Dienstag 30 März 2021, 01:07

Larsson: "Wir sind ein besseres Team geworden"

  • Sebastian Larsson avancierte zum Stützpfeiler Schwedens

  • Mit seiner Führungspersönlichkeit, Gelassenheit und Ballgewandtheit ist immer noch unverzichtbar

  • Mit FIFA.com sprach er über die Ambitionen Schwedens auf der Weltbühne

Vor einigen Wochen machte die Rückkehr von Zlatan Ibrahimović ins schwedische Nationalteam anlässlich der Qualifikation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™ Schlagzeilen in der Presse des Landes. Ibrahimović hatte vor fünf Jahren direkt nach der UEFA EURO 2016 seinen Rücktritt erklärt.

Auch Sebastian Larsson war bei dem Abenteuer in Frankreich dabei gewesen, bei dem für die Schweden nach der ersten Runde als Tabellenschlusslicht der Gruppe E Schluss war. Der Mittelfeldspieler war damals schon 31 Jahre alt, bereits seit acht Jahren Nationalspieler und hätte dem Nationalteam ebenfalls den Rücken kehren können. Doch als Janne Andersson das Amt des Nationaltrainers übernahm, machte er Larsson zu einem Stützpfeiler der Blågult, die unter ihm wieder Auftrieb bekommen sollten. Diese Entscheidung sollte sich als goldrichtig erweisen, denn zwei Jahre später erreichten die Schweden bei der WM 2018 in Russland das Viertelfinale und damit ihr bestes Ergebnis seit der Auflage von 1994 in den USA. Mit seiner Führungspersönlichkeit, Gelassenheit und Ballgewandtheit ist der mittlerweile 35-jährige Larsson noch immer unverzichtbar im Team. In der Qualifikation für Katar 2022, in der die Schweden zum Auftakt in Gruppe B zwei Siege verbuchen können, trägt er die Kapitänsbinde.

Am Mikrofon von FIFA.com spricht der Mittelfeldspieler über die Ambitionen Schwedens auf der Weltbühne sowie über sein spätes Debüt in der schwedischen Liga. Nach 17 Jahren in England, wo er beim FC Arsenal, Birmingham City, AFC Sunderland und zuletzt Hull City aktiv war, hat er nämlich 2018 bei AIK Solna angeheuert. Er erinnert sich an Trainingseinheiten mit Thierry Henry und ist stolz auf mehr als 120 Auftritte im gelben Trikot seines Landes.

Sebastian, Sie sind 2018 im Alter von 33 Jahren zu AIK Solna gewechselt, nachdem Sie zuvor immer in England aktiv gewesen waren. Wollten Sie gegen Ende Ihrer Karriere noch einmal eine Erfahrung in der Liga Ihres Heimatlandes machen?

Je älter ich wurde, desto mehr habe ich darüber nachgedacht. Ich war erst 16, als ich nach England aufgebrochen bin, und dann bin ich 17 Jahre dort geblieben. Ich wurde immer neugieriger darauf, wie es wäre, auf höchstem Niveau in Schweden zu spielen. Das Gefühl, dass ich es ausprobieren musste, wurde im Laufe meiner Karriere immer stärker, und als sich die Gelegenheit bot, fand ich, dass der Moment gekommen war. Heute genieße ich es wirklich, nach Hause zurückgekehrt zu sein.

In Ihrer ersten Saison haben Sie AIK zum Meistertitel verholfen. War es Ihnen wichtig, bei Ihrer Rückkehr nach Hause für den Klub noch etwas bewegen zu können, nicht nur Ihre Karriere ausklingen zu lassen?

Ja, natürlich. Als ich zum ersten Mal über eine Rückkehr nachdachte, wollte ich damit auf keinen Fall zu lange warten. Ich wollte nicht nur herkommen, um meine Ruhe und das Gefühl zu haben, dass meine Karriere zu Ende geht. Ich wollte gut genug sein, um dem Team wirklich helfen zu können. Ich wollte sicher sein, dass ich einen Beitrag zum Erfolg leisten kann, mit ehrgeizigen Zielen und Siegeshunger.

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2004 ist Ihnen der Sprung in die erste Mannschaft des FC Arsenal gelungen. Damals waren Sie 19 Jahre alt. Was war es für ein Gefühl, plötzlich mit Thierry Henry, Patrick Vieira, Dennis Bergkamp, Gilberto Silva oder Freddy Ljungberg im Team zu sein?

