Dienstag 15 September 2020, 10:54

Ivankovic: "Ich glaube an Kroatiens Erfolgskonzept"

  • Branko Ivankovic wurde dieses Jahr zum Cheftrainer Omans ernannt

  • Er hofft, seine Erfahrungen mit Kroatien an das Nationalteam Omans weitergeben zu können

  • Ivankovic spricht über seine schönsten Erinnerungen und über Kroatiens größte WM-Erfolge

Der kroatische Trainer Branko Ivankovic ist im asiatischen Fussball längst kein Unbekannter mehr. Er trainierte mehrere Klubs in der IR Iran, der VR China und Saudiarabien, bevor er Anfang des Jahres das Ruder beim Nationalteam Omans übernahm. Nun hofft er, Oman zur ersten WM-Teilnahme führen zu können.

Ivankovic kann auf zahlreiche Erfolge zurückblicken. Er war Assistenztrainer von Miroslav Blazevic, als Kroatien bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Frankreich 1998™ sensationell den dritten Platz belegte. Er gewann diverse Trophäen mit verschiedenen Klubs in Kroatien, der VR China und der IR Iran und er führte das Team Melli zur Endrunde der FIFA Fussball-WM Deutschland 2006™.

FIFA.com traf Ivankovic zu einem Gespräch über die Unterschiede zwischen der Arbeit mit Klubs und Nationalteams, seine neue Aufgabe in Oman, seine Erfahrungen als Trainer der IR Iran bei der WM 2006 in Deutschland sowie die Erfolge Kroatiens bei den WM-Endrunden Frankreich 1998 und Russland 2018.

FIFA.com: Sie haben zuletzt verschiedene Klubmannschaften trainiert und dann Anfang des Jahres die Nationalmannschaft Omans übernommen. Was hat Sie dazu gebracht, diese Stelle anzunehmen?

Branko Ivankovic: Eigentlich wollte ich nach meinen Engagements in Iran und Saudiarabien eine Auszeit nehmen. Aber dann meldete sich der Fussballverband Omans um zu erfahren, ob ich das Team übernehmen würde. Man erläuterte mir das Programm und ich sah darin eine neue, interessante Herausforderung. Mein Ziel ist es, mit dem Sultanat etwas zu erreichen und den Fussball voranzubringen, dem es im Nahen Osten im Allgemeinen noch an Professionalität mangelt. Die Spieler brauchen mehr Erfahrung und müssen härter arbeiten. Für mich ist das eine wirklich enorme Herausforderung.

Sie sind nun schon seit neun Monaten Nationaltrainer Omans, doch Ihr Team hat in dieser Zeit kein einziges Spiel absolvieren können. War dies eine schwierige Zeit für Sie?

Leider ist der Fussball ja seit mehreren Monaten wegen des Coronavirus auf der ganzen Welt zum Erliegen gekommen. Das gilt natürlich auch für Oman. Die Spieler konnten in den vergangenen fünf Monaten keine Spiele absolvieren und es gab auch keine gemeinsamen Trainingseinheiten. Das entwickelt sich zum Problem für uns. Natürlich bin ich nicht glücklich über den Mangel an Wettbewerben und Freundschaftsspielen. Die gute Nachricht lautet nun, dass wir im Oktober und November die Möglichkeit bekommen, die Spieler zusammenzuholen und zu sehen, wie es nach mehreren Monaten ohne Spiele läuft. Das nächste offizielle Spiel Omans findet erst im kommenden März statt. Doch wir müssen uns bis dahin gut vorbereiten. Die Spieler müssen in der einheimischen Liga Spiele bestreiten, um nach der langen Unterbrechung wieder in Form zu kommen.

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Oman ist erst die zweite Nationalmannschaft, die Sie trainieren. Bedeutet dies, dass Sie sich eigentlich im Klubfussball wohler fühlen?

