Dienstag 14 April 2015, 22:50

Sasaki: "Ich habe eine bessere Mannschaft als 2011"

Der japanische Trainer Norio Sasaki machte sich 2011 weltweit einen Namen, als er die Nadeshiko bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ überraschend zum Titelgewinn führte. Mit taktischer Finesse und einer ausgefeilten Technik setzten sich die Japanerinnen ihrer bis dato eher bescheidenen Bilanz zum Trotz in der K.o.-Runde gegen die Fussball-Schwergewichte Deutschland, Schweden und USA durch und feierten einen bahnbrechenden Erfolg. Sasaki wurde im selben Jahr zum FIFA Frauenfussball-Trainer des Jahres gewählt und Japan holte später bei den Olympischen Spielen 2012 in London die Silbermedaille und sicherte sich zum ersten Mal den Titel bei der Asienmeisterschaft.

Angesichts dieses neuen Status zählt Japan im Vorfeld der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015™ zur absoluten Elite. FIFA.com sprach mit Sasaki über seine Trainingsmethoden, kulturelle Aspekte, die zum Erfolg beigetragen haben, sowie über seine Erwartungen für Kanada 2015.

FIFA.com: Herr Sasaki, Sie gelten im Weltfussball gemeinhin als zurückhaltender, disziplinierter und analytischer Trainer. Wie würden Sie sich selbst charakterisieren – als Trainer und als Mensch? Norio Sasaki: Na ja, ich bin ein ziemlich ehrlicher, einfacher Mensch. Ich bin nicht auffällig und nicht besonders charismatisch. Ich bin ein Trainer, der für die Spielerinnen wie ein Vater ist.

Gibt es Situationen im Fussball, in denen Sie emotional oder impulsiv werden? Vielleicht in der Kabine? Während des Trainings kann ich manchmal sehr streng sein. Aber am Spieltag in der Kabine rege ich mich nicht besonders auf, weil wir uns im Vorfeld ausgiebig auf das Spiel vorbereitet haben. Ich verlasse mich auf meine Spielerinnen, die 70 Prozent der Ereignisse auf dem Platz steuern, während ich nur die restlichen 30 Prozent übernehmen kann, indem ich Ratschläge und Anweisungen gebe. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine sorgfältige Vorbereitung vor dem Spiel alles ist, was ich tun kann. In der Coaching-Zone gestikuliere ich vielleicht manchmal, um deutlich zu machen, dass wir bereit sind zu kämpfen. Das ist nur ein Auftritt, um zu zeigen, dass mein Team und ich den Kampf annehmen, und vielleicht um etwas Druck auf den Schiedsrichter auszuüben.

Die Nadeshiko sind amtierende Weltmeisterinnen und haben 2012 bei den Olympischen Spielen in London die Silbermedaille gewonnen. Dennoch konnte Japan erst letztes Jahr zum ersten Mal die Asienmeisterschaft gewinnen. Können Sie uns sagen, was es für das Team und für den japanischen Frauenfussball bedeutet, endlich Kontinentalmeister geworden zu sein? Wir hatten nie zuvor gezeigt, dass Japan das beste Team Asiens ist. Wir hatten zwar bereits im Finale dieses internationalen Turniers gestanden, allerdings schien uns immer das gewisse Etwas zu fehlen, das zum Sieg erforderlich war. Jetzt haben wir deutlich gemacht, dass Japan die beste Mannschaft des asiatischen Fussballs sein kann und unseren Status damit bedeutend verbessert. Daraus schöpfen wir viel Selbstvertrauen. In den kommenden Jahren möchten wir in Asien und auf globaler Ebene weiterhin Fortschritte machen. Dieser Sieg zwar zweifellos ein Wendepunkt in diesem Prozess.

Was würden Sie sagen: Bringt der Posten des japanischen Cheftrainers mehr Druck oder mehr Freude mit sich? Diese Position ist mit ziemlich viel Druck verbunden, aber ich genieße es wirklich, Trainer dieser Mannschaft zu sein. Es begeistert mich. Ich freue mich auch darauf zu sehen, wie sich die Spielerinnen entwickeln und welche Leistung sie beim bevorstehenden Turnier bringen werden. Was die Ergebnisse angeht, so streben wir bei der WM die Titelverteidigung an. Es erfüllt mich mit enormer Begeisterung, wenn ich daran denke, was dieses Team bei der Weltmeisterschaft erreichen kann.

