Mailand verzichteten die Griechen darauf und zogen ihr Team zurück.

Zwei Torschützen aus der Partie gegen Griechenland leisteten auch bei der WM-Endrunde einen wichtigen Beitrag in Pozzos Team. Ferrari traf im Auftaktspiel gegen die USA und erzielte dann auch den Ausgleich im ersten Viertelfinale Italiens gegen Spanien. Meazza seinerseits trug sich ebenfalls in die Torschützenliste gegen die USA ein und erzielte den Siegtreffer Italiens im Wiederholungsspiel gegen die Roja.

Im Anschluss an das Turnier beschloss die FIFA, dass der WM-Gastgeber in Zukunft stets automatisch qualifiziert sein solle, beginnend mit dem Turnier 1938 in Frankreich. Die Hauptfiguren des Sieges gegen Griechenland spielten auch vier Jahre später eine wichtige Rolle. Mit Meazza als Kapitän und Ferrari im Team verteidigten die Azzurri 1938 in Frankreich mit einem Finalsieg gegen Ungarn den Jules-Rimet-Pokal.