Montag 09 Juli 2018, 08:42

Vier Halbfinalisten – Vier Schlüsselattribute 

  • Teamreporter umreißen die größten Stärken ihrer Mannschaften

  • Französische Vielseitigkeit gegen neuen belgischen Teamgeist

  • Englische Vielfalt gegen starkes kroatisches Mittelfeld

Das Halbfinale ist komplett, und zwei spannende, rein europäische Duelle warten auf uns. Doch obwohl alle Teams in der Runde der letzten Vier der WM 2018 aus Europa stammen, sind sie sich keineswegs ähnlich.

Frankreich, Belgien, England und Kroatien verfügen über ganz unterschiedliche Eigenschaften, die kaum jemand besser bewerten kann als die Teamreporter, die diese Mannschaften auf Schritt und Tritt begleitet haben. Nachfolgend finden Sie den Expertenblick auf die größten Stärken der Halbfinalisten.

Von Adrien Gingold, Teamreporter Frankreich


Frankreich: Vielseitigkeit

Vor gar nicht allzu langer Zeit war Didier Deschamps noch für diesen Aspekt der französischen Mannschaft kritisiert worden. Einige Journalisten warfen ihm nämlich vor, Les Bleus hätten tausend Gesichter und keine wirkliche Identität. Jetzt ist diese Vielseitigkeit zu einer unverzichtbaren Eigenschaft geworden. Während die Franzosen in den Gruppenspielen vor allem funktionell waren, lieferten sie gegen Argentinien eine spektakuläre Partie ab und überzeugten gegen Uruguay mit einer undurchlässigen Abwehr und Effizienz vor dem gegnerischen Tor. Drei unterschiedliche französische Mannschaften? Nein, dieselbe, allerdings mit unterschiedlicher Taktik.

Frankreich kann seine Spielweise hervorragend an die Gegner anpassen, und das ist eine seltene und sehr wertvolle Fähigkeit. Sie können in einem Spiel mit einem 4-3-3-System antreten und im nächsten mit einem 4-2-3-1. Deschamps kann je nach Bedarf den groß gewachsenen Olivier Giroud oder den wieselflinken Kylian Mbappé einsetzen, um die gegnerische Abwehr aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wie wir im Laufe dieser WM gesehen haben, gibt es keine schwachen Mannschaften mehr, und selbst Fussballriesen wie Deutschland und Spanien hatten Probleme, ihr Spiel durchzubringen. Ballbesitz ist kein Siegesgarant, und Erfahrung garantiert noch lange keinen Erfolg. Optionen sind Gold wert.

Von Simon Massart, Teamreporter Belgien


Belgien: Teamgeist

Die Belgier hatten auf dem Papier einen der stärksten Kader, doch den größten Erfolg konnten sie in Russland dank ihres starken Kollektivs verbuchen.

Dies ist möglichweise der wichtigste Aktivposten des Teams, vor allem, weil es daran in der Vergangenheit oft mangelte. Darüber hinaus war diese belgische Mannschaft zuvor nicht gerade für ihre Widerstandsfähigkeit bekannt, die gegen Japan und Brasilien mehr als beeindruckend war. Die Starspieler, einschließlich des magischen Trios Eden Hazard, Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku, sind immer wieder in die Bresche gesprungen, wenn es erforderlich war. Beachtlich ist auch, dass die "Roten Teufel" in Russland bislang neun unterschiedliche Torschützen hatten. Jeder leistet seinen Beitrag.

Darüber hinaus scheint Roberto Martinez genau der richtige Mann zur richtigen Zeit zu sein, denn es ist ihm gelungen, das Beste aus einer Ansammlung von Stars herauszuholen und sie zu einem großen Ganzen zusammenzuschweißen. In diesem belgischen Aufgebot sind alle einsatzbereit und scheuen sich nicht, auf dem Platz Opfer zu bringen oder ihren Status als Reservisten zu akzeptieren und ihre Teamkameraden zu unterstützen.

Von Laure James, Teamreporterin England


England: Vielfalt

Es wird immer schwieriger, eine einzige Stärke auszumachen, die England definiert. Das Team von Gareth Southgate findet nämlich immer wieder neue Wege, Spiele für sich zu entscheiden. Wir gewöhnen uns alle langsam daran, dass dieses junge Team sich stetig verbessert und Eigenschaften wie Selbstvertrauen, ein modernes System und Zusammenhalt zu seinem Vorteil nutzt. Die "Three Lions" sind auf jede Spielsituation und jeden Gegner vorbereitet, und ihre Spielanlage ist ungeheuer effektiv.

England hat hier in Russland zum ersten Mal bei einer WM ein Elfmeterschießen gewonnen, und wir haben noch nicht einmal begonnen, die Stars im Team zu analysieren – von Torhüter Jordan Pickford, der bereits wahre Heldentaten vollbracht hat, bis hin zum Erfolgsgaranten und Führenden der Torjägerliste des Turniers Harry Kane. Beide sind gerade einmal 24 Jahre alt.

Dies könnte die vollkommenste englische Mannschaft seit 1990 sein, als die "Three Lions" zum letzten Mal ins Halbfinale des Turniers einzogen. Mit seiner modernen, geduldigen und organisierten Herangehensweise entspricht das Team jedoch nicht dem Muster früherer englischer Nationalmannschaften. Dieses englische Team will seine eigene Erfolgsgeschichte schreiben.

Von Vjekoslav Paun, Teamreporter Kroatien


Kroatien: Mittelfeldtalent

Kroatien ist in der wohl schwersten Gruppe der WM 2018 in Russland relativ problemlos weitergekommen und hat in den K.-o.-Runden zwei Härtetests bestanden. Damit zählen die Kroaten zu den herausragenden Teams des Turniers. Der größte Aktivposten der Auswahl von Zlatko Dalić ist zweifellos das Mittelfeld, das zu den besten bei dieser WM zählt. Die Spieler in diesem Bereich machen fast immer einen gelassenen, organisierten und unerschütterlichen Eindruck.

Luka Modrić und Ivan Rakitić sind die Dreh- und Angelpunkte dieser kroatischen Mannschaft. Es kommt nicht häufig vor, dass Spieler von Real Madrid und dem FC Barcelona so perfekt harmonieren wie Rakitić und Modrić in der Schaltzentrale der "Vatreni". Vor diesem Duo muss sich jeder Gegner in Acht nehmen. Allerdings stehen die beiden keinesfalls allein da. Marcelo Brozović (Inter Mailand), Mateo Kovačić (Real Madrid) und Milan Badelj (AC Florenz) komplettieren diese grandiose Generation kroatischer Mittelfeldspieler.