Sonntag 02 Juni 2019, 14:53

Grimes: Die Frauen-WM wird ein echter Durchbruch

  • Die Sängerin und Fussballerin Chelcee Grimes über die Balance zwischen Bühne und Spielfeld

  • Grimes begründet, warum England die WM gewinnen kann

  • Spielerin des WFC Fulham über eine amüsante Begegnung mit Kaká

Falls Sie Chelcee Grimes noch nicht kennen: Sie ist diejenige, die zwei Karrieren miteinander verbindet, die Sie vor Neid erblassen lassen.

Die 27-Jährige stammt aus Liverpool und schreibt hauptberuflich Songs für so illustre Gestalten wie Dua Lipa und Kylie Minogue, bereitet darüber hinaus gerade ihr Debütalbum vor und läuft an den Wochenenden im Trikot des WFC Fulham auf. Zuvor stand sie bei ihrem Heimatklub Liverpool, bei Everton und Tottenham Hotspur unter Vertrag.

Die eingefleischte Anhängerin der Reds ist nach dem sechsten Triumph des Klubs in der UEFA Champions League noch immer in Feierlaune und freut sich in den nächsten vier Wochen schon darauf, die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Frankreich 2019™ zu verfolgen.

Chelcee Grimes bezeichnet sich selbst gern als "Kreative auf dem Platz und abseits davon". Kurz bevor in Frankreich der Ball rollt, sprach der Fussball-Popstar mit FIFA.com. Themen waren unter anderem die Vereinbarkeit zweier beneidenswerter Karrieren, gemeinsame Auftritte mit einigen Spielerinnen der englischen Nationalmannschaft in der Jugend sowie ihre Darbietung bei der Auslosung der Frauen-WM 2019.

FIFA.com: Kneifen Sie sich eigentlich jedes Mal, wenn jemand Sie fragt, was Sie beruflich machen?

Chelcee Grimes: Ja, das ist schon verrückt! Ich habe von 9 bis 16 Fussball gespielt, ohne dafür bezahlt zu werden und dann hatte ich vielleicht etwas Glück. Nachdem ich mich ein Jahr lang ganz auf die Musik konzentriert hatte, bekam ich in diesem Bereich meinen ersten Vertrag. Mit dem Sport habe ich also kein Geld verdient, und von der Musik konnte ich von Anfang an ganz gut leben. Deshalb habe ich der Musik eine Zeit lang den Vorzug gegeben. Das hätten wohl die meisten Leute getan. Vor zwei Spielzeiten bin ich dann wieder in den Fussball eingestiegen, weil ich das Fussballspielen so vermisst habe. Diese beiden Welten sind für mich gerade eine perfekte Kombination.

Sie haben bereits vor ihrer Karriere im Musikgeschäft Fussball gespielt. Was hat Sie zuerst interessiert?

Fussball! Das war alles, was ich wollte. Ich sage manchmal scherzhaft, wenn ich ein Junge gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich nie ein Musikinstrument angefasst und würde seit vielen Jahren für Liverpool spielen. Vor neun Jahren, als ich aktiv war, ließ sich im Frauenfussball einfach kein Geld verdienen. Heute ist das anders. Ich habe eine zehnjährige Schwester, die Fussballerin werden möchte. Jetzt heißt es nicht mehr: 'Damit lässt sich kein Geld verdienen' oder 'Davon kannst du nicht leben'. Mittlerweile kannst du deinen Lebensunterhalt davon bestreiten. Das ist eine sehr aufregende Zeit für den Frauenfussball.

Alex Scott ist in der BBC eine der wichtigsten Fussballexpertinnen. Junge Mädchen, die den Fernseher einschalten, sehen nun, dass sie im Sportbereich einen Job bekommen können. Fussball ist Fussball – nicht Frauenfussball. Das ist einfach nur eine Sportart – warum sollte das Geschlecht dafür entscheidend sein? Die Leidenschaft ist dieselbe. Ich glaube, dass diese Frauen-WM einen echten Durchbruch für alle darstellen wird, die in diesem Sport aktiv sind.

Wie wichtig war der Fussball in Ihrer Kindheit?

