Donnerstag 19 Dezember 2019, 12:51

Ellis und Wiegman blicken auf das Finale der Frauen-WM zurück

  • Jill Ellis und Sarina Wiegman analysieren gemeinsam das Finale der Frauen-WM

  • Das Duo gibt Einblicke in die Taktik und Analyse des Gegners

  • "Wir hatten enormen Respekt vor ihrem Können"

Jill Ellis und Sarina Wiegman werden 2019 im Rückblick zweifellos als bahnbrechendes Jahr einstufen. Ellis führte das Frauen-Nationalteam der USA in Frankreich zum zweiten Weltmeistertitel in Folge. Als einzige Trainerin, der es gelungen ist, den größten Titel des Weltfussballs zweimal zu gewinnen, wurde sie in der Folge als The Best – FIFA-Welttrainerin – Frauen ausgezeichnet.

Wiegman zog mit den Oranjevrouwen erstmalig ins Finale einer Frauen-WM ein, obwohl die Niederländerinnen erst zum zweiten Mal am Weltturnier teilnahmen. Am Ende musste Wiegmans Team sich im "Grande Finale" zwar gegen die USA geschlagen geben, wusste die Welt jedoch mit unterhaltsamem Fussball zu begeistern und forderte dem amtierenden Weltmeister alles ab.

Die beiden Trainerinnen sind zusammengekommen, um das wohl größte Fussballereignis des Jahres noch einmal gemeinsam zu analysieren: das Finale der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™.

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Der entscheidende Moment des Finales

Jill Ellis: Für mich war das Tor von Rose Lavalle das herausragende Ereignis. Ab diesem Punkt hatte ich das Gefühl, dass wir das Spiel besser unter Kontrolle hatten. Beim Spielstand von 1:0 kann sich immer noch alles ganz schnell ändern. Ich finde, das Tor von Rose war eine großartige Einzelleistung. Sammy Mewis hat den Ball für uns erobert und auf Rose Lavelle gespielt, die sehr gut abgeschlossen hat.

Sarina Wiegman: Der Elfmeter hat uns wirklich schwer getroffen, und ich habe danach eine Veränderung bei meinem Team gesehen. In diesem Augenblick wurde auch deutlich, wie viel wir in dieses Turnier investiert hatten und wie viel Energie es uns gekostet hat. Wir hatten großartig Widerstand geleistet, aber als es dann 1:0 für die USA stand, dachte ich: 'Okay, jetzt wird es wirklich schwer für uns.'

Die taktischen Kniffe

Jill Ellis: Wir wussten, dass wir gegen die Niederländerinnen gut spielen mussten. Du konzentrierst dich immer nur auf ein Spiel. Wenn du dann anfängst, dir Videos zu deinem Gegner anzuschauen, durchschaust du die Spielweise der Niederlande immer mehr. Wir hatten enormen Respekt vor ihrer Fähigkeit, den Ball zirkulieren zu lassen, und vor ihrer guten Organisation. Wir wussten, dass [Vivianne] Miedema in ihrem Team eine ganz entscheidende Rolle spielen würde. In der Anfangsphase des Spiels haben wir daher eine kleine Änderung vorgenommen und [Julie] Ertz gebeten, etwas tiefer zu stehen und näher an Miedema dranzubleiben, damit sie beim Umschalten nicht so gut anspielbar wäre. [Miedema] nutzte den Raum [zwischen Mittelfeld und Angriff], um an den Ball zu kommen, und wir haben Ertz nur aufgefordert, etwas tiefer zu stehen und zu versuchen, die Pässe zu ihr zu unterbinden.

Sarina Wiegman: Wegen der drei Angreiferinnen der USA, die sehr schnell und sehr ballsicher sind, haben wir auf der linken Seite die defensivstarke [Dominique] Bloodworth eingesetzt. Außerdem haben wir [Lineth] Beerensteyn als Mittelstürmerin gebracht, Miedema ist auf eine etwas zurückgezogenere Position gerückt und [Danielle] van de Donk hat die rechte Seite übernommen. Wir haben diese Umstellung vorgenommen, weil wir glaubten, der schnellen [Crystal] Dunn auf der linken Seite sonst nicht gewachsen zu sein. Wir wollten ihr etwas entgegensetzen. Deshalb haben wir Van de Donk dort positioniert.

Die USA haben zwar eine sehr gute Abwehr, aber wir dachten, dass Lineth Beerensteyn sie mit ihrer Schnelligkeit knacken könnte. Laut unserer Analyse vor dem Spiel war Ertz im Mittelfeld positioniert, in einer Art Ankerrolle. Sie ging nicht ständig mit in die Tiefe. Deshalb dachten wir, dass es gut wäre, wenn Miedema etwas zurückgezogener spielen würde, da sie in Ballbesitz und im Stellungsspiel sehr gut ist.

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Jill Ellis: Wir hatten unsere Strategie darauf ausgerichtet, dass Miedema zentral an vorderster Front eingesetzt werden würde und wussten, dass die Gefahr nicht wirklich von der Vertikale ausgehen würde, da sie lieber mit zurückgeht und sich den Ball selber holt. Dann wurde uns bewusst, dass die vertikale Achse [mit Beerensteyn als Mittelstürmerin] schneller werden würde. Wir haben Ertz gebeten, tiefer zu stehen, weil wir sehr viel Respekt vor Miedema und ihren Spielmacherqualitäten hatten.

Wir wussten, dass das Mittelfeld der Niederländerinnen ihr Dreh- und Angelpunkt war und haben auch Alex [Morgan] gebeten, etwas tiefer zu stehen, damit sie gezwungen sind, über die Außenbahnen zu kommen und [Sherida] Spitse ihr gewohntes Passspiel nicht durchbringen kann.

Generell dachten wir, dass sie viel Ballbesitz haben würden und wollten Druck aufbauen, um Ballverluste oder übereilte Entscheidungen zu provozieren und dann den Ball zu erobern und sie mit schnellen Kontern zu überwinden. Unsere Zweikampfkünstlerinnen haben ihnen einige Probleme bereitet. Und dann sind Lavelle und Mewis beide Spielerinnen, die gern angreifen und in die Offensive gehen. Deshalb ging es eigentlich fast nur darum, sie mit unserem Pressing und schnellen Umschaltspiel an ihre Grenzen zu treiben und so zum Erfolg zu kommen.

Für weitere Einblicke und Analysen sehen Sie sich das vollständige Video an.