Samstag 08 Oktober 2016, 14:40

Fedetskyi zuversichtlich für die Ukraine

Der enttäuschende Auftritt der Ukraine bei der UEFA EURO 2016 blieb nicht ohne Folgen. Es wurde ein Trainerwechsel beschlossen, und seitdem leitet der bekannteste Fussballer des Landes der letzten 25 Jahre das Nationalteam. Mit seinem ersten großen Cheftrainerposten hat Andriy Shevchenko zugleich die schwere Aufgabe übernommen, die Gelb-Blauen zur FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ zu führen. Im Vorfeld der beginnenden WM-Qualifikation sprach FIFA.com mit dem 31-jährigen Verteidiger Artem Fedetskyi über die jüngste Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der ukrainischen Auswahl.

Fedetskyi, der in diesem Sommer von Dnipro Dnipropetrovsk zum deutschen Bundesligisten SV Darmstadt 98 gewechselt ist, gehörte in der letzten Qualifikation zu den Stammkräften des Teams. Unter dem neuen Trainer aber saß er bisher auf der Bank.

"Es sind die ersten Pflichtspiele mit Shevchenko als Trainer der Ukraine", sagt Fedetskyi im Interview mit FIFA.com. "Er muss Entscheidungen treffen und ich respektiere das. Natürlich spiele ich jetzt in Deutschland, muss das Niveau hoch halten und versuchen, meinem Land von Nutzen zu sein. Aber ich denke, es ist nicht nur für mich, sondern auch für das Nationalteam gut, dass ich in der Bundesliga spiele."

"Ich habe unter vielen Trainern gearbeitet", fährt Fedetskyi fort, der seit sechs Jahren Nationalspieler ist. "Jeder hat seine eigene Sicht auf den Fussball und verschiedene taktische Vorstellungen. Aber was immer gleich geblieben ist, seit ich Länderspiele bestreite, ist, dass du Charakter zeigen musst. Dieses Team hat die besten Spieler der Ukraine versammelt und es wird von ihnen erwartet, dass sie ihr Bestes leisten."

Die Gelb-Blauen scheiterten früher auf dem Weg zu den weltweiten oder europäischen Gipfeltreffen oft an der letzten Hürde. Dies änderte sich im letzten Jahr.

"Ich kann mich gar nicht richtig erinnern, wie oft die Ukraine in der Playoff-Runde verlor - fünf oder sechs Mal? Beim sechsten Versuch haben wir es geschafft", blickt Fedetskyi zurück. "Meiner Meinung nach ist das eine psychologische Sache. Es war fantastisch, dabei zu sein, als wir im Kampf um einen Platz bei der EURO Slowenien schlugen, und diese Freude zu erleben."

Die Freude war indes nicht von langer Dauer. Die kontinentale Endrunde in Frankreich brachte für Fedetskyi und seine Mitstreiter nichts als Enttäuschung. Nach den Niederlagen gegen Deutschland, Nordirland und Polen gehörte die Ukraine zu den ersten Teams, das die Heimreise antreten musste.

"Natürlich war das ein Scheitern", sagt er. "Wir haben nicht den gleichen Charakter wie in der Qualifikation gezeigt. Es war unangenehm und beschämend gegenüber den Fans, aber die besten Profifussballer lassen niemals den Kopf hängen. Nicht einmal nach schmerzhaften Niederlagen. Deshalb: Kopf hoch, die Fehler gründlich analysieren und weitermachen."

Die letzte Möglichkeit der Ukraine, an der FIFA WM teilzunehmen, wurde unter dramatischen Umständen verpasst. In einer Playoff-Runde mit Hin- und Rückspiel gegen Frankreich um den letzten Platz für Brasilien 2014 zeigte das Team in Kiew eine blendende Leistung und errang einen 2:0-Sieg. Das Rückspiel in Paris aber ging mit drei Toren Rückstand verloren. Der starke Auftritt in Deutschland 2006, als die Ukraine ins Viertelfinale einzog, bleibt daher die einzige Teilnahme an diesem Wettbewerb.

