Samstag 06 Dezember 2014, 21:32

Die Gelassenheit der Stammgäste und die Ungeduld der Neulinge

Wie doch die Zeit vergeht: Schon sind Qualifikation und Endrundenauslosung für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015™ Geschichte! Die Entscheidung war am 6. Dezember kaum gefallen, da waren die Trainerinnen und Trainer der qualifizierten Mannschaften, die sich geschlossen eingefunden hatten, um der Veranstaltung beizuwohnen, mit ihren Gedanken auch schon bei der bevorstehenden Reise zum Turnier in Kanada. Für einige ist es dabei gewissermaßen dank "Endrunden-Stammplatz" eine lieb gewonnene Gewohnheit, für andere hingegen eine völlig neue Erfahrung. Und so gaben sich die sportlich Verantwortlichen nach der Auslosung gegenüber FIFA.com** denn auch mal selbstbewusst, mal ungeduldig, mal ehrgeizig und mal zurückhaltend.

Die schwedische Nationaltrainerin Pia Sundhage etwa hat zwar sowohl als Spielerin denn auch als Trainerin bereits eine Weltmeisterschaft erlebt, ist aber nach eigener Aussage immer noch emotional total involviert, wenn die Kugeln geöffnet werden und die Namen der Gruppengegner über den Bildschirm flimmern. "An eine Auslosung gewöhnt man sich nie, dazu ist sie einfach zu wichtig!", versichert sie und lächelt, obwohl ihr das Glück gar nicht mal so hold gewesen ist. Denn ihre Schwedinnen sind nicht nur in der traditionellen "Hammergruppe" mit den USA, Australien und Nigeria gelandet, Sundhage war 2011 auch noch Trainerin der Stars and Stripes, wurde mit ihnen Vizeweltmeister. "Klar ist das ein besonderes Spiel für mich, bei dem zwei Herzen in meiner Brust schlagen!", gibt sie zu. "Aber es ist gut, schon in der Gruppenphase gegen die Besten der Welt zu spielen. Wir sehen das positiv."

Gewohntes Terrain "Pia ist eine sehr gute Freundin und wir haben heute Morgen noch darüber gescherzt, wie es wohl wäre, in derselben Gruppe zu landen", sagt Jill Ellis, die das Ruder beim zweimaligen Weltmeister USA übernommen hat. "Schweden ist traditionell eine starke Mannschaft und es wird ein schwieriges direktes Duell. Aber ich weiß auch, dass es egal ist, gegen wen wir spielen, wenn wir unseren besten Fussball abrufen. Es kommt in erster Linie auf unsere Leistung an."

Auch Silvia Neid betritt gewohntes Terrain und auch sie trifft mit Norwegen auf einen alten Bekannten. Zuletzt war die deutsche Nationaltrainerin mit ihrer Mannschaft im Finale der UEFA EURO der Frauen gegen die Skandinavierinnen erfolgreich. "Das ist ein ganz starker Gegner und wir kennen uns natürlich sehr gut. Ich halte uns beide für die Favoriten in der Gruppe", stellt die Weltmeistertrainerin von 2007 klar. "Die Elfenbeinküste und Thailand sind Neulinge, aber asiatische Mannschaften sind dafür bekannt, technisch beschlagen zu sein, und auch afrikanische Mannschaften sind absolut ernst zu nehmen. Aber Deutschland und Norwegen sind Favoriten auf das Weiterkommen."

Dem will sich Even Pellerud so nicht anschließen, auch wenn er sich gedanklich bereits mit der Revanche gegen Deutschland befasst. "Die Zeit ist reif, dass wir die Deutschen mal schlagen", findet der Norweger, der zunächst aber einfach das Gefühl genoss, nach 16 Jahren wieder einmal bei einer Auslosung dabei zu sein. "Das ist meine sechste Weltmeisterschaft und meine sechste Auslosung und immer noch fühle ich mich dabei wie ein kleines Kind", sagt der alte Hase, der die Nationalmannschaft seines Landes schon zum zweiten Mal übernommen hat. "Ich verspüre immer noch die gleiche Aufregung, die gleiche Anspannung, die gleiche Nervosität." Von Gewohnheit keine Spur.

