Mittwoch 12 Mai 2021, 13:09

Santos: "Meine Spielerinnen denken Tag und Nacht an Fussball"

  • Luxemburg wird erstmals an einer Qualifikation für die FIFA Frauen-WM teilnehmen

  • Seit 2020 trainiert Daniel Santos die Frauennationalmannschaft des Großherzogtums

  • "Wir können vielleicht den einen oder anderen Punkt klauen"

In Deutschland ist jedes siebte Mitglied im DFB weiblich. Damit sind 1,1 Millionen Frauen und Mädchen im Fussball aktiv. Eine Zahl, die Luxemburg nicht als Einwohner hat. Rund 626.000 Menschen leben in dem Großherzogtum, das an Belgien, Frankreich und Deutschland grenzt. Und während das DFB-Team bisher noch keine Ausgabe einer FIFA Frauen-Weltmeisterschaft verpasst hat, nimmt Luxemburg erstmals an einer Qualifikation für das globale Kräftemessen teil.

"Wir freuen uns sehr auf die Qualifikation", erzählt Daniel Santos, der das Team seit August 2020 als Trainer betreut, im Gespräch mit FIFA.com. "Wir haben im Verband und mit unserem Präsidenten lange darüber geredet, weil wir nicht genau wussten: Sollen wir? Sollen wir nicht? Wir wussten, dass wir zwei, drei große Nationen bekommen würden und eine Klatsche kassieren könnten oder werden. Das ist ebenso. Wir sind noch nicht soweit. Aber in zwei Jahren hätten wir dasselbe Problem. Wir stellen uns immer selbst in Frage, und irgendwann müssen wir ja mal anfangen."

Der Anfang für Luxemburg bedeutet Spiele gegen England, Österreich, Nordirland, Lettland und Nordmazedonien, das als einziges Team in dieser Gruppe eine schlechtere Platzierung in der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste der Frauen aufweist als Luxemburg. "Es ist eine sehr attraktive Gruppe", so Santos zufrieden. "Wir können vielleicht den einen oder anderen Punkt klauen. Für uns ist es wichtig, dass wir die ersten Erfahrungen sammeln. Unsere Mannschaft hat ein Durchschnittsalter von 21 Jahren. Das ist sehr jung und gut für die nächste Quali und die Zukunft. Es ist wichtig, dass wir jetzt anfangen, unsere Erfahrungen zu sammeln und zu lernen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir für die eine oder andere Überraschung sorgen können, auch wenn es nicht in Punkten, sondern im Spielerischen ist." Jung ist nicht nur das Durchschnittsalter seiner Spielerinnen. Die Frauennationalmannschaft selbst wurde erst 2003 gegründet und ist mit ihren 18 Jahren ebenfalls noch ein "junger Hüpfer".

Nun gilt es den Frauenfussball in Luxemburg stetig weiterzuentwickeln und eine gesunde Basis zu schaffen. Dies liegt auch in den Händen von Santos, der ebenfalls Leiter der zugehörigen Nachwuchsabteilung ist.

"Momentan wollen wir den Frauenfussball wirklich nach vorne und auch in die Schulen bringen. Wir wollen den ganz Kleinen zeigen, dass auch die Mädels Fussball spielen können, dürfen und sollen. Bei einer Sichtung in Luxemburg haben wir 70 Spielerinnen entdeckt. Diese kommen einmal die Woche zum Training. Die Besten gehen dann in die U-12 und so weiter", beschreibt er und weist gleichzeitig auf die noch vorhandenen Probleme hin. "Wir haben eine U-14, 15-, 16- und 17-Mannschaft zusammengestellt. Es fehlen aber noch viele U-Mannschaften. Wir haben nicht genug Spielerinnen für eine U-19. In einigen Jahrgängen fehlen einfach die Spielerinnen. Wir haben jetzt den ersten Schritt gemacht. Ich bin froh, dass wir im nächsten Jahr schon mehr U-Mannschaften haben werden, zum Beispiel eine U-12 und U-13."

Hinzu kommt, dass 48% der Bevölkerung, also fast die Hälfte, Ausländer sind. Derzeit werden rund 170 Nationalitäten im Land erfasst. "Diese Spielerinnen trainieren zwar mit uns, aber sie dürfen nicht mitspielen. Wir haben uns für die U-17-Qualifikation im September angemeldet. Wir haben sechs, sieben Spielerinnen, die mit uns trainieren aber keinen Luxemburger Pass haben", so Santos.

Dank der Bekanntgabe der Teilnahme an der WM-Qualifikation ist das Interesse am Team gewachsen. Um dieses noch weiter zu steigern, setzt der Verband auch auf die Sozialen Medien. So soll an September alle zehn Tage eine Spielerin auf Instagram, Facebook oder TikTok vorgestellt werden. "TikTok habe ich vorher nicht gekannt, jetzt kenne ich das auch", erzählt der sympathische Luxemburger laut lachend. "Dadurch wollen wir den jungen Mädchen zeigen, dass sie auch Fussball spielen können", und vielleicht irgendwann den Sprung in die A-Nationalmannschaft schaffen, die sich in den Augen von Santos durch ihre Leidenschaft für den Fussball auszeichnet.

"Wir haben eine Generation, die steht mit dem Fussball im Kopf auf und geht mit dem Fussball im Kopf ins Bett. Ich denke auch so. Am Anfang war ich ein wenig perplex und habe mir gedacht: Okay, ich schaue mir das mal an. Nach den ersten Trainingseinheiten und Gesprächen habe ich gemerkt, dass sie nur darauf gewartet haben, dass sie jemand an die Hand nimmt und sagt: Wir können trainieren gehen, wir können etwas machen. Wir haben mit der A-Mannschaft bei Minus 10 Grad trainiert. Es kann regnen oder was auch immer. Sie sind immer da", zeigt sich der 39-Jährige begeistert. "Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr hatten wir ein Länderspiel gegen die Färöer geplant. Dieses wurde wegen COVID annulliert. Wir hätten am Sonntag spielen müssen und ich habe gesagt: Okay, das Spiel ist abgesagt. Da haben die Spielerinnen gefragt: Trainer, können wir dann nicht einfach trainieren? Das gibt es bei den Männern nicht. Die sagen: Wir haben frei, das ist okay. Wenn die Spielerinnen trainieren wollen, sage ich nicht nein. Dann trainieren wir. Das ist der Unterschied, den ich gemerkt habe. Die Frauen wollen lernen und weiterkommen. Das motiviert mich und macht mir Freude ins Training zu gehen."

Wenn das nicht die besten Voraussetzungen sind!