Donnerstag 13 April 2017, 08:27

Fillol hebt ab und schreibt Geschichte

  • Eine Parade lässt das ganze Land jubeln

  • Ein Keeper mit der Rückennummer 5

  • Erst in Ungnade gefallen, dann großer Hoffnungsträger

"Wenn es einen Mann gibt, der die Hauptverantwortung dafür trägt, dass Argentinien nach 48 Jahren zum ersten Mal in ein WM-Finale einziehen konnte, dann ist es Ubaldo Fillol."

The New York Times war wenige Tage bevor die Albiceleste die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ auf heimischem Boden gewann und damit einen der erhebendsten Momente aller Zeiten erlebte, ziemlich deutlich. Schließlich war der Anblick von Fillol, der durch die Luft segelte, um ein Tor des Gegners zu verhindern, im Juni 1978 nicht gerade ein seltener gewesen.

Zu einer Zeit, in der sich ganz Argentinien mit den Landesfarben Blau und Weiß schmückte und die WM landesweit in den Stadien Einzug hielt, avancierte der Torhüter, der auch unter dem Spitznamen El Pato (die Ente) bekannt war, zum Nationalhelden. Doch obwohl er inzwischen für viele der beste argentinische Schlussmann aller Zeiten ist, war sein Platz zwischen den Pfosten damals keinesfalls sicher.

Angeblich hatte er einige Jahre zuvor ein Angebot des Teams von Cesar Menotti ausgeschlagen, war daher in Ungnade gefallen und erhielt keine Stammplatzgarantie. "Fillol denkt vielleicht, er sei Pelé, aber das ist er nicht", so Menottis Reaktion.

Doch dann zog sich Stammtorhüter Hugo Gatti eine Knieverletzung zu, und der Taktikfuchs stand vor einem Problem. "Ich werde Fillol berufen", lenkte er ein. "Ich habe immer gesagt, Fillol habe eine Chance vergeben und müsse nun auf die nächste warten." Dieses Mal sollte er sie nutzen.

Als das obige Bild in der Partie gegen Frankreich aufgenommen wurde, war der erste Titel der Albiceleste noch zwei Wochen entfernt und schien bloß ein Luftschloss zu sein, das sich am Ende des Weges abzeichnete. Fillol und Co. gingen mit dem Wissen auf den Platz, dass sie im Falle eines Sieges in die zweite Runde einziehen würden. Im Auftaktspiel waren sie gegen Ungarn zunächst in Rückstand geraten, hatten die Partie dann jedoch gedreht.

Sicherlich spielte es eine Rolle, dass der Schlussmann von CA River Plate sich im Umfeld des heimischen Estadio Monumental ausgesprochen wohl fühlte, als er dafür sorgte, dass Les Bleus aus ihrer anfänglichen Sturm- und Drangphase kein Kapital schlagen konnten. Dann schien alles nach Plan zu laufen, als sein Teamkamerad Daniel Passarella kurz vor der Halbzeitpause einen Elfmeter verwandelte und das heimische Publikum zum Jubeln brachte. Doch die französische Ikone Michel Platini erzielte im zweiten Durchgang den Ausgleichstreffer, und es folgten einige wilde Minuten, in denen es munter hin und her ging.

Zunächst stocherte Dominique Rocheteau den Ball fast ins Tor, am Ende fehlten jedoch einige Zentimeter. Dann musste er mit ansehen, wie Leopoldo Luque die Gastgeber mit einem mächtigen Volleyschuss aus der Distanz in Führung brachte. Der französische Flügelstürmer, der bald darauf zu Olympique Marseille wechseln sollte, wollte es ihm nun am anderen Spielfeldende gleichtun, doch El Pato verhinderte den zweiten Ausgleich der Franzosen mit einer spektakulären Glanzparade.

Rocheteau nahm den Ball nach einem Kopfball von Marius Tresor mit dem Oberschenkel an und jagte ihn dann mit einem strammen Linksschuss platziert in Richtung oberes Toreck. Er wäre drin gewesen, wenn Fillol nicht so fantastisch reagiert hätte. Nur noch 15 Minuten waren zu spielen, und am Ende sollte es diese Glanzparade sein, die Argentinien vorzeitig den Einzug in die nächste Runde sicherte. Später errang die Albiceleste dann ihren ersten WM-Titel – und Fillol avancierte zum Nationalhelden.

Hätten Sie's gewusst? Wer Adleraugen hat, mag vielleicht gesehen haben, dass Fillol auf dem obigen Foto das Trikot mit der Nummer fünf trägt. Das liegt daran, dass die Trikotnummern bei den Argentiniern damals in alphabetischer Reihenfolge vergeben wurden. Mit der traditionellen Nummer eins lief daher Mittelfeldspieler Norberto Alonso auf. Im FIFA Welt Fussball Museum sind die Trikots von Osvaldo Ardiles (Nummer zwei) und Américo Gallego (Nummer sechs) im Rahmen der Ausstellung zu Argentinien 1978 zu sehen.