"Wir glaubten daran, dass wir gewinnen konnten, obwohl Frankreich ein starkes Team hatte", sagt Fedetskyi. Im Hinspiel war es dem Verteidiger gelungen, Franck Ribéry in Schach zu halten. Im Rückspiel aber war er aufgrund einer Sperre zum Zuschauen verdammt. "Nach dem zu urteilen, wie es im Hinspiel lief, war ich zuversichtlich, dass wir unseren Traum verwirklichen können würden, zur WM nach Brasilien zu fahren. Meine Freunde, Bekannten und alle Teamkameraden erinnern sich bis heute an dieses Spiel. Natürlich ist Ribéry ein Weltklassespieler, aber das Verdienst, ihn aufgehalten zu haben, gebührt nicht nur mir, sondern dem ganzen Team. Ich denke, es war eine der besten Leistungen sowohl in meiner als auch in der Karriere aller ukrainische Nationalspieler."

"Schon in Kiew sagte ich, dass wir ein Auswärtstor brauchen würden, um es nach Brasilien zu schaffen. Leider erfüllte sich unser Traum nicht. Es gab keine Emotionen nach dem Duell im Stade de France, nur ein Gefühl der Leere. Das Wichtigste in Momenten wie diesen ist, nicht aufzugeben und weiterzumachen."

Alle Blicke auf die WM gerichtet Fedetskyi hat seine gesamte bisherige Karriere in der höchsten ukrainischen Spielklasse absolviert und sorgte international für Furore, als er mit Dnipro ins Finale der UEFA Europa League einzog. Nun aber beschloss er, ein neues Kapitel aufzuschlagen, und unterschrieb zu Beginn der Saison in Darmstadt.

"Ich bin 31 Jahre alt und habe eine Menge Erfahrung gesammelt", erklärt er. "Bis zu deinem 30. Lebensjahr häufst du sie an und dann musst du konstant deine Leistung bringen und jedes Mal das gute Niveau halten. Ich denke, dass ich den Punkt erreicht habe, an dem ein Fussballer am besten sein muss. Ich werde dennoch versuchen, weiter Fortschritte zu machen."

Shevchenkos Männer haben in der Qualifikation für Russland 2018 eine schwere Gruppe erwischt und müssen sich mit Kroatien, Island, der Türkei, Finnland und Kosovo auseinandersetzen.

"Es ist eine sehr harte Gruppe", urteilt auch Fedetskyi. "Ich denke, dass alle Teams mehr oder weniger das gleiche Niveau haben. Wir haben nur ein Ziel: Die Qualifikation für die WM. Um das zu erreichen, werden wir eine unglaubliche Einstellung und Opferbereitschaft an den Tag legen müssen."

Die Ukraine startete mit zwei Unentschieden in die Qualifikation. Zu Hause kam das Team nicht über ein 1:1 gegen Island hinaus, bevor es sich in der Türkei ein 2:2 erkämpfte. In beiden Spielen waren die Ukrainer dem Sieg nahe. Als nächstes steht ein Duell auf dem Programm, in dem sie eindeutig favorisiert sind. Sie treffen auf den Neuling aus Kosovo.

"Gegen Island hätten wir gewinnen müssen, aber wir gerieten in Rückstand", erklärt Fedetskyi. "Zu allem Überfluss vergab Yevhen Konoplyanka einen Strafstoß, aber das kann passieren. Er war sehr wütend darüber, aber wir haben ihn alle unterstützt und aufgebaut. Es gab in dieser Gruppe viele Unentschieden bisher, deshalb ist für uns immer noch alles drin."

"Kosovo ist der große Unbekannte, wir wissen nicht, was wir von dieser Mannschaft zu erwarten haben", sagt der erfahrene Abwehrspieler. "Es tut weh, dass wir unser Heimspiel gegen sie nicht in der Ukraine bestreiten können, sondern in Polen austragen müssen. Aber ich bin dennoch sicher, dass unsere Fans auf den Rängen sein werden. Wir streben einen Sieg an, damit sie etwas zu feiern haben."