Freitag 20 Januar 2017, 09:17

Essen in Sankt Petersburg

Streng genommen gibt es heute keine typische Sankt Petersburger Küche mehr. Denn die Stadt ist hinter Moskau und London die drittgrößte Europas. Daher findet man hier Spezialitäten aus allen Teilen der Welt und hat bei Restaurants, Bars und Cafés eine riesige Auswahl unter vielen tausend Lokalen. Dennoch gibt es einige Speisen und Spezialitäten, die als traditionell und damit typisch für Sankt Petersburg gelten.

Stint Der Stint gilt ebenso sehr als traditionelles Symbol für Sankt Petersburg wie die unverwechelbaren Zugbrücken. Der europäische Stint wandert Ende Apri/Anfang Mai zum Ablaichen den Fluss Newa hinauf. Die Anwohner entlang des Flusses vom Ladoga-See zum Finnischen Meerbusen fangen in dieser Zeit die Fische mit Angeln oder Netzen. Frischer Stint wird in Geschäften, von Straßenhändlern sowie auch in Cafés und Restaurants angeboten. Unverwechselbar ist der eigentümlich-intensive Geruch der Fische, der an frische Gurken erinnert. Zum Sommer hin endet die Saison für diese Spezialität. Fans, die eine Reise zum FIFA Konföderationen-Pokal 2017 oder zur FIFA Fussball-WM 2018™ planen, sollten daher möglichst früh anreisen. Der Monat Mai ist ohnehin für einen Aufenthalt in der "Hauptstadt des Nordens" am besten geeignet.

Der Stint ist mehr als nur ein Fisch oder ein wohlschmeckendes Gericht – er gehört zur kollektiven Identität von Sankt Petersburg. Wer Stint mag, sich mit Stint auskennt und ihn selbst zubereiten kann, wird als Einheimischer angesehen. Größere Exemplare sollte man entschuppen und ausnehmen, kleinere hingegen können mit Schwanz und Flossen (und sogar mit Kopf) verspeist werden. Gewöhnlich wird Stint in Mehl gewendet und dann gebraten, doch es gibt noch zahlreiche weitere Möglichkeiten der Zubereitung. Die Fische können beispielsweise auch mariniert, gebacken, geräuchert oder gepökelt werden.

Der Stint genießt in Sankt Petersburg regelrechten Kultstatus. Seit einigen Jahren wird in der ganzen Stadt der Tag des Stints gefeiert und derzeit sogar wird über die Aufstellung eines Stintdenkmals diskutiert.

Pyschki Pyschki sind eine traditionelle Süßspeise, die gern als Dessert gegessen wird. Wer Sankt Petersburg besucht, aber diese Spezialität nicht probiert, hat sich nicht wirklich mit dem Geschmack der Stadt vertraut gemacht. Auf Pischky ist man in Sankt Petersburg ebenso stolz wie auf Stint. Allerdings sollte man nie den Fehler machen, sie als "Donuts" zu bezeichnen (auch wenn sie diesen sehr ähnlich sind). Dies gilt als echter Fauxpas. Die Brandteigkringel mit dem typischen Loch in der Mitte werden gewöhnlich mit Puderzucker bestäubt und dann in den Kaffee getunkt. Dieses Ritual kann man überall in der Stadt sehen und auch selbst zelebrieren.

Pyschki-Cafés wurden in den 1930er Jahren populär und bewahren heute in gewisser Weise den Geist Leningrads aus der Sowjet-Ära. Im Gegensatz zum Stint gibt es ein fest umrissenes Zentrum der Pischky-Kultur, nämlich das legendäre Café Pyschechnaja in der Bolshaya-Konyushennaya-Straße 25, direkt in der Nähe des Newsky-Prospekts. Wer dort ein paar Pischky verspeist hat, darf sich schon fast als echter Petersburger fühlen.

Bœuf Stroganoff Bœuf Stroganoff ist ein sehr bekanntes Gericht, das allerdings keineswegs nur mit der Stadt Sankt Petersburg in Verbindung gebracht wird. Das Gericht wird (unter anderem) Graf Alexander Grigorjewitsch Stroganoff (1795-1891) zugeschrieben, der in Sankt Petersburg geboren wurde und später als Militärgouverneur der Stadt und als russischer Innenminister diente. Zum Entstehungsort des Gerichtes gibt es verschiedene Theorien. Möglich scheint, dass es am Schwarzen Meer erstmals zubereitet wurde, wo der Graf gegen Ende seiner Laufbahn als Generalgouverneur diente. Der Legende nach hatte der alternde Aristokrat Probleme mit den Zähnen und bat daher seinen französischen Küchenchef Andre Dupont, besonders zartes Fleisch in kleine Stücke zu schneiden, diese kurz anzubraten und sie dann mit einer sauren Sauce zu servieren, wodurch ihm das Kauen erleichtert werden sollte. Heute ist Bœuf Stroganoff in nahezu jedem Sankt Petersburger Restaurant auf der Speisekarte zu finden.

