Montag 30 März 2020, 07:15

Vilda: "Können unser Spiel immer durchbringen"

  • Spanien nach hervorragendem Auftritt Zweiter beim SheBelieves Cup

  • Das Team von Jorge Vilda macht auch nach der WM weiter Fortschritte

  • "Wir können unser Spiel gegen jeden durchbringen"

Genau wie für viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt haben sich auch für den spanischen Nationaltrainer Jorge Vilda die Lebensumstände durch die COVID-19-Pandemie radikal verändert. Auch er befindet sich derzeit mit seiner Familie abgekapselt zu Hause. "Tatsächlich ändert das nicht viel. Man muss sich ein bisschen daran gewöhnen, nicht mehr im Büro, sondern zu Hause zu arbeiten... sofern die Kinder es zulassen", meint er lachend.

Nach dem guten Auftritt der Roja (derzeit auf Platz 13 der FIFA-Weltrangliste) beim #SheBelieves Cup, stehen nun Videoanalysen, Videokonferenzen mit dem Trainerstab und die weitere Planung an. Ziel ist es, auch in dieser Zwangspause des Fussballs weiter an der Entwicklung des Nationalteams zu arbeiten.

Außerdem findet der Trainer Zeit für ein Exklusiv-Interview mit FIFA.com. Gesprächsthemen waren unter anderem die guten Leistungen des Teams, die Maßnahmen zum Fortsetzen des aktuellen Aufwärtstrends sowie die gestiegenen Erwartungen der Fans.

Spanien wusste bei seinem Debüt beim SheBelieves Cup rundherum zu überzeugen. Sie konnten Siege gegen Japan (3:1) und England (1:0) verbuchen und mussten sich nur knapp gegen die USA geschlagen geben. Wie bewerten Sie das Turnier?

Zunächst einmal ist unser Nationalteam mittlerweile nicht nur auf der ganzen Welt bekannt, sondern genießt auch weltweit Anerkennung. Darauf bin ich sehr stolz. Außerdem entspricht das Team immer mehr dem Idealbild, das ich im Kopf habe und auf das viele Leute tagtäglich hinarbeiten.

Jetzt stellen sich auch die guten Ergebnisse ein, aber vor allem geht es mir um die Leistung und den guten Eindruck, den das Team hinterlassen hat. Wir haben gegen Japan ein gutes Spiel gemacht und ein gutes Ergebnis erzielt. Wir haben gegen England gewonnen, was uns seit sieben Jahren nicht mehr gelungen war. Die einzige Auswahl, gegen die wir verloren haben, waren die USA, und auch erst durch eine Standardsituation in der 87. Minute.

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Was hat Ihnen an Ihrem Team am besten gefallen, und wo sehen Sie noch Raum für Verbesserungen?

Am besten gefällt mir, dass wir gezeigt haben, wer wir sind und dass wir uns seit der letzten WM weiterentwickelt haben. Wir können unser Spiel gegen jeden durchbringen. Viele unserer Spielerinnen haben sich in den Kopf gesetzt, bald zu den besten der Welt zu gehören, und meiner Meinung nach haben wir bereits Spielerinnen, auf die das zutrifft. Dies war eine gute Gelegenheit, es zu beweisen, und das haben sie auch getan.

Raum für Verbesserungen gibt es bei allen Facetten des Spiels, aber vor allem müssen wir uns bei ruhenden Bällen auf allen Ebenen verbessern, und zwar sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Außerdem müssen wir das Spiel noch besser lesen, um einschätzen zu können, was in jedem einzelnen Moment zu tun ist. Das bringt die Erfahrung, und weil wir immer mehr Spiele bestreiten, werden wir auch das hinbekommen.

In den letzten 14 Monaten sind sie dreimal gegen die USA angetreten und konnten sich in keinem der drei Duelle durchsetzen. Würden Sie sagen, dass sie beim SheBelieves Cup am nächsten an einem Erfolg dran waren?

Rückblickend würde ich sagen, dass wir uns in den 14 Monaten, die zwischen dem ersten und dem dritten Spiel liegen, stark verbessert haben. Die erste Partie [1:0 für die USA] war viel offener, und die Amerikanerinnen wurden uns jedes Mal gefährlich, wenn sie in Ballbesitz waren. Bei der WM konnten wir das Ganze ausgeglichener gestalten und uns stabiler präsentieren. Daher ist es ihnen schwerer gefallen, uns mit ihren Angriffen gefährlich zu werden. Allerdings ist es uns nicht gelungen, das Spiel zu dominieren oder unseren Stil durchzubringen.

Im dritten Spiel haben wir es geschafft, unserer Spielweise treu zu bleiben und zu dominieren. Wir sind in die gegnerische Hälfte vorgedrungen, haben Chancen herausgespielt und wirklich den Eindruck vermittelt, dass wir die Partie gewinnen könnten. Wenn wir uns die Ballbesitzstatistik anschauen, dann hatten die Amerikanerinnen bei der WM 58 Prozent und wir 42. Diesmal haben wir es auf 62 Prozent gebracht, und kurz bevor das Tor fiel, war das Verhältnis sogar 85 zu 15 Prozent. Das heißt, wir haben das Spiel vollkommen dominiert. Wenn wir so weitermachen, sollten wir beim vierten Anlauf ein positives Ergebnis erreichen.