Welche Unterschiede gibt es zwischen dem Team, das Sie 2011 in Deutschland hatten, und dem Team, das die WM 2015 in Kanada bestreiten wird? Die Spieler haben bei der WM 2011 und den Olympischen Spielen 2012 in London hervorragende Erfahrungen gesammelt und ich glaube, dass sie sich auf individueller Ebene in den letzten vier Jahren wirklich entwickelt haben. Ich glaube, ich habe jetzt eine bessere Mannschaft als 2011. Fest steht allerdings, dass viele andere Nationalmannschaften ihr spielerisches Niveau ebenfalls verbessern konnten. Meiner Meinung nach entwickelt sich die Nadeshiko noch weiter und ich freue mich darauf zu sehen, wie wir uns gegen diese anderen Mannschaften schlagen werden. 2011 wollten wir die Weltmeisterschaft gewinnen. Seit wir damals triumphiert haben, sieht uns allerdings ganz Japan zu, und dieses Mal werden Erwartungen an uns gestellt. Es herrscht das Gefühl vor, dass wir gewinnen sollten. Angesichts dieser Zusatzmotivation bietet dieses Turnier für das Team eine große Chance, sich auf höchstem Niveau weiter zu verbessern.

Wer wird Ihre nächste Homare Sawa? Nun ja, sie spielt noch immer Fussball und arbeitet hart. Meiner Ansicht nach gibt es mehrere Spielerinnen, die die neue Sawa werden und sich zu Spielerinnen entwickeln könnten, die in den entscheidenden Augenblicken einer Partie Verantwortung übernehmen.

Welche Länder sind Japans Rivalen im Kampf um den Titel? Es gibt viele Länder, die beim Turnier unsere Rivalen sein werden. Wir haben eine gute Chance, den Titel zu verteidigen, wobei das Ganze von unserer Vorbereitung in den Monaten vor Turnierbeginn abhängt. Wenn es mir gelingt, ein klares Bild von dem zu vermitteln, was wir zu tun haben, halte ich es für möglich, den Titel zu verteidigen.

Sie wurden 2012 zum Frauenfussball-Trainer des Jahres gewählt. Was bedeutet eine solche Auszeichnung für einen Trainer? Ist sie eine Motivation für die Zukunft? Ja, so etwas ist ungeheuer ermutigend und motiviert mich auch dazu, mich in Zukunft als Trainer noch mehr ins Zeug zu legen. Gleichzeitig stellt diese Auszeichnung aber nicht nur eine Anerkennung meiner eigenen Leistung dar. Sie ist aufgrund der Tatsache zustande gekommen, dass ich und die anderen Mitglieder des Trainerstabes die Spielerinnen beim Aufbau des Teams an erste Stelle gestellt haben. Ich glaube, diese Auszeichnung wird auch die anderen Mitglieder des Trainerstabes motivieren, nicht nur mich persönlich.

Einige Trainer sind der Auffassung, dass die Taktik an die verfügbaren Spielerinnen angepasst werden muss. Andere glauben, die Spielerinnen müssten sich an die Taktik und das System anpassen. Welche Meinung vertreten Sie? Es ist deutlich zu erkennen, dass japanische Spielerinnen in der Regel kleiner sind als Spielerinnen aus anderen Ländern. Diese körperlichen Attribute und die Fähigkeiten, über die japanische Spielerinnen verfügen, stehen bei unseren Überlegungen an erster Stelle. Die Taktik, die wir anwenden, und unsere Spielweise werden von diesen Elementen geprägt. Ich glaube, dies ist ganz besonders wichtig für den japanischen Fussball.

Sind Sie abergläubisch? Falls ja, gibt es Dinge, die Sie im Vorfeld der WM 2015 in Kanada tun werden und die Sie bereits im Vorfeld von Deutschland 2011 getan haben? Es gibt eine Sache, die ich tue. Für mich ist der Kawaguchi-See ein 'Power Spot' . Er bietet einen wundervollen Blick auf den Berg Fuji und ist ein sehr schöner See. Vor einem Turnier begebe ich mich gern dorthin und bete zu den Göttern des Fuji.