Ich hatte das große Glück, gleich zu Beginn meiner Karriere einen Klub zu trainieren und gleichzeitig dem Technischen Stab der kroatischen Nationalmannschaft anzugehören. Das war für mich eine großartige Erfahrung. Ich verfolge bei Klubs und Nationalteams zwei verschiedene Ansätze. Es gibt sehr große Unterschiede zwischen den beiden Jobs. Bei einem Klub arbeitet man jeden Tag mit den Spielern. Bei Nationalteams hingegen sieht man sie eigentlich nur bei den Trainingslagern. Nachdem ich zu Beginn meiner Karriere einige Klubs betreut habe, hatte ich tolle Erfahrungen mit der kroatischen Nationalmannschaft bei der UEFA EURO 1996 und der FIFA WM 1998. Danach übernahm ich das Team der IR Iran, wo ich vier Jahre blieb.

Was ist, basierend auf Ihren eigenen Erfahrungen als Trainer, der größte Unterschied zwischen der Arbeit mit einem Klubteam und einem Nationalteam?

Wie schon gesagt, es gibt sehr große Unterschiede zwischen den beiden Jobs. Bei Klubs hat man genügend Zeit, die Spieler in Ruhe auszuwählen und tagtäglich mit ihnen zu arbeiten. Man erfährt viel über den Klub, entdeckt junge Spieler und steht alle paar Tage bei den Spielen unter Erfolgsdruck. Das ist für mich persönlich sehr gut, denn ich arbeite gern jeden Tag sehr intensiv. Diese Kontinuität ist wichtig und hilft, etwas mit dem Klub zu erreichen, bei dem man die Spieler manchmal sogar zwei Mal täglich sieht. Dabei lernt man natürlich auch viel über sie und ihre Entwicklung. Bei Nationalteams hingegen hat man bei Weitem nicht so viel Zeit. Man muss viel schneller Entscheidungen treffen. Die Spieler kommen meist erst wenige Tage vor einem Spiel ins Trainingslager. Es wird oft recht schwierig, wenn in den Länderspielpausen die Qualifikationsspiele zu bestreiten sind. Bei großen Turnieren hat man ja wenigstens einige Wochen Zeit, doch zuvor muss man schnelle Entscheidungen treffen und die geeignetsten Spieler auswählen. Dann gibt es immer wieder Spieler, die nicht genügend Einsatzzeit bei ihren Klubs bekommen oder auch mal schwächere Leistungen zeigen. All das muss man ständig im Hinterkopf haben. Der wichtigste Aspekt für einen Trainer, egal ob bei einem Klubteam oder einem Nationalteam, besteht darin, für eine gute Atmosphäre in der Gruppe zu sorgen und Harmonie zwischen den Spielern zu erreichen.

Sie verhalfen der IR Iran zur Teilnahme an der FIFA Fussball-WM Deutschland 2006™ und führten das Team auch bei der Endrunde. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Turnier?

Als ich die IR Iran trainierte, hatten wir einen wirklich starken Kader, der es verdient zur WM 2006 nach Deutschland geschafft hat. Allerdings bekamen wir im Vorfeld des Turniers große Probleme, weil sich wichtige Akteure wie Ali Karimi, Mehdi Mahdavikia, Vahid Hashemian und auch Ferydoon Zandi Verletzungen zuzogen. Sie konnten erst wenige Tage vor Beginn der Endrunde wieder zu uns stoßen und waren nicht vollständig fit für die Spiele. Wir haben gegen Mexiko, Portugal und Angola gut gespielt, aber leider hat es nicht gereicht, um die K.-o.-Runden zu erreichen. Trotzdem war es eine großartige Erfahrung. Die Erfahrungen, die ich 1998 mit Kroatien in Frankreich gemacht hatte, haben mir in Bezug auf die IR Iran sehr geholfen. Beim AFC Asien-Pokal 2004 in der VR China hatten wir sehr starke Leistungen gezeigt und den dritten Platz geholt. Wir besiegten die Republik Korea, die zwei Jahre zuvor bei der WM 2002 den vierten Platz belegt hatte. Auch danach setzte das iranische Team seine sehr gute Entwicklung fort.

Bei der WM 1998 in Frankreich waren Sie Assistenztrainer von Miroslav Blazevic und landeten am Ende mit Kroatien auf Platz drei. Wie haben Sie das geschafft?

