Montag 15 April 2019, 12:01

Utsugi: "Es hat sich sehr viel verändert"

  • Rumi Utsugi gehört zu den erfahrensten Spielerinnen Japans

  • Sie wurde 2011 mit Japan Weltmeisterin

  • Die defensive Mittelfeldspielerin sprach exklusiv mit FIFA.com

Japan fährt voraussichtlich mit einem auffallend jungen Kader zur FIFA Frauen-WM 2019 nach Frankreich. Die Erfolge bei jüngeren Auflagen der Frauen-Weltmeisterschaften in den Altersklassen U-17 und U-20 zeigen deutlich, dass in Japan zahlreiche überaus talentierte Spielerinnen nachrücken, die nun ihre Chance auf der größten Bühne der Welt nutzen wollen.

Jugendliche Begeisterung ist zwar eine wichtige Qualität für ein Team, doch bei großen internationalen Turnieren benötigt man als Ausgleich auch Akteure, die bereits entsprechende Erfahrungen gesammelt haben.

Hier kommt Rumi Utsugi ins Spiel. Die 30-jährige defensive Mittelfeldspielerin war bereits bei drei WM-Endrunden dabei und dient allen jungen Spielerinnen im Kader von Trainerin Asako Takakura als Motivation und lebender Beweis dafür, dass das Unmögliche möglich werden kann, dass auch sie Weltmeisterinnen werden können, denn Utsugi hat dies bereits geschafft.

Sie stand an jenem unvergesslichen Abend des 17. Juli 2011 in Frankfurt auf dem Podium, als Homare Sawa den Pokal der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ in den Himmel stemmte, nachdem sich Japan im Finale mit 3:1 im Elfmeterschießen gegen die USA durchgesetzt hatte und als erstes asiatisches Land die WM gewann. Dieser Triumph war für das ganze Land enorm wichtig, das nur wenige Monate zuvor von einem schweren Erdbeben mit einer anschließenden Tsunami-Katastrophe heimgesucht worden war. Und auch für die Zukunft des Frauenfussballs in Japan war der Titelgewinn 2011 überaus wichtig.

Im Kader von 2011 war Utsugi nur eine Randfigur. Vier Jahre später in Kanada hingegen stand sie – wie schon 2007 in der VR China – wieder in der Stammformation und stieß mit dem Team erneut bis ins Finale vor, das die Japanerinnen allerdings klar mit 2:5 gegen die USA verloren.

Utsugi bringt allerdings nicht nur viel wertvolle WM-Erfahrung ins Team ein, sondern sie kennt sich auch im Gastgeberland Frankreich bestens aus. Schließlich spielte sie sechs Jahre lang als erste japanische Spielerin in der französischen Frauenliga für Montpellier. Heute schnürt sie die Stiefel für Seattle Reign in der National Women's Soccer League (NWSL) in den USA, wo sie mit und gegen zahlreiche Spielerinnen antritt, die auch in Frankreich dabei sein werden.

Dort trifft die Nadeshiko am 10. Juni im Parc des Princes in Paris in ihrem ersten Spiel auf Argentinien. FIFA.com traf sich mit Utsugi zu einem Gespräch über die aktuelle Situation und ihre Rolle im Team, acht Jahre nach jenem Abend in Frankfurt.

FIFA.com: Welchen Einfluss hatte der Gewinn der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ 2011 auf den Frauenfussball in Japan?

Rumi Utsugi: Vor 2011 spielten in Japan viel weniger Frauen Fussball. Doch seit unserem Titelgewinn 2011 gibt es viel mehr Spielerinnen, die eine Profikarriere anstreben oder einfach nur zum Spaß spielen. Ich freue mich sehr, dass die Frauenfussballfamilie in Japan seitdem so enorm gewachsen ist.

Worin unterscheidet sich das Team, das wir in Frankreich sehen werden, von dem das die WM 2011 gewonnen hat und 2015 Vizeweltmeister wurde? Wie würden Sie das heutige Team beschreiben?

