Samstag 11 Mai 2019, 10:40

Houghton: "Wir wollen noch einen weiteren Schritt machen"

  • Steph Houghton sprach exklusiv mit FIFA.com

  • Englands Spielführerin spricht über ihre Hoffnungen für Frankreich 2019

  • Hoffentlich schaffen wir den ganzen Weg

FIFA.com setzte sich zum Gespräch mit Steph Houghton zusammen, die dabei überaus ruhig und konzentriert wirkte. Diese Qualitäten zeigt sie auch auf dem Spielfeld als Spielführerin von Manchester City und des englischen Frauen-Nationalteams. Auch abseits des Spielfelds hat sich die geborene Führungspersönlichkeit, die bereits zahllose Titel gewonnen hat und England mehrfach in die Endphasen großer Turniere führte, den Respekt ihrer Teamkameradinnen im Club und im Nationalteam verdient.

Nun konzentriert sich Houghton voll und ganz auf die bevorstehende FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2019™, bei der England in der Gruppenphase auf den Erzrivalen Schottland, den Weltmeister von 2011 Japan und den Außenseiter Argentinien trifft. FIFA.com sprach mit der 31-Jährigen über ihre bisherigen WM-Erfahrungen, ihre Hoffnungen für das diesjährige Weltturnier und die gesteigerten Erwartungen an das Team von Trainer Phil Neville.

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Was sagen Sie zu der Auslosung und wo haben Sie sie gesehen? Ich habe die Auslosung im Fernsehen gesehen und gleichzeitig auf FaceTime mit meiner Kusine und ihrem Baby gesprochen. Sie wollen zum Turnier nach Frankreich kommen. Als wir wussten, wann und in welcher Gruppe wir spielen, haben sie mit der Planung angefangen um zu sehen, ob sie kommen können. Und dann kamen auch schon die ersten Textnachrichten…

Wir sind sicher, dass da einige von Ihren Teamkameradinnen bei Manchester City dabei waren! Im ersten Spiel gegen Schottland treffen Sie höchstwahrscheinlich auf Caroline Weir. Was können Sie über ihre Stärken sagen? 'Caz' hat 2018/19 ihre erste Saison für Man City gespielt und tolle Leistungen gezeigt. Sie bereichert unser Spiel um eine zusätzliche Dimension. Sie ist eine technisch sehr starke Spielerin und hat einen geradezu magischen linken Fuß. Natürlich kennen wir ihre Stärken aus dem täglichen Training mit Spielchen gegen sie sehr gut. Es geht jetzt darum, sie zu stoppen und zu verhindern, dass sie viele Chancen für Schottland vorbereitet. Sie kann fantastische Freistöße und Ecken schießen und ist außerdem immer für ein oder zwei Tore gut. Wir müssen sie unbedingt sehr genau im Auge behalten."

Wie weit wird England bei der WM 2019 in Frankreich kommen? Hoffentlich schaffen wir den ganzen Weg. Das ist natürlich das Ziel. Wir sind in den vergangenen Jahren bei mehreren Turnieren ziemlich weit gekommen. Wir haben bei der EURO zwei Mal das Halbfinale erreicht, und bei der WM 2015 in Kanada ebenfalls. Bei der WM haben wir am Ende die Bronzemedaille geholt. Jetzt wollen wir noch einen weiteren Schritt machen und ins Finale kommen.

Läuft die Vorbereitung für dieses Turnier anders als für Kanada 2015, was das Selbstbewusstsein im englischen Lager und das gesteigerte öffentliche und mediale Interesse angeht? Was das Interesse angeht auf jeden Fall. Natürlich wusste man auch 2015, dass wir bei einer WM dabei sind, darüber wurde durchaus gesprochen. Aber das Interesse war bei weitem nicht so groß. Aber nachdem wir 2015 die Bronzemedaille geholt haben, bei der UEFA EURO der Frauen ins Halbfinale gekommen sind und kürzlich den SheBelieves Cup gewonnen haben, sind in England die Erwartungen an das Team und unser Abschneiden bei großen Turnieren jetzt natürlich viel höher.

