Mittwoch 26 Juni 2019, 07:30

Künzer: "Der hohe Anspruch der deutschen Spielerinnen ist bewundernswert"

  • FIFA Legend Nia Künzer wohnte Deutschlands Erfolg gegen Nigeria bei

  • Die Schützin des WM-Siegtors 2003 lobt das Turnier in Frankreich

  • "Die deutsche Mannschaft muss sich nicht verstecken"

Von Steffen Potter, Teamreporter Deutschland

Nach dem Achtelfinal-Erfolg der DFB-Frauen gegen Nigeria (3:0) unterhielt sich FIFA.com mit Nia Künzer, der Schützing des Golden Goals, das Deutschland 2003 erstmals zum Sieger der FIFA Frauen-WM machte, über die Ausgabe 2019 in Frankreich sowie die Leistungen der DFB-Elf.

Wie nehmen Sie das Turnier bisher wahr? 2015 wurde ja aufgestockt [auf 24 Teams] und diese Entscheidung wurde bestätigt. Es mag ein, zwei Teams geben, die von der Qualität her noch nicht ganz mithalten können, aber es ist wichtig, dass all diese Mannschaften hier in der Vorrunde auch ihre Erfahrungen sammeln können.

Diese WM hat eine große Strahlkraft. Keine andere Frauen-Mannschaftssportart hat solch eine Plattform.

Wie empfinden Sie das sportliche Niveau? Es gibt immer mehr Topnationen, der Favoritenkreis wird immer größer, die Unterschiede immer kleiner.

Im Februar haben wir mit Pia Sundhage gesprochen, die meinte, dass das Verteidigen im Frauenfussball immer besser klappe und der nächste Schritt darin bestünde, bessere Offensivlösungen zu suchen… So sehe ich das auch. Flapsig würde ich sagen, verteidigen können alle. Es gelingt auch vielen Teams, die nicht zum Favoritenkreis zählen, sehr lange die Null zu halten und es den großen Nationen sehr schwer zu machen. Der nächste Schritt ist für diese Teams, etwas in der Offensive zu machen und für die Topnationen, Ideen zu entwickeln, wie man diese Defensive überwinden kann.

Das ist auch die Herausforderung, vor der die deutsche Mannschaft aktuell hier und da steht.

Es fällt auf, dass es schwer ist, den Favoritenkreis einzuengen... Jetzt wird es einfacher, je weniger Mannschaften übrig sind (lacht). Vor dem Turnier wurden Gastgeber Frankreich genannt, natürlich die USA, Geheimfavorit Spanien, Holland als Europameister, England, die Skandinavier… Es wird in einigen Spielen jetzt vor allem auf die Tagesform ankommen.

Wie ist der Eindruck, den die deutsche Mannschaft hinterlassen hat? Neun Punkte aus der Gruppenphase, der Einzug ins Viertelfinale – die Fakten sind einfach total positiv. Ich kann auch feststellen, dass eine Weiterentwicklung stattgefunden hat. Aber es sagen auch alle, dass man fussballerisch noch nicht so ganz zufrieden ist.

Die Frage ist aber auch, wie sehr es im K.-o.-System noch auf Schönheit ankommt. Ich finde es sehr bewundernswert, dass die Spielerinnen solch einen hohen Anspruch haben: Sie wollen nicht nur erfolgreich sein, sondern auch noch schön Fussball spielen. Kein Gegentor, das wirkt auch nach Außen.

Wo ist bei Deutschland Spielraum für Verbesserung? Sicherlich würde ich mich auch wünschen, dass mehr Tore aus dem Spiel heraus fallen. Es wäre schön, wenn der Plan der deutschen Mannschaft noch öfter aufgehen würde, da gibt es sicher noch Potenzial. Mal sehen, ob es im Viertelfinale wieder mehr Räume gibt und man es schaffen wird, diese zu nutzen.

Deutschland verlor ja Dzsenifer Marozsan, auf die das Spiel ja ausgerichtet war, und musste komplett umbauen… Mit so vielen WM-unerfahrenen Spielerinnen schaffen sie es sehr gut, die Verantwortung auf viele Schultern zu verteilen. Jede ist bereit, für die Andere zu laufen. Ganz viele Spielerinnen sind in der Lage, mehrere Positionen zu spielen, und das macht Martina [Voss-Tecklenburg] ja auch, was erst einmal etwas ungewöhnlich wirkt. Aber die Positionen sind immer besetzt, die Mannschaft spielt unheimlich diszipliniert. Vorher hat sich alles auf Dzsenifer Marozsan konzentriert, weil sie im Moment auch eine der besten Spielerinnen der Welt ist, jetzt schaffen sie es tatsächlich, das als Team aufzufangen.

Aber wo steht Deutschland im Vergleich zu den Anderen nun wirklich? Es fällt schwer, das einzuordnen. Ich weiß nicht, ob man das überhaupt muss. Es ist schwierig, vorherzusagen, wie es gegen einen anderen Gegner aussehen wird. Die USA und Frankreich machen sicher einen sehr guten Eindruck, aber ich traue der Mannschaft an einem guten Tag auch zu, mit einer stabilen Abwehrleistung da zu bestehen.

Gibt es Spielerinnen im DFB-Team, die Ihnen persönlich aufgefallen sind? Es gibt sehr viele, die mir großen Respekt einflößen. Es ist eine Mannschaft mit vielen Geschichten und tollen Typen. Das fängt mit Marina Hegering an, die ein sehr langes Tief hatte [die Verteidigerin fiel mit einer Fersenverletzung fast sechs Jahre lang aus] und hier mit einer relativen Coolness und Abgeklärtheit glänzt und Sara Doorsoun, die nervös ins Turnier gestartet ist, aber ein sehr ordentliches und zuverlässiges Turnier spielt. Dann gibt es die ganzen Jungen, Giulia Gwinn spielt ja fast immer durch, sie ist 19, spielt auf drei verschiedenen Positionen.

Sara Däbritz ist nach dem Ausfall von Dzsenifer Marozsan sehr spielbestimmend, Lenan Oberdorf ist 17, macht nebenher noch ein bisschen Schule und hat in ihrem Alter eine körperliche Präsenz und Ruhe am Ball. Bühl und Schüller haben keine große Turniererfahrung bei der A-Nationalmannschaft und treten hier total abgezockt und unaufgeregt auf. Svenja Huth macht ein Riesenlaufpensum und Kilometer um Kilometer, Alex Popp führt die Mannschaft und schießt jetzt auch noch wichtige Tore. Almuth Schult kennt glaube ich keinen Druck und ist der große Rückhalt dieser Mannschaft. Sie ist da, wenn sie gebraucht wird.

Tickets

Fans, die die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2019™ vor Ort in Frankreich erleben möchten, können für die verbleibenden Spiele die noch erhältlichen Tickets online unter de.fifa.com/tickets erwerben, ebenso wie bei den Ticket-Verkaufsstellen direkt an den Stadien.