Alexia Putellas, eine der Starspielerinnen dieses Teams, wurde nach dem Spiel gegen die USA als wertvollste Spielerin der Partie ausgezeichnet. Sie übernimmt sowohl im Nationalteam als auch beim FC Barcelona derzeit eine Führungsrolle. Wie bewerten Sie ihre aktuelle Hochphase?

Sie erlebt ohne Zweifel gerade die beste Phase ihrer Karriere. Sie spielt auf ungeheuer hohem Niveau, und wenn eine Spielerin so auftritt, erregt sie Aufsehen. Genau das ist beim SheBelieves Cup passiert. Jedes Mal, wenn sie an den Ball kam, wussten die Zuschauer, dass etwas passieren würde. Jetzt steht sie vor der Herausforderung, dieses Niveau zu halten. Ich kenne Alexia schon lange, seit ihren ersten Auftritten für die U-16, und ich weiß, dass sie noch immer Verbesserungspotenzial hat. Sie ist noch jung und vor allem spielt sie mit Leidenschaft Fussball und hat viel Spielverständnis. Das kann man nicht von allen Spielerinnen sagen. Sie hat sehr viel Klasse, kann das Spiel lesen und ist sehr schnell und ästhetisch in der Ausführung.

Bei der WM haben Sie viel Wert auf ein vertikales Spiel, Aggressivität und schnelle Ballzirkulation gelegt. All dies sieht man jetzt. Welche taktischen Änderungen haben Sie – abgesehen vom eingeleiteten Generationenwechsel – vorgenommen, um diese Register ziehen zu können?

Wir hatten schon immer das Konzept eines vertikalen Teams, das schnell über die Flanken kommt, aber diese Schnelligkeit je nach Gegner auch im Zentrum abrufen kann. Wir mussten dafür die besten Spielerinnen mit den entsprechenden Eigenschaften finden. Jetzt verfügen wir über schnelle Spielerinnen, die gegnerische Verteidigerinnen überlaufen können und ein großes Plus für das Team sind. Allerdings dürfen wir darüber das Wesentliche nicht vergessen: Alles hängt von unserem Kampfgeist, unserem Durchsetzungsvermögen ab. Wenn wir uns durchsetzen, gelangen wir in Ballbesitz, können den Ball schnell zirkulieren lassen und im letzten Spielfeldviertel Gefahr ausstrahlen. Das ist am Ende das Entscheidende.

Bei Nationalteams wie den USA und Profiteams wie dem FC Chelsea wird der Menstruationszyklus der Spielerinnen in die Leistungsoptimierung einbezogen. Wird er auch im spanischen Nationalteam überwacht?

Wir überwachen die Spielerinnen nicht, bekommen aber seit jeher Informationen darüber, wann sie ihre Menstruation haben und wie jede einzelne Spielerin darauf reagiert. Das sind wertvolle Informationen für die Verletzungsprävention, die Belastbarkeit und Leistung. Wir müssen hier ganz individuell vorgehen und jeder Spielerin das geben, was sie braucht, weil jede anders darauf reagiert. Wir wissen, dass es Spielerinnen gibt, die während der Periode das beste Spiel ihres Lebens abliefern, und andere, die davon beeinträchtigt werden.

Kürzlich wurden in der Frauenfussballstruktur des spanischen Fussballverbands zwei neue Teams eingerichtet. Welche Ziele wurden für die U-15-Auswahl und die Perspektivauswahl (Selección Promesas) gesteckt?

Das ist eine neue Struktur, die unsere positive Entwicklung fördern soll und von der wir uns sehr viel versprechen. Wir müssen nicht nur die A-Nationalmannschaft stärken, sondern auch die Basis, und genau das haben wir getan. Vorher war die U-16 mit Spielerinnen im Alter von 15 bis 16 Jahren die unterste Stufe. Durch die Schaffung der U-15 haben wir ein Jahr gewonnen, denn hier arbeiten wir bereits mit 14-jährigen Spielerinnen. Auch die Schaffung der Perspektivauswahl war wichtig, denn diese Stufe fehlte uns zwischen der U-20-Auswahl und dem A-Nationalteam. Und dann wäre da noch die Ausbildungsgruppe für Torhüterinnen. Bei jedem Trainingslager der U-16 berufen wir sieben Torhüterinnen, die von ehemaligen Torwartprofis trainiert werden, und zwar von Carlos Sánchez, dem Trainer unseres A-Nationalteams, und Javier López Vallejo, der darüber hinaus noch Psychologe ist.

Wenn der Spielbetrieb im Fussball wieder aufgenommen wird, geht es für Spanien mit der Qualifikation für die EURO weiter. Dort werden die Erwartungen an das Team hoch sein. Sind die Spielerinnen diesem Druck gewachsen?

Die höchsten Anforderungen haben wir uns immer selbst gestellt. Wir wollen jedes Spiel und jedes Turnier gewinnen. Wir spüren schon, dass die Erwartungen dank der guten Leistungen der Spielerinnen gestiegen sind und wissen, dass der Druck hoch sein wird, falls wir uns für die Europameisterschaft qualifizieren. Im Augenblick konzentrieren wir uns aber voll und ganz auf die Qualifikation.