Wir müssen versuchen, positiv mit diesen Erwartungen und diesen Druck umzugehen. Wir haben uns eine großartige Ausgangsposition erarbeitet. Wir sind fit, wir sind spielfreudig, wir steigern uns unter dem neuen Trainer von Spiel zu Spiel und wir genießen tagtäglich die Herausforderung, möglicherweise wieder einen Weltmeistertitel nach England zu holen.

Es fällt Ihnen bestimmt schwer, aber können Sie das Gefühl beschreiben, als der Ball in der Nachspielzeit des Halbfinals 2015 gegen Japan die Torlinie überschritten hatte? Ich empfand einfach eine völlige Leere. Wir hatten so hart gearbeitet und endlich unser erstes WM-Halbfinale erreicht. Wir haben in diesem Spiel richtig gut gespielt. Es war möglicherweise unsere beste Leistung. Du denkst dir: 'Gut, ok, wenn wir es bis zum Schlusspfiff und in die Verlängerung schaffen, dann haben wir sie.' Als der Ball reinging, dachte ich nur: 'Oh nein!' Wir hatten keine Zeit mehr, irgendwie zu reagieren.

Das war wirklich keine schöne Erfahrung, ganz besonders für 'Bass' [Laura Bassett, der das Eigentor unterlief], die während des Turniers unglaublich gespielt hatte. Sie war eine der wichtigen Führungsfiguren. Aber wir siegen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam. Natürlich war das absolut niederschmetternd. Aber andererseits hat es uns für das Spiel um Platz drei ganz besonders motiviert. Das war genau die richtige Art, mit diesen Emotionen umzugehen. Wir haben sie als Ansporn genutzt und im Spiel um Platz drei die Bronzemedaille geholt und erstmals Deutschland geschlagen.

Das Eigentor war natürlich ein Alptraum. Aber es ist wie es ist und wir sind dadurch als Gruppe noch stärker geworden.

Houghton über Englands Konkurrenten beim #FIFAWWC

Schottland:

Wir hatten schon bei der EURO 2017 unser erstes Spiel gegen Schottland. Man denkt unweigerlich: 'Oh nein, nicht schon wieder!' Wir sind aufgeregt und begeistert. Das wird für beide Länder ein Riesenspiel – und es wird bestimmt auch ein gutes Spiel.

Japan:

Die Japanerinnen haben einige sehr erfahrene Spielerinnen in ihren Reihen. Einige spielen bei Lyon, allen voran [Saki] Kumagai, die schon seit Jahren dort Topleistungen zeigt und ihre wichtigste Spielerin ist.

USA:

Beim SheBelieves-Cup haben wir gegen die USA unentschieden gespielt und waren damit letztlich unzufrieden. Wir hatten genügend Chancen, das Spiel zu gewinnen und wir haben gezeigt, dass wir es mit den besten Teams der Welt aufnehmen können.

Phil Neville nannte Sie als eine der unglaublichen älteren Spielerinnen, die die Kluft zwischen Jugend und Erfahrung überbrücken und schon bei einer WM dabei waren. Welche Erfahrungen werden Sie nutzen, um die Spielerinnen zu führen, die noch nicht bei einer A-Weltmeisterschaft dabei waren? Wir müssen darauf achten, dass das Team nach Siegen nicht völlig abhebt und nach Niederlagen nicht in Selbstmitleid versinkt. Wir stehen als Team zusammen. Wir sind aggressiv, wir wollen positiven Fussball spielen und müssen darauf achten, diesen Prinzipien treu zu bleiben. Und wir dürfen den Spaß an der Sache nicht verlieren. Die Mädchen sind am besten, wenn sie Spaß an der Sache haben, wenn sie ein Lächeln im Gesicht haben. Auf dem Trainingsplatz arbeiten sie hart aber abseits davon dürfen sie auch mal entspannen.

Und man muss darauf achten, nicht auf zu viele Stimmen zu hören. Bei all diesen Sozialen Medien und anderen äußeren Einflüssen… Wir werden häufiger im Fernsehen sein. Ich halte es für wichtig, auf die richtigen Leute zu hören, die Teamkameradinnen, die Eltern und natürlich die Trainer. Und man darf sich vieles von den anderen Dingen nicht zu sehr zu Herzen nehmen.