Mittwoch 10 April 2019, 06:35

Hussein: "Mein Anspruch ist es, fehlerfrei zu sein"

  • Riem Hussein ist seit 2009 FIFA-Schiedsrichterin

  • Die Deutsche feiert bei der Frauen-WM in Frankreich ihr Debüt

  • "Als Schiedsrichterin musst du selbstkritisch und selbstbewusst sein"

Riem Hussein steigt gerade aus dem Flieger, als sie beim Einschalten ihres Handys ein mehrfaches Piepen vernimmt. Nachricht um Nachricht erscheint auf ihrem Bildschirm. Die Müdigkeit, die sie kurzzeitig nach dem Flug von der U17-Frauen-Weltmeisterschaft in Uruguay zurück nach Europa überfiel, ist verschwunden. Die deutsche Schiedsrichterin hat eine Vielzahl von Glückwunschbotschaften erhalten, denn es ist offiziell: Sie wird an der Frauen-WM 2019 in Frankreich teilnehmen.

"Ich habe mich super gefreut, mir gleichzeitig aber auch gesagt: Jetzt geht es erst richtig los. Jetzt musst du zeigen, dass du dort hingehörst", erzählt sie. Mit 38 Jahren wird Hussein in Frankreich ihr WM-Debüt feiern - ein Traum, dessen Erfüllung sie zunächst nicht für möglich gehalten hat.

Hussein wuchs in Bad Harzburg in Niedersachsen auf und entstammt einer palästinensischen Familie, die sich nicht sonderlich für Fussball begeisterte. Über einen Schulfreund landete sie dennoch im Fussballverein und zeigte im Sturm so viel Talent, dass sie es bis in die Zweite Bundesliga schaffte und nebenher aus purer Neugier den Schiedsrichterschein machte.

Sie pfiff sehr schnell in der 2. Bundesliga, ein Jahr später bereits in der 1. Bundesliga, und nur zwei Jahre danach, 2009, wird Hussein zur FIFA-Schiedsrichterin ernannt. Seit 2015 ist sie auch in der 3. Liga der Männer aktiv und damit nach Bibiana Steinhaus die zweite Deutsche, die sich im Profifussball etablierte.

Hussein: 5 Eigenschaften einer guten Schiedsrichterin

  • Fitness

  • Fussballverständnis – im Optimalfall war eine Schiedsrichterin selbst Fussballerin, weil sie dadurch intuitiv handelt

  • ausreichend selbstkritisch, aber auch selbstbewusst genug, um sich nicht jede Kritik zu Herzen zu nehmen

  • ein eigener Stil und Wiedererkennungswert

  • Kommunikationsfähigkeit

"Mich reizt als Schiedsrichterin, dass du nie weißt, was geschieht. Du hast zwar Automatismen, auf die du zurückgreifst, aber jedes Spiel ist anders. Du kannst dich gar nicht auf jede Eventualität vorbereiten, die passieren könnte."

Da war zum Beispiel die hohe Luftfeuchtigkeit bei ihrem erste FIFA-Endrundenturnier in Papua-Neuguinea. Oder die Höhe von Quito, als sie als Vierte Offizielle ein Play-off-Spiel in Ecuador leitete. "Ich war dort joggen und fühlte mich danach, als ob ich 50 Jahre gealtert wäre."

Aber auf Vergangenes zurückzuschauen oder sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, ist sowieso nicht Husseins Ding. "Ich bin ein Mensch, der im Moment lebt und einen starken Bezug zur Gegenwart hat." Im Augenblick richtet sich ihr Fokus daher auf die WM in Frankreich.

"Mein Anspruch ist es, fehlerfrei zu sein. Es gibt sicher Entscheidungen, die eine Mannschaft als ungerecht empfindet, aber umso wichtiger ist es, als Schiedsrichterin eine erkennbare Linie zu verfolgen."

Druck macht sich die Schiedsrichterin, die hauptberuflich zusammen mit ihren Geschwistern eine Apotheke in ihrem Heimatort betreibt, aber keinen. "Natürlich ist mir die Bedeutung meines Handelns bewusst, aber nervös bin ich nicht. Ich denke immer positiv und will zeigen, was ich kann. Und am Ende des Tages setze ich mich mit meiner Leistung selbstkritisch auseinander."

Riem Hussein wird in Frankreich also ruhig und ehrgeizig an ihre Aufgaben herangehen. Sie wird ihrer Routine vor den Spielen folgen, weil sie ihr Sicherheit gibt. Und dann hat sie nur ein Ziel: "Ich möchte nie wegen meiner Leistung von einem Turnier nach Hause geschickt werden." Stattdessen hätte sie nichts gegen weitere Glückwunschnachrichten auf ihrem Handy!

Referee Riem Hussein shows the yellow card

Riem Hussein über …

… Hobbies: „Ich interessiere mich für das Zeitgeschehen und lese viel. Ich will wissen, was in der Welt los ist. Und ich schaue sehr gerne Fussball und Sport im Allgemeinen. Im Winter ist Biathlon mein Favorit, im Sommer ist es die Leichtathletik.“

…Vorbilder: „Mich beeindrucken Menschen, die schwer krank oder verletzt waren und alles daransetzen zurückzukommen. Der Körper und die Gesundheit sind unser Kapital. Leistung ist daher das eine, was mir aber noch mehr imponiert als Ergebnisse ist die Persönlichkeit und der Charakter des Menschen.“

… ihren Stil auf dem Platz: „Ich bin nicht sonderlich autoritär, aber zielstrebig. Ich würde mich als feinfühlig bezeichnen und spreche sehr viel – so wie im Privaten auch!“