Leningrader Rassolnik-Suppe Suppen und Grützen, die bei der Zubereitung aufgekocht werden, bilden seit Jahrhunderten einen festen Bestandteil der russischen Küche, ebenso wie salzige und mit Essig gesäuerte Zutaten. Somit kann man die Rassolnik-Suppe als "Prototyp" der russischen Suppe bezeichnen. Diese Form der Suppe wurde im 15. Jahrhundert populär, ist jedoch bis heute weniger verbreitet als Borschtsch oder Schtschi. In ihrer Urform wurde sie stets mit eingelegten Salzgurken und/oder deren Lake zubereitet.

In der Sowjet-Ära war es üblich, Rassolnik mit Fleisch und Perlgraupen zu verfeinern. Diese Art der Suppe nannte man "Leningrader Rassolnik". Seit der Rückbenennung der Stadt 1991 liest man auch häufig "Petersburger Rassolnik." Im Unterschied hierzu wird die Moskauer Variante ohne Gerste zubereitet.

Petrograder Salat Heute finden sich in der russischen Küche Salate in allen denkbaren Varianten, doch bis ins 19. Jahrhundert war es völlig unüblich, Nahrungsmittel zu zerkleinern und dann daraus einen Salat zu mischen. Doch mittlerweile sind Salate fester Bestandteil der Ernährung und auch Festtafeln ohne eine reiche Auswahl verschiedener Salate sind kaum denkbar.

Warum der herzhafte Salat mit Hähnchenbrust, Pilzen, Kartoffeln, Karotten, Käse, Eiern und Mayonnaise als "Petrograder Salat" bezeichnet wird, ist allerdings nicht bekannt. Die Stadt trug von 1914 bis 1924 den Namen Petrograd. Heute wird der Stadtteil rechts der Flussmündung als Petrograder Seite bezeichnet.

Blini "Arina Rodionovna" Die meisten Russen sind mit der Geschichte um den Namen dieser landesweit beliebten Delikatesse vertraut. Für Besucher aus anderen Ländern fassen wir sie hier noch einmal zusammen. Arina Rodionovna war das Kindermädchen des großen russischen Dichters Alexander Puschkin. Er blieb ihr während seines gesamten Lebens sehr verbunden, widmete ihr mehrere Gedichte und erwähnte sie immer wieder in seiner Korrespondenz. Puschkin selbst stammte zwar aus Moskau, doch sein Kindermädchen wurde im Dörfchen Suyda in der Nähe von Gatchina bei Sankt Petersburg geboren.

Das charakteristische Merkmal dieser Blini ist ihre rötliche Farbe, hervorgerufen durch den Rübensaft, der dem Teig hinzugefügt wird. Am besten schmecken diese Blini mit Stachelbeermarmelade. Zarin Katharina die Große mochte sie besonders gern, daher wird diese Zusammenstellung auch "Blini nach Zarin-Art" genannt. Es heißt, Puschkin sei regelrecht verrückt nach diesen Blini gewesen und er habe bis zu 30 Stück verdrücken können.

Es gibt noch zahlreiche weitere Rezepte für typische Sankt Petersburger Gerichte. Einige davon tragen so interessante Namen wie "Gatschina-Forelle" oder "Stackenschneider-Grütze" (in Anlehnung an den russischen Baumeister, der zahlreiche Paläste und andere Gebäude in Sankt Petersburg und Peterhof errichtete). Die Liste ließe sich geradezu endlos fortsetzen.

Zum Abschluss wollen wir noch kurz auf die Getränke eingehen, die für Fussballfans besonders interessant sind. In Sankt Petersburg gibt es zahlreiche Lokale, in denen man einen Sieg des eigenen Teams gebührend feiern kann. Es gibt für jeden Geschmack das richtige, egal woher man kommt.

Es fällt schwer, eine bestimmte Biersorte oder einen bestimmten Cocktail zu empfehlen, da die Auswahl schier unendlich und die Qualität hervorragend ist. Was gerade besonders angesagt ist, ändert sich von Jahr zu Jahr. Der belgische Verteidiger Nicolas Lombaerts, der mittlerweile seit zehn Jahren in Sankt Petersburg lebt, scherzte nicht, als er sagte, das Bier dort sei besser als das in seiner belgischen Heimat, auf das die ganze Nation zu Recht stolz ist.