Sonntag 08 Juli 2018, 17:27

Chadlis Weg von der Hölle ins Paradies

  • ​Nacer Chadli nach verkorkster Saison im Freudentaumel

  • Auftritt als Einwechselspieler gegen Japan beschert ihm Platz in Stammelf

  • Chadli will mit Belgien auch gegen Frankreich erfolgreich sein

Von Simon Massart, Teamreporter Belgien


Wenn er an die Monate im Vorfeld dieser FIFA WM zurückdenkt, überkommt Nacer Chadli noch immer ein bedrückendes Gefühl. Denn vor einem halben Jahr dachte er noch, auf ihm laste ein Fluch. "Jedes Mal, wenn ich eine Verletzung gerade überstanden hatte, fing ich mir schon die nächste ein. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, warum mein Körper der Belastung nicht mehr standhielt. Das ging so weit, dass ich mich schon in mein Schicksal fügen wollte", so Chadli im Gespräch mit FIFA.com. Doch dann zeichnete sich endlich die Wende ab. Mit seiner Einwechslung am 6. Juli gegen Japan und einer herausragenden Leistung in dieser Partie kam dann seine erste Sternstunde.

Nachdem seine Mannschaft im Achtelfinale gegen die Asiaten bereits mit 0:2 in Rückstand geraten war, gelang es ihr noch, das Spiel zu drehen. Es war die bislang furioseste Aufholjagd der Belgier bei einer FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™. Dass es dazu kam, war zu einem großen Teil Chadlis Verdienst, der nach seiner Einwechslung sofort für eine deutliche Belebung im Spiel sorgte und sein Team schließlich mit seinem Siegtreffer ins Viertelfinale gegen Brasilien schoss. Vier Tage später stand der Abwehrspieler, der im Spielsystem von Trainer Roberto Martinez auch mit Offensivaufgaben betraut ist, gegen die Brasilianer erstmals wieder in einer Startelf. Seinen bis dahin letzten Einsatz in der Anfangsformation hatte er im Oktober 2017 bei West Bromwich Albion absolviert. Mit dem Eckstoß, der zum Führungstor der Belgier führte, konnte er das in ihn gesetzte Vertrauen erneut rechtfertigen.

Bei der Bekanntgabe des erweiterten WM-Kaders von Nationaltrainer Roberto Martinez zeigten sich nicht wenige von Chadlis Nominierung überrascht, in erster Linie er selbst. "Tatsächlich kam ich mir vor wie in einem endlos langen Tunnel. Eine Berufung schien mir in weiter Ferne. Wenn mir jemand vorausgesagt hätte, was ich derzeit hier erlebe, hätte ich ihm nicht geglaubt", freut sich Chadli, der gegen Frankreich auf dem rechten Flügel für den gesperrten Thomas Meunier spielen dürfte, nachdem er gegen Brasilien auf der linken Seite eingesetzt worden war.

Belgien mit taktischem Vorteil?

Nachdem sie gegen Brasilien das Spiel ihres Lebens gemacht haben, schicken sich die Belgier nun an, gegen Frankreich erneut zuzuschlagen. Sie sind überzeugt davon, es dieses Mal bis ins Finale am 15. Juli schaffen zu können. "Da wir die Brasilianer geschlagen haben, brauchen wir vor niemandem Angst haben, auch wenn Frankreich eine sehr komplette Mannschaft hat", so Chadli. "Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, nur einen ihrer wichtigsten Spieler zu neutralisieren. Denn davon haben die Franzosen eine ganze Menge – genau wie wir."

Wir Belgier haben durchaus einige Ähnlichkeiten mit unseren französischen Nachbarn, beispielsweise mentale Stärke und die Fähigkeit, nach der Balleroberung schnell auf Offensive umzuschalten. Auch die Verbindung zwischen individueller Klasse und taktischer Disziplin ist ähnlich. "Die Zuschauer werden ein äußerst unterhaltsames Spiel zu sehen bekommen", so die Ansage Chadlis, der damit die Hoffnung verbindet, dass Belgien gegen das Team aus dem Nachbarland am Ende die Nase vorn haben wird. "Wir Spieler sind alle der Meinung, dass unser Trainer einen taktischen Schachzug aus dem Ärmel zaubern kann. Außerdem denke ich, dass unser Siegeshunger größer ist als der der Franzosen."