Kroatien!! Frankreich 1998 war fantastisch, eine großartige Erfahrung für uns. Wir hatten schon zwei Jahre zuvor bei der EURO 1996 gezeigt, dass wir ein starkes Team hatten. Wir haben die Türkei und Dänemark besiegt und auch gegen Deutschland sehr gut gespielt, aber trotzdem knapp mit 1:2 verloren. Wir fuhren jedenfalls mit gesundem Selbstvertrauen von diesem Turnier ab. Dann kam in der WM-Qualifikation das Playoff-Duell gegen die Ukraine, das wir gewonnen haben. Dabei hatte die Ukraine ihr wohl stärkstes Team aller Zeiten, mit Spielern wie Andriy Shevchenko und Serhii Rebrov. Wir waren sehr zuversichtlich, bei der WM in Frankreich gute Ergebnisse zu holen. Außerdem hatten Trainer Blazevic und sein Stab für eine fantastische Atmosphäre für den großartigen Kader gesorgt, mit Spielern wie Boban, Suker, Bilic, Prosinecki, Asanovic und Ladic. Wir hatten eine tolle Mannschaft aufgebaut und den dritten Platz voll und ganz verdient. Bei unserer Rückkehr nach Kroatien wurden wir von mehr als einer Million Menschen auf den Straßen begrüßt. Unser großartiges Abschneiden in Frankreich war nicht nur für die Kroaten sondern für die ganze Welt eine Riesenüberraschung.

Hatten Sie vor Beginn des Turniers an ein so gutes Abschneiden geglaubt?

Ja! Es mag überraschend klingen, doch während der gesamten Vorbereitung glaubten Blazevic und ich stets an unseren Erfolg. Wir haben auch den Spielern und dem gesamten Umfeld vermittelt, dass wir mit sehr großen Ambitionen nach Frankreich fuhren. Wir wollten etwas wirklich Großes leisten. Wir hatten mehrere Spieler dabei, die bei großen Klubs wertvolle Erfahrungen gesammelt und Titel gewonnen hatten. Sie hatten viel internationale Erfahrung, und die Atmosphäre war ganz ausgezeichnet. Wir waren alle vereint.

Was Sie 1998 in Frankreich erreicht hatten, wurde 2018 in Russland sogar noch übertroffen. Kroatien war dem Titel ganz nah und wurde am Ende Vizeweltmeister. Was sagen Sie zu dem kroatischen Team vor zwei Jahren?

Nach der überaus starken Vatreni-Generation brachte Kroatien eine weitere starke Spielergeneration hervor, die bei der FIFA Fussball-WM Russland 2018™ für Furore sorgte. Wir hatten Spieler bei Spitzenklubs wie Real Madrid, Barcelona und Juventus und andere, die ebenfalls bei den erfolgreichsten Klubs der Welt spielten. Wir wussten, dass wir gute Resultate holen würden, wenn die Atmosphäre stimmte. Dalic ist ein hervorragender Trainer, der genau dafür gesorgt hat. Die Gruppe sorgte selbst für die Überzeugung, dass sie bei der WM etwas Herausragendes leisten konnte. Und genau das gelang ja dann auch. Manchen ist es wahrscheinlich nicht ganz klar, doch wir glaubten stets daran, gute Resultate zu holen, weil wir so fantastische Spieler hatten.

Halten Sie die aktuelle kroatische Spielergeneration für die beste aller Zeiten?

Es ist sehr schwer, Vergleiche zwischen verschiedenen Generationen anzustellen. Jede Generation hat ihre ganz eigene Charakteristik. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass Kroatien 1994, also kurz nach dem Krieg, seine Nationalmannschaft aus dem Nichts aufgebaut hat. Damals kannte niemand Kroatien und niemand erwartete irgendetwas von uns. Es war sehr schwer, sich einen Platz auf der Fussball-Landkarte zu erobern. Doch wir erarbeiteten uns mit guten Leistungen bei der EURO 1996 und der WM 1998 nach diesen schweren Zeiten viel Respekt. 20 Jahre später wurde Kroatien dann Vizeweltmeister. Das zeigt ja definitiv, dass diese Generation eine ganz besondere ist. Es ist schwer, die aktuelle Generation mit der von Frankreich 1998 zu vergleichen. Sicher ist jedoch, dass beide fantastisch waren und wir sehr stolz auf sie sind!