Das war eine Wahnsinnszeit bei Arsenal. Das Team war ausnahmslos mit absoluten Topspielern besetzt, und zwar überall, in allen Mannschaftsteilen! Für mich, damals noch ein junger Spieler, der noch ganz am Anfang seiner Karriere stand, war es einfach unglaublich, die Chance zu haben, mit dieser Mannschaft zu trainieren. Natürlich war ich anfangs total nervös, das kann ich nicht bestreiten. Ich wollte keinen Pass von Henry verpassen und ihm den Ball perfekt zuspielen! Ich habe von diesem Team unglaublich viel gelernt. Die Einstellung, die Qualität auf dem Spielfeld, die Arbeitsmoral im Training ... diese Spieler waren immer hoch konzentriert. Wenn ich heute, mit 35 Jahren, auf meine Zeit als Nachwuchsspieler zurückblicke, dann muss ich sagen, dass diese Situation absolut perfekt war. Natürlich war es in diesem Team extrem schwer, Einsatzzeiten zu bekommen und Spiele zu bestreiten. Aber mit Blick auf die Ausbildung kann es meiner Meinung nach nichts Besseres geben, denn Arsenal gehörte damals zu den besten Klubs Europas.

Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen und Sie sind ein Routinier mit einer Bilderbuchkarriere. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen dem jungen Spieler von damals und den Nachwuchsspielern, die heute in Ihrem Team sind?

Viele Dinge haben sich geändert. Der Fussball ebenso wie die Gesellschaft. Das ist normal. Man kann nicht erwarten, dass in einem so langen Zeitraum alles gleich bleibt, denn die Gesellschaft entwickelt sich. Die jungen Spieler von heute nehmen die Sache sehr ernst, vor allem auch abseits des Spielfelds. Sie denken schon in jungen Jahren darüber nach, wie sie sich ernähren, fit halten und wie viele Stunden sie schlafen sollten ... Aus diesem Blickwinkel ist es ein großer Fortschritt. Einmal abgesehen davon, war es etwas anders, als ich den Sprung in die erste Mannschaft geschafft habe. Dieses Recht musste man sich in gewisser Weise verdienen. Ich wusste, dass ich noch jung bin, dass ich der Mannschaft helfen muss, dass ich mich in den Dienst der älteren Spieler stellen musste. So bist du erwachsen geworden und hast dich zu einem vollwertigen, mannschaftsdienlichen Spieler entwickelt. Wenn man zwei Epochen vergleicht, kann man positive und negative Aspekte finden, aber letztendlich entwickelt sich der Fussball wie die Gesellschaft.

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Welchen Rat würden Sie heute einem jungen Sebastian Larsson geben, der sich 2008 auf seinen ersten Einsatz für Schweden vorbereitet?

Ich würde ihm sagen, dass er versuchen soll, jeden Augenblick zu nutzen. Ich habe das große Glück, sehr lange zur Nationalmannschaft zu gehören, und rückblickend muss ich sagen, dass die erste Nominierung etwas ganz Besonderes war. Aber ich habe jede Minute mit dem Nationalteam genossen. Das ist einfach eine unglaubliche Ehre! Diesem jungen Mann würde ich also sagen, dass er es genießen soll, vor allem am Anfang. Gleichzeitig sollte er aber auch versuchen, etwas von den erfahrenen Spielern zu lernen, während der Spiele und im Training, und auch Kleinigkeiten mitzunehmen. Wenn man jung ist, können die langjährigen Nationalspieler einem wirklich helfen. Und genau darum habe ich mich immer bemüht.

13 Jahre später tragen Sie die Kapitänsbinde und haben mehr als 120 Länderspieleinsätze zu verzeichnen. Ist Ihnen bewusst, dass Sie die Geschichte der Nationalmannschaft mitgeschrieben haben?

Das ist eine große Ehre und etwas, auf das ich sehr stolz bin. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mein 100. Länderspiel gefeiert habe. Das war ein besonderer Moment, weil nur wenige Spieler diesen Meilenstein erreichen. Aber ich war schon immer ein Spieler, der versucht, nicht zurückzublicken. Schließlich bin ich noch aktiv und kann in die Zukunft schauen. Wenn das [Karriere]ende dann einmal ansteht, werde ich sicher mit großem Stolz an diese Zeit denken.

Bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2018™ ist Schweden im Viertelfinale gegen England ausgeschieden. Welches Gefühl überwiegt bei Ihnen: der Stolz, unter den besten acht Teams der Welt gewesen oder die Enttäuschung darüber, nicht weitergekommen zu sein?

Von beidem etwas. Das war bereits ein großer Erfolg. Ich glaube nicht, dass viele uns im Vorfeld im Viertelfinale einer WM gesehen haben. Es war eine fantastische Erfahrung. Aber wenn du dann an diesem Stadion ankommst, willst du noch weiter kommen. Daher war das Ausscheiden schon eine große Enttäuschung. Die Enttäuschung war vor allem deshalb groß, weil wir die nötige Qualität hatten, aber nicht das Spielniveau auf den Platz bringen konnten, das ein Viertelfinale erfordert. England hat den Sieg in dieser Partie verdient, aber wenn du nur ein einziges Spiel davon entfernt bist, um eine Medaille zu kämpfen, ist es bitter, so kurz vor dem Ziel zu scheitern. Aber insgesamt sind wir stolz auf das, was wir erreicht haben.

