Wer als Fussballer in einem Spiel eine lebensgefährliche Verletzung erleidet, ist danach oft traumatisiert und zieht das Trikot nur noch widerwillig oder gar nicht mehr über. Shane Duffy hingegen will diese schmerzliche Erfahrung einfach nur hinter sich lassen.

"Ich versuche, nicht allzu viel darüber nachzudenken", so Duffy in einem Exklusivinterview mit FIFA.com. "Natürlich ist es ein erschreckender Gedanke, dass man hätte sterben können. Aber ich denke so wenig wie möglich daran und versuche, es hinter mir zu lassen."

2010 wurde der damals 18-jährige Duffy vom damaligen Nationaltrainer Giovanni Trapattoni erstmals in die Nationalmannschaft der Republik Irland berufen. Während eines Trainingslagers prallte er in einem Testspiel mit der Perspektivmannschaft mit dem gegnerischen Torhüter zusammen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort retteten die Ärzte dem Verteidiger in einer Not-Operation das Leben, denn durch den Zusammenprall war die Blutversorgung seiner Leber gestört. Duffy erholte sich unglaublich schnell von seiner Verletzung und konnte schon nach einer knappen Woche wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Trainer Trapattoni sprach damals von einem "Riesenglück".

"Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr an allzu viel aus dieser Zeit erinnern", gibt Duffy zu. "Ich habe einfach versucht, diese erste Woche zu überleben, und mich dann zurück gekämpft. Wahrscheinlich bin ich nach der Verletzung sogar etwas zu schnell zurückgekommen. Das hat mich möglicherweise ein paar Jahre gekostet."

In diesen Jahren wurde der Verteidiger mehrere Male von Everton an andere Klubs ausgeliehen. Erst nachdem er 2014, also vier Jahre nach dem Unfall im Trainingslager, sein Debüt in der irischen Nationalmannschaft gefeiert hatte, nahm seine Karriere wieder Fahrt auf. Mit seinen soliden Leistungen für die Blackburn Rovers in der zweiten englischen Liga und einem geradezu sensationellen Auftritt gegen Italien bei der UEFA EURO 2016 verdiente sich Duffy den Wechsel zu seinem jetzigen Klub Brighton and Hove Albion, mit dem er in der vergangenen Saison den Aufstieg in die englische Premier League schaffte.

Die Wochen in Frankreich waren für Duffy ein absoluter Höhepunkt seiner Karriere.

"Das war wirklich verrückt", lacht Duffy. "Ich hatte gar nicht erwartet, mitzufahren, weil ich in der Qualifikation nicht gespielt hatte. Das Spiel gegen Italien war das wichtigste Spiel meiner Karriere. Das Ganze war einfach eine absolut unwirkliche Erfahrung."

Gegen die Azzurri zeigte Duffy eine Abwehrleistung, die selbst die früheren Catenaccio-Experten rundum beeindruckte. Nach dem 1:0-Sieg gelang den Iren der Sprung in die K.o.-Runden.

"Man denkt vor und während eines solchen Spiels nicht allzu viel nach", so Duffy. "Man versucht einfach, Fehler zu vermeiden und die einfachen Dinge richtig zu machen. Ich habe erst eine Stunde vor dem Anpfiff erfahren, dass ich spielen würde. Letztlich war es ein großartiger Abend für unser Land."

Die ungewöhnliche Vorgehensweise von Martin O’Neill – den Duffy für einen "Top-Trainer" hält – den Spieler erst so kurz vor der Partie zu informieren, erwies sich an diesem Abend als goldrichtig. Nun hoffen Duffy und seine Teamkameraden auf weitere unvergessliche Fussballabende im kommenden Jahr bei der FIFA Fussball-WM™ in Russland

"In der Qualifikation für Russland hatten wir Höhen und Tiefen", so Duffy. "Es ist eine schwere Gruppe mit einigen kniffligen Spielen. Ich denke, in dieser Gruppe kann jeder jeden schlagen. Dass wir noch nicht verloren haben, ist ein gutes Zeichen. Jetzt stehen einige wichtige Spiele auf dem Programm, die wohl über den Ausgang der Gruppe entscheiden werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen können." Wenn wir uns für die WM qualifizieren, wäre das der größte Erfolg meiner Karriere."

Die bisherigen Ergebnisse der Republik Irland auf dem Weg nach Russland Serbien – Republik Irland 2:2 Republik Irland – Georgien 1:0 Moldau – Republik Irland 1:3** Österreich – Republik Irland 0:1 Republik Irland – Wales 0:0 Republik Irland **– Österreich 1:1

Derzeit belegen die Iren in der Gruppe D hinter Serbien aufgrund der Tordifferenz den zweiten Platz. Mit dem Heimspiel gegen Serbien (in Dublin) und der Auswärtspartie gegen den derzeitigen Tabellendritten Wales (in Cardiff) stehen nun zwei enorm wichtige Partien an. Die Republik Irland war seit der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Korea/Japan 2002™ nicht mehr bei einer WM-Endrunde vertreten.

"Damals ging ich noch zur Schule!", so Duffy mit einem Lächeln. "Ich erinnere mich noch genau an das Tor von Robbie gegen Deutschland und ich weiß noch, wie die ganze Stadt gejubelt hat. Das erste Spiel gegen Kamerun habe ich im Haus meines Cousins gesehen, früh am Morgen. Alle wünschen sich, dass Irland es zur WM schafft, wegen der Fans. Wir haben gute Chancen, es nach Russland zu schaffen. Es liegt in unserer Hand."

Seit dem schicksalsträchtigen Tag im Jahr 2010 hat der Verteidiger sein Leben und seine Karriere fest in die eigenen Hände genommen. Das kommende Jahr, in dem er mit Brighton in der englischen Premier League spielt und möglicherweise nach Russland fährt, ist der wohlverdiente Lohn für Duffy, der es von ganz unten wieder zurück geschafft hat.