Montag 04 Februar 2019, 01:51

Bonansena: "Im Fussball ist es normal zu träumen"

  • Barbara Bonansea spricht über die Vereinbarkeit von Fussball und Studium

  • Die flatternden Freistöße der Juve-Spielerin sind gefürchtet

  • Klare Meinung zu Marta, Kerr und den WM-Titelchancen Italiens

Eine Studentin an der Università degli Studi di Torino beschäftigt sich typischerweise mit Mikroökonomik und Unternehmensausrichtungen. Eine davon war mit dem Kopf allerdings eher beim Fussball auf französischen Plätzen.

Dabei hatte Barbara Bonansea zwei Tage später eine Prüfung in ihrem Hauptfach Wirtschaft. Sie bestand. Wiederum ein paar Tage später hatte Bonansea nach eigenem Bekunden "die größte Prüfung meines Lebens" – ein Qualifikationsspiel für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft™ gegen Portugal. Und auch diese Prüfung bestand sie mit Bravour, was in diesem Fall bedeutet: mit einem Tor, das Italien nach 20 Jahren Abwesenheit wieder auf die Weltbühne hievte.

"Im Unterricht war ich häufig nicht bei der Sache", gibt sie gegenüber FIFA.com zu. "Fast jedes Stichwort genügte, um meine Gedanken zum Fussball abschweifen zu lassen. Ich habe mir vorgestellt, in ausverkauften Stadien für Italien eine Weltmeisterschaft zu spielen. Davon habe ich schon als kleines Kind geträumt, wenn ich die italienische Männernationalmannschaft im Fernsehen bei einer WM gesehen habe.

Jetzt bin ich der Erfüllung dieses Traums ganz nah. Das ist ein tolles Gefühl."

"Nach dem Sieg gegen Portugal habe ich hemmungslos geweint", erzählt Bonansea weiter. "Nach den verlorenen Playoffs für Kanada 2015 war diese Qualifikation eine Revanche für uns Spielerinnen, vor allem aber für Italien, da die Leute zu dieser Zeit sehr enttäuscht vom Fussball waren. Die Medien haben groß darüber berichtet, zumal die Männer sieben Monate zuvor ihre Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 verpasst hatten.

Drei der genannten Länder gehören zu den ersten Vier der FIFA/Coca-Cola-Frauen-Weltrangliste. Vor den potenziellen K.o.-Spielen gegen diese Spitzenmannschaften muss Italien allerdings erst einmal eine starke Vorrundengruppe mit Australien und Brasilien (Nummer sechs und zehn der Weltrangliste) überstehen. Hinzu kommt eine jamaikanische Elf, die mit der Geschwindigkeit einer Elaine Thompson Fortschritte macht.

Sam Kerr habe ich persönlich ehrlich gesagt noch nicht oft spielen sehen, aber wenn man sich mal umhört, sagen ausnahmslos alle, was für eine fantastische Stürmerin sie ist, nicht nur phänomenal vor dem Tor, sondern auch unberechenbar in ihrer Spielweise und jederzeit in der Lage, die Position zu ändern.

Im Fussball ist es normal, zu träumen und daran zu glauben, dass man über sich hinauswachsen kann. Entsprechend träume ich vom WM-Titel für Italien, auch wenn ich weiß, dass die Chancen gering sind und wir sicherlich nicht zu den Favoriten gehören."

Ihr absolutes Markenzeichen aber sind die oft flatternden Freistöße, wie sie Juninho Pernambucano, Andrea Pirlo, Didier Drogba, Cristiano Ronaldo und Gareth Bale in ihrem Repertoire hatten oder haben. "Ich wollte immer Freistöße übernehmen, durfte aber nicht", erklärt Bonansea dazu. "Also habe ich nach dem Training Sonderschichten eingelegt, um mich zu verbessern."

"Zuerst habe ich Wirtschaftsingenieurswesen studiert, aber nach einem Jahr das Fach gewechselt, weil das zu zeitaufwendig war. Bei BWL gibt es keine Präsenzveranstaltungen, da kann ich mir die Zeit frei einteilen", sagt Bonansea. "Studium und Fussball in Einklang zu bringen, ist dennoch nicht einfach. Aber ich habe nur noch vier Prüfungen vor mir. 2020 will ich meinen Abschluss machen."

Sollte das mit den Flatterbällen auch im Sommer in Frankreich klappen, könnte auf manche Spitzentorhüterin eine ähnlich schwere Prüfung zukommen wie die an der Università degli Studi di Torino.