Wenn du in Liverpool aufwächst, gehörst du entweder zu den Reds oder zu den Blues – ich bin durch und durch Red. Ich hatte damals noch keine Geschwister, daher hieß es, entweder zu Hause bleiben und Hausaufgaben machen, oder rausgehen und mit den Jungs Fussball spielen. Ich war bald besser als die Jungs und wurde bei der Teamwahl immer als erste ausgewählt. Mit neun Jahren durfte ich an einem Probetraining bei Liverpool teilnehmen und wurde genommen. Das war mein erster Verein. Meine Familie war unglaublich stolz auf mich.

Wie schwer ist es, beide Karrieren in Einklang zu bringen?

Wenn ich ehrlich bin, ist das schon schwierig. Ich habe wohl nur etwa 40 Prozent der Saison auf dem Platz gestanden, weil ich während der restlichen Zeit unterwegs oder mit dem Schreiben meines Albums beschäftigt war. Irgendwann springt vielleicht ein Hit dabei heraus. Aber ich stehe immer für Pokalspiele zur Verfügung, und wenn ich im Land bin, widme ich mich immer zu 110 Prozent dem Fussball. Trotzdem muss ich natürlich auch meinen Lebensunterhalt verdienen! Fussballkarrieren sind recht kurz, aber Songs werde ich bis zu meinem Todestag schreiben!

Bei der Auslosung der Frauen-WM sind Ihre beiden Welten – Fussball und Musik – miteinander verschmolzen ...

Das war fantastisch. Ich habe in einem winzigen Raum auf meinen Auftritt vor all diesen Legenden gewartet und ein Foto mit Kaká ergattert. Ich bin einfach zu ihm hingegangen und habe gesagt: 'Du weißt es nicht, aber du warst der erste Junge, der mein Herz gebrochen hat, als du Liverpool auseinandergenommen hast'. Er lachte und sagte: 'Für dich ist es besser ausgegangen!'. Das war ein magischer Augenblick. Nachdem diese Legenden mich so lange unterhalten hatten, durfte ich sie nun 25 Minuten lang unterhalten.

Wie haben Sie Englands Los aufgenommen?

Schottland und England in einer Gruppe, das wird natürlich klasse! Ich glaube wirklich, dass England es dieses Jahr schaffen kann. Das ganze Land steht hinter dem Team, und viele Spielerinnen haben eine hervorragende Saison gespielt. Sie haben gerade den SheBelieves Cup gewonnen, und ich bin wirklich überzeugt davon, dass es machbar ist. Ich habe mit einigen Spielerinnen gesprochen, und alle sind super zuversichtlich.

Haben Sie während ihrer Zeit bei Liverpool oder Everton mit einer der aktuellen Nationalspielerinnen zusammen auf dem Platz gestanden?

Bei der letzten Frauen-WM hatte ich mit etwa 40 Prozent der Spielerinnen irgendwann einmal zusammen gespielt. Alex Greenwood und ich sind Freundinnen – wir schicken uns ständig Nachrichten und werden Zeit miteinander verbringen, wenn ich in Frankreich bin. Toni Duggan und ich folgen einander auf Instagram, aber sie hat bei Everton in einer anderen Altersklasse gespielt als ich. Das gilt auch für Nikita Parris. Sie war ein Jahr unter mir, aber wir kennen einander. Ich finde es toll, dass sie alle dabei geblieben sind und jetzt auf der Weltbühne für ihr Land spielen.

Welche Teams sind Ihre Favoriten bei diesem Turnier? Gibt es Ihrer Meinung nach Spielerinnen, auf denen besonderes Augenmerk liegen wird?

Also, als Favoriten werde ich außer England niemanden nennen. Die Französinnen darfst du nie abschreiben, denn sie werden viele Zuschauer hinter sich haben, aber ich werde bis zum Schluss England anfeuern. Parris war beste Spielerin der Saison, und ich habe mich vor Kurzem mit Vivianne Miedema getroffen, die von der PFA [englische Gewerkschaft der Spielerinnen und Spieler] als Spielerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Aber bei diesem Turnier ist alles möglich.