Freitag 08 März 2019, 05:00

Panico: "Den Jungs ist komplett egal, ob da ein Mann oder eine Frau auf der Bank sitzt"

  • Patrizia Panico spricht über ihre Erfahrungen bei der FIFA Frauen-WM

  • Die legendäre Stürmerin äußert sich auch zu den Chancen Italiens 2019 in Frankreich

  • "Ich will im Profibereich trainieren, egal ob Männer oder Frauen"

Es gibt immer wieder Wegbereiter, die ganze Generationen inspirieren. Patrizia Panico beispielsweise dürfte Tausende junger Leute in ganz Italien dazu gebracht haben, ihre Tore – von denen sie über einhundert allein in der Nationalmannschaft geschossen hat – nachzustellen.

Inzwischen beschreitet sie schon wieder neue Wege. Als eine der wenigen Frauen im internationalen Männerfussball trainiert Panico die U-15-Auswahl Italiens.

Gleichzeitig bereitet sich Italien gerade auf die erste Teilnahme an einer FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ seit 1999 in den USA vor. Anlass für FIFA.com, mit Panico über jenes Turnier zu reden, bei dem sie – natürlich – zwei Tore erzielte. Gesprächsthema waren außerdem die Chancen der Italienerinnen in Frankreich 2019 sowie Panicos aktuelle Rolle.

FIFA.com: Was für ein Gefühl war es, Ihr Land bei der Frauen-Weltmeisterschaft zu vertreten? Patrizia Panico: So weit ich mich erinnere, fand ich das damals ganz normal. Ich dachte, das ist so üblich, weil es bis dahin eben für mich so gelaufen war. Insofern war meine Turniererfahrung eine ganz ruhige. Ich habe mir da keinen großen Kopf gemacht. Schön war aber, dass ich nie gedacht hätte, dass eine WM so viel Interesse wecken und so viele Zuschauer anziehen würde.

1991 hatte Italien Carolina Morace, 1999 dann Sie. Wer wird Ihrer Meinung nach Italiens Star 2019? Wenn ich das wüsste! Ich halte den aktuellen italienischen Kader insgesamt für ausgeglichener und stärker, eben weil es nicht nur den einen Star gibt. Es gibt mehrere Führungsspielerinnen wie [Barbara] Bonansea, [Alia] Guagni oder [Sara] Gama. Auch [Elisa] Bartoli ist als Abwehrchefin enorm wichtig. Diese Vier könnten zu den Stars der italienischen Mannschaft werden, aber das Potenzial dazu hat beispielsweise auch [Cristiana] Girelli. Unterm Strich gibt es so viele gute italienische Spielerinnen, dass ich mich da nicht festlegen möchte.

Und wie schneidet Italien Ihrer Meinung nach bei der WM in Frankreich ab? Ich glaube, wir haben das Potenzial, die Vorrunde zu überstehen, weil die Mannschaft große Fortschritte gemacht hat. Sie hat insgesamt physisch zugelegt. Das liegt auch an den Profiklubs, die in großem Stil investieren und den Frauenfussball fördern. Und natürlich daran, dass [Cheftrainerin] Milena [Bertolini] und [Assistenztrainer Attilio] Sorbi Spitzenarbeit leisten. Es sind alle Voraussetzungen für eine gute Vorrunde gegeben.

Welchen Rat würden Sie der heutigen Mannschaft für die Vorbereitung auf die Endrunde geben? Den, möglichst ganz im Augenblick zu leben. Denn wenn man erst mal darüber nachdenkt, was man zu tun hat und welches Ergebnis man braucht, kann das nach hinten losgehen. Entsprechend würde ich ihnen raten, es einerseits möglichst gelassen anzugehen, andererseits aber nicht zu vergessen, dass ein gutes Abschneiden dem Frauenfussball in Italien auch einen Schub geben könnte.

PATRIZIA PANICO ALS SPIELERIN

  • 110 Tore in 204 Länderspielen für Italien

  • Zweifache Torschützin (gegen Deutschland und Mexiko) bei der FIFA Frauen-WM 1999

  • Vielfache italienische Meisterin, unter anderem mit Modena, Lazio Rom, AGSM Verona und Torres in der Serie A

Wir haben bislang über Frauenfussball gesprochen, dabei trainieren Sie aktuell die italienische U-15-Auswahl der Männer. Denken Sie, es ist für diese Jungen im Teenageralter, die Sie ja trainieren, wichtig, dass sie ein starkes weibliches Vorbild im Männerfussball sehen? In meinem Fall spielt das keine Rolle. Den Jungs ist das komplett egal, ob da ein Mann oder eine Frau auf der Bank sitzt. Die wollen wissen: Was hat ihr Trainer oder ihre Trainerin erreicht und gewonnen? Sie respektieren einen und hören zu, aber natürlich informieren sie sich auch, lesen Berichte über einen im Internet.

Und sie sind immer die ersten, die anerkennen, dass das, was ich [als Spielerin] erreicht habe, bedeutend ist. Sie respektieren mich in erster Linie wegen meiner Vergangenheit als Spielerin, aber auch dafür, wie ich als Trainerin bin. Ich glaube nicht, dass es für sie eine Rolle spielt, ob man nun Mann ist oder Frau. Es kommt darauf an, ob man gut ist in seinem Job, kompetent, ob man Charisma hat. Mir ist jedenfalls noch nicht zu Ohren gekommen, dass sie sich irgendwelche Gedanken um mein Geschlecht machen.

Welchen Rat würden Sie also Frauen geben, die im Männerfussball trainieren wollen? So denke ich nicht. Ich halte es nicht für richtig zu sagen, ich will Männer trainieren oder ich will Frauen trainieren. Richtig wäre für mich zu sagen, ich will im Profibereich trainieren. Dann spielt es keine Rolle, ob diese Profis Männer oder Frauen sind. So sehe ich das. Dann sieht die Welt nämlich gleich ganz anders aus. Meiner Meinung nach sollte es keine Unterscheidungen geben.

Was war denn für Sie das größte Problem als Fussballspielerin in der Jugend? Meine Eltern haben sich zwar nie dagegen gesperrt, dass ich Fussball spiele, aber ich hatte schon das Gefühl, ich muss ihnen erst mal beweisen, was Mädchen drauf haben. Ich war auch mit Leuten konfrontiert, die einfach stumpf gesagt haben, Mädchen können nicht Fussball spielen. So kam es, dass ich jedes Mal, wenn ich auf den Platz gegangen bin, alle Zuschauer überzeugen wollte.