Montag 12 Juni 2017, 08:55

Die Tragödie von Doha

  • IRQ vs. JPN am 28. Oktober 1993

  • Japan stand kurz vor seiner ersten WM-Teilnahme

  • Der Schock folgte gegen den Irak

Die "Schmach von Doha" am 28. Oktober 1993 dürfte bei vielen japanischen Fussballfans noch in leidvoller Erinnerung sein. Damals mussten die Blue Samurai in der Nachspielzeit den Ausgleichstreffer hinnehmen und damit ihre Hoffnungen auf die erste Teilnahme an der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ begraben.

An ihrer Stelle durften nun Saudiarabien und Erzrivale Korea Republik zur WM 1994 in die USA fahren.

FIFA.com nimmt dieses entscheidende Spiel, das als eines der dunkelsten Kapitel Eingang in die japanischen Fussballannalen fand, genauer unter die Lupe.

Das Geschehen

28. Oktober 1993, Al-Ahli-Stadion, Doha, Katar

Irak - Japan 2:2

Torschützen: Japan (Miura 5., Nakayama 69.), Irak (Radhi 55., Salman 90.+1)

Japan: Matsunaga, Horiike, Ihara, Hashiratani, Katsuya, Moriyasu, Ramos, Yoshida, Hasegawa (Fukuda 59.), Nakayama (Takeda 81.), Miura

Irak: Saad, S. Hussein, S. Radhi, Hassan, Abdul, Hamed (Hanoon 71.), Jassim (Salman 45.), Minshed, L. Hussein, Kadhim, A. Radhi.

Die Kulisse

Vor dem letzten Spieltag in der letzten, sechs Mannschaften umfassenden Qualifikationsrunde lagen die Japaner in der Tabelle zwar knapp vorn, doch auch weitere vier Mannschaften konnten sich noch Hoffnungen auf eine Qualifikation für die WM 1994 machen. Japan, das sich noch nie zuvor für eine WM-Endrunde qualifizieren konnte, war der Qualifikation so nahe wie noch nie, musste aber noch gegen die Iraker antreten, die bei der Endrunde 1986 in Mexiko mit dabei gewesen waren. Die Japaner wussten, dass ihnen - bei entsprechenden Ergebnissen in den anderen Partien - ein Unentschieden bereits für die Qualifikation reichen könnte. Irak konnte sich ebenfalls noch Hoffnungen machen, benötigte jedoch einen Sieg und musste zudem auf die Ergebnisse der anderen Spiele hoffen.

Die Handlung

Stürmer Kazuyoshi Miura bescherte den Japanern einen Auftakt nach Maß: Bereits nach fünf Minuten brachte er den Ball per Kopf im Tor unter, nachdem ein wuchtiger Schuss des Mittelfeldspielers Kenta Hasegawa von der Querlatte zurückgeprallt war. Die Mannschaft von Hans Ooft kontrollierte das Spiel mit ihrem kompakten Mittelfeld und hatte in der ersten Halbzeit keine Mühe.

In der zweiten Halbzeit wirkten die Iraker wie ausgewechselt, und als die drückende Hitze der katarischen Hauptstadt begann, bei den Japanern Tribut zu fordern, gelang Ahmed Radhi nur zehn Minuten nach Wiederbeginn mit einem sehenswerten Alleingang der Ausgleich. 14 Minuten später brachte Masashi Nakayama die Ostasiaten wieder auf Qualifikationskurs, als er die irakische Abseitsfalle überlistete und ein Zuspiel des Mittelfeldregisseurs Ruy Ramos eiskalt zur erneuten Führung der Japaner verwertete.

In weiterer Folge drückten die Iraker auf den Ausgleich und wurden in der Nachspielzeit für ihr Engagement belohnt: Ala Kadhim zirkelte eine Flanke in den japanischen Strafraum, wo Jaffar Salman bereitstand und mit seinem Kopfballtreffer sämtliche WM-Hoffnungen der Japaner in letzter Sekunde zunichte machte. Die entsetzten japanischen Spieler sanken zu Boden und ergaben sich in ihr Schicksal, denn unmittelbar nach dem Wiederanstoß ertönte auch schon der Schlusspfiff. Durch die knappe 3:4-Niederlage von Saudiarabien gegen Iran und den 3:0-Sieg von Korea Republik über Korea DVR fielen die Japaner aufgrund der schlechteren Tordifferenz auf den dritten Platz zurück und verpassten somit die Qualifikation für die Endrunde.

Mit diesem Ergebnis wies Irak nur zwei Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter auf, war jedoch aufgrund der Ergebnisse der beiden anderen Partien ebenfalls ausgeschieden. Obwohl sich die Iraker auch in den darauf folgenden Jahren nicht mehr für eine WM-Endrunde qualifizieren konnten, gelang ihnen mit dem Triumph beim AFC Asien-Pokal 2007 zumindest auf kontinentaler Ebene ein Achtungserfolg, der ihnen immerhin die Teilnahme am FIFA Konföderationen-Pokal Südafrika 2009 ermöglicht.

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Der Star

Miuras beeindruckende Dribblings sowie sein Torinstinkt - er erzielte unter anderem den Siegtreffer beim 1:0-Erfolg über Korea Republik drei Tage zuvor - waren die mächtigsten Waffen der Gäste. King Kazu, wie er genannt wird, traf im Oktober 1993 in drei aufeinander folgenden Spielen der letzten Qualifikationsrunde für die WM 1994 in den USA, was am Ende jedoch nicht reichte, um die Japaner zur Endrunde zu schießen.

Die Reaktionen

"Ich kann mich an nichts mehr erinnern, nicht an die Ereignisse in der Umkleidekabine, nicht an die Interviews nach dem Spiel und auch nicht an die Busfahrt zurück zum Hotel. Ich hatte mich voll und ganz der WM verschrieben. Wir hatten so viele Trainingslager absolviert, dass ich mehr Zeit mit meinen Mannschaftskameraden als mit meiner Familie verbrachte. Ich konnte den WM-Pokal schon ganz nahe vor mir sehen, doch als ich danach greifen wollte, löste er sich in Luft auf." Hajime Moriyasu (Mittelfeldspieler, Japan)

"Es war ein großartiges Spiel zwischen zwei Mannschaften, die unbedingt gewinnen mussten. Doch obwohl wir nicht gewonnen haben, war dies eines der besten Spiele meiner Karriere. Die Iraker spielten hart, aber fair - und vor allem mit Stolz. An diesem Abend traf ich noch ein paar irakische Spieler im Hotel. Ich kann mich noch daran erinnern, dass sie die japanische Mannschaft lobten. Ich bedankte mich und attestierte ihnen, ebenfalls eine fantastische Mannschaft zu sein." Ruy Ramos (Mittelfeldspieler, Japan)

Was danach geschah

Japan konnte den Fluch von Doha besiegen und sich für die nächste WM 1998 in Frankreich qualifizieren. Im Jahr 1997 hatte Takeshi Okada den bisherigen Trainer Shu Kamo nach einer Reihe enttäuschender Ergebnisse in den ersten Qualifikationsrunden abgelöst. Die Verpflichtung Okadas sollte die Mannschaft in weiterer Folge zum Positiven verändern: Mit einem 3:2-Erfolg im Playoff gegen Iran qualifizierte sich Japan schließlich erstmals für eine FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™.