Wir haben viel mehr junge Spielerinnen im Kader und auch eine andere Trainerin. Es hat sich also sehr viel verändert. Ich denke, bei den kommenden Turnieren wird eine unserer großen Stärken darin bestehen, dass wir alle eine ähnliche Perspektive teilen. Dabei zeichnen sich die Spielerinnen natürlich dennoch durch unterschiedliche individuelle Stärken aus. Das ist enorm interessant und motivierend. Ich persönlich habe jedenfalls das Gefühl, dass ich mich weiter steigern muss.

Wie beschreiben Sie die japanische Spielweise? Was wollen Sie als Team auf dem Feld umsetzen?

Bei der japanischen Spielweise stehen Organisation und intelligentes Stellungsspiel im Mittelpunkt. Wir werden versuchen, diese Stärken mit kreativen Ideen zu ergänzen, die vor allem von den jungen Spielerinnen eingebracht werden. Ich hoffe, dass wir all diese Stärken in unseren Spielen zur Entfaltung bringen können.

Worauf kommt es im Training an und wie viel harte Arbeit steckt hinter dieser Spielweise?

Die meisten Spielerinnen im Kader spielen in der japanischen Liga. Für sie ist es somit recht einfach, regelmäßig in Kontakt zu bleiben, auch wenn sie mit ihren Klubs trainieren. Damit haben die Spielerinnen ein gutes Verständnis der Spielweise des Nationalteams, auch wenn sie bei ihren jeweiligen Klubs sind. So ist beispielsweise ein zweistündiges Intensivtraining mit dem Nationalteam durchaus vorstellbar. Für diejenigen von uns, die im Ausland spielen, ist das Nationalteam hingegen etwas ziemlich Besonderes. Für uns ist das ein ganz anderes Umfeld als das, in dem wir sonst spielen. Außerdem spielt Japan einen ziemlich speziellen Stil. Daher ist es wichtig für uns, dass auch wir uns vorstellen können, wie wir agieren sollen, wenn wir für Japan spielen. Natürlich ist es wichtig, körperlich in guter Form zu sein. Ich lege aber zudem auch großen Wert darauf, mental bereit zu sein und mich auf einen klaren Kopf zu konzentrieren.

Sehen Sie sich selbst als Führungsfigur im Team? Schließlich ist es ein sehr junges Team. Gefällt Ihnen diese Rolle?

Ich persönlich finde, dass es als Profifussballerin nur wenige Gelegenheiten gibt, bei denen man eine Rolle tatsächlich 'genießen' kann. Aber natürlich versuche ich, das Beste aus den Momenten zu machen, wenn wir vor großen Herausforderungen und schweren Aufgaben stehen. Und als erfahrene Spielerin empfinde ich den Druck stärker und nehme auch meine Verantwortung mit zunehmendem Alter ernster.

Würden Sie lieber gewinnen, auch ohne als Team so wie gewünscht zu spielen, oder verlieren und dabei sagen können, dass Sie taktisch und technisch Ihre beste Leistung gezeigt haben?

Das ist eine schwierige Frage, denn diese Optionen sind exakt entgegengesetzt. Wenn man für das Nationalteam spielt, vertritt man sein Land. Da sind die Ergebnisse natürlich immer besonders wichtig. Auf internationalem Niveau braucht man Spielerinnen, die beides miteinander verbinden können. Sie müssen beim Spiel ihren eigenen Stil entfalten und gleichzeitig gute Resultate holen. Andernfalls gehört man nicht in den Kader. Ich bin überzeugt, dass die Spielerinnen, die hier dabei sind und Japan repräsentieren, alle sagen können: 'Ich tue beides mit 100 Prozent meines Könnens.' Ich bin stolz darauf, dass ich vielseitig genug bin und mit meiner Spielintelligenz und meiner Physis beiden Anforderungen gerecht werden kann.