Was sollen denn da erst die Neulinge denken? Wir haben bei Clémentine Touré nachgefragt, die die Elfenbeinküste zum ersten Mal zur Endrunde einer FIFA Frauen-Weltmeisterschaft geführt hat und im ersten Spiel der Gruppe B gleich gegen die Nationalmannschaft antreten muss. "Gleich zum Auftakt einer WM gegen Deutschland ran zu müssen, ist schon ein Brocken", räumt die Trainerin ein, ohne sich damit jedoch bereits im Vorfeld geschlagen zu geben. "Nur durch Spiele gegen große Mannschaften wird man eine große Mannschaft. Wir sind noch in einer Lernphase, und am meisten lernt man von den Besten."

Lernen von den Anderen Wenn das stimmt, hat es Debütant Ecuador am besten getroffen, denn er trifft auf Titelverteidiger Japan. "Uns steht ein großartiges Erlebnis ins Haus. Wir sind zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei und in einer sehr guten Gruppe gelandet", fasst es die Trainerin des Landes zusammen, das sich als letztes für die Endrunde in Kanada 2015 qualifizieren konnte - was natürlich keinen Einfluss auf die Auslosung hatte. "Glück ist vergänglich und lässt sich nicht erklären. Wichtig ist zu wissen, dass jedes Land in Kanada alles geben wird und dass einer vom anderen lernen kann. Das ist die Grundidee einer Weltmeisterschaft. Vor vier Jahren steckte ich noch in der Trainerausbildung und habe die WM nur im Fernsehen verfolgt. Heute bin ich 25 und schon Nationaltrainerin bei einer Weltmeisterschaft!"

Auch für die Schweiz ist Kanada eine Premiere, aber Vordenkerin und Trainerin Martina Voss-Tecklenburg stand bei drei Turnieren für Deutschland mit an der Linie. Vielleicht gerade deshalb hoffte sie auf Glück bei der Auslosung. Die erfahrene Voss-Tecklenburg wollte unbedingt in eine Gruppe mit Brasilien. Dafür drückte sie die Daumen und baute dabei auf einen Talisman - ein kleines Totem, das sie während ihres Besuchs im Kanadischen Nationalmuseum für Geschichte als Geschenk erhalten hatte. Ergebnis: Die Schweiz landete zusammen mit Japan, Kamerun und Ecuador in Gruppe C. "Mein Glücksbringer hat funktioniert!", findet die Deutsche und lächelt gelöst - auch wenn es mit dem Duell gegen Brasilien zumindest in der Vorrunde nichts geworden ist. "Gleich im ersten Spiel treffen wir auf den Weltmeister. Wir können in Kanada nur gewinnen! Heute ist ein schöner Tag mit einer tollen Auslosung!"

Sehr zufrieden mit der Auslosung dürfte auch der Neuseeländer John Herdman sein, denn der Nationaltrainer Kanadas trifft in Gruppe A auf die VR China, die Niederlande und ... Neuseeland - dessen Trainer er zuvor war! Auf der Pressekonferenz am Vortag hatte Herdman noch gestanden, dass genau das ein Traum für ihn wäre. Wenn man sich die "Hammergruppe" mit den USA, Australien und Nigeria ansieht, kann man nur froh sein, dass dieser Kelch an uns vorüber gegangen ist", zeigt sich Herdman froh über Gegner auf Augenhöhe. "Und ich habe das Glück, gegen meine ehemalige Mannschaft zu spielen. Darauf hatte ich gehofft. Die Neuseeländerinnen bedeuten mir viel. Entsprechend schön ist es für mich, in Kanada gemeinsame Momente mit ihnen verleben zu können. Wir sind gegen unsere drei Vorrundengegner ungeschlagen. Es ist also toll für uns, dass wir uns sagen können, wir haben alle Chancen, alles selbst in der Hand!"