Drei Jahre später hat Schweden sich für die nächste UEFA EURO qualifiziert, in der UEFA Nations League jedoch den letzten Platz in seiner Gruppe belegt. Hat Ihr Team Fortschritte oder Rückschritte gemacht?

Ich würde sagen, dass wir heute ein besseres Team sind. Junge Spieler mit hervorragenden Qualitäten sind dazugestoßen und geben der Mannschaft mehr Dynamik. Der Konkurrenzkampf im Team war seit langem nicht mehr so groß wie jetzt. Die Spieler sind über die großen Ligen Europas verteilt und spielen dort gut. Dadurch können wir nur Fortschritte machen. Es stimmt schon, dass wir in der Nations League in unserer Gruppe Letzter geworden sind, aber wir sind auch gegen die besten Nationen angetreten, nämlich Frankreich, Portugal und Kroatien. Wir treffen nicht gerade häufig auf Teams von diesem Niveau, aber das sind genau die Spiele, in denen man viel lernt.

Wir müssen andere Dinge tun, um Lösungen zu finden. Wir müssen lernen, was zu tun ist, um die Lücke zu schließen und mitzuhalten, aber wir müssen auch lernen, was wir nicht tun dürfen. Uns ist schnell klar geworden, dass diese Teams einen sofort bestrafen, wenn man ein bisschen aufmacht, selbst wenn man das Spiel dominiert. Teams wie Schweden müssen Folgendes verinnerlichen, wenn sie gegen die Besten der Welt antreten: Du bezahlst jeden Fehler teuer.

Können diese Lektionen mit Blick auf die WM 2022 in Katar nützlich sein, sodass Ihr Team vielleicht zumindest den Erfolg von 2018 wiederholen kann?

Das ist eine unverzichtbare Grundlage. Wenn man weiterkommen will, muss man immer mit der Einstellung an die Sache herangehen, dass man vorherige Erfahrungen nutzt und es besser machen will. Sonst wird man nie etwas erreichen. Bestenfalls bleibst du auf demselben Niveau. Wir wissen, wie schwierig es ist, wie viele gute Teams im Wettbewerb sind, und wir müssen regelmäßig unser Bestes geben. Im Laufe der letzten beiden Jahre haben wir gezeigt, dass wir von Zeit zu Zeit das Niveau haben, um mit den besten Teams mitzuhalten. Das ist schon mal gut. Wir können ihnen ihre Aufgabe schwer machen. Das ist die erste Lektion, die wir mitnehmen müssen, damit unsere Mannschaft weiter vorankommt.

Sebastian Larsson of Sweden celebrates 

Noch einmal zu Ihnen persönlich: Wäre eine Teilnahme an der WM in Katar der ideale Schlusspunkt für Ihre lange Länderspielkarriere?

Zuerst steht die Europameisterschaft an. Das ist ein großes Turnier und unser erstes Ziel. Aber um ehrlich zu sein, ich habe noch nie versucht, zu weit in die Zukunft zu blicken. Das gilt in meinem Alter umso mehr. Die WM könnte ein Ziel sein, was zu weit entfernt ist, aber noch habe ich nichts entschieden und ich will auch noch gar nicht darüber nachdenken.

Sie sind in einem Alter, in dem Sie nicht zu weit vorausschauen möchten, in dem Sie aber durchaus zurückschauen können: Gibt es rückblickend etwas, dass Sie in ihrer Karriere anders machen würden?

Eine Reise in die Vergangenheit kann zwar ganz schön sein, aber auch gefährlich. Ich bin sicher, dass ich etwas finden könnte, was ich hätte anders machen können. Ich habe mich damals entschieden, Schweden zu verlassen, als ich noch sehr jung war. Aber ich bin stolz auf meine bisherige Karriere. Ich habe in der Premier League gespielt, einer Liga, von der ich schon als Kind geträumt habe, und ich spiele schon seit langem und habe es immer geschafft, in Form zu bleiben. Deshalb hatte ich noch keine einzige schwere Verletzung. Ich habe eine schöne Karriere hinbekommen, vor allem im Nationalteam, mit dem ich viele Spiele bestritten habe. Die letzte WM war ein Erfolg und auf persönlicher Ebene ein wichtiger Moment. Also bin ich lieber stolz auf alles, was ich getan habe, anstatt mir zu überlegen, was ist hätte tun können.