Dienstag 03 März 2020, 12:57

Cameron: Eine Rapperin auf Wanderschaft sucht eine Heimat

  • Tiffany Cameron spielte bei der FIFA Frauen-WM™ für Jamaika

  • Im Verlauf ihrer bewegten Karriere spielte sie auch auf Zypern und in Israel

  • Die derzeit vertragslose Cameron teilt ihre Erfahrungen mit FIFA.com

Vor sieben Jahren unterschrieb Tiffany Cameron bei Seattle Reign. Damals schien dies die Erfüllung eines großen Traums und die Fortsetzung des unaufhaltsamen Aufstiegs dieses aufstrebenden Stars zu sein. Doch diese Station war letztlich nur der Auftakt zu einer langen Reise, die sie bereits zu neun Klubs in sechs Ländern führte. Nirgendwo blieb sie länger als ein Jahr.

Zudem hat sie auch noch die Nationalität gewechselt und spielt nicht mehr für Kanada sondern für Jamaika. Dies alles macht sie zur ultimativen Fussball-Nomadin. Nun allerdings, mit mittlerweile 28 Jahren, würde die in Toronto geborene Spielerin, die über WM-Erfahrung verfügt, Torrekorde aufgestellt hat und nicht weniger als drei Abstiege miterlebt hat, gern sesshaft werden.

"Was ich jetzt wirklich will, ist Stabilität", so die Stürmerin im Gespräch mit FIFA.com. "Es wäre perfekt, wenn ich jetzt bei einem Klub einen langfristigen Vertrag unterschreiben könnte, dort sesshaft würde und mir bestimmte Ziele für mich selbst setzen könnte." Seit ich gerade 16 war, bin ich eigentlich pausenlos unterwegs, in verschiedenen Ländern. Immer wieder habe ich mich an die Kultur um mich herum angepasst und dabei großartige Erfahrungen gemacht. Aber manchmal ist das alles eben auch anstrengend und ermüdend, wenn man ein weiteres Mal weiterzieht und wieder bei Null anfängt."

Camerons Klubs

2009 bis 2012: Ohio State Buckeyes (USA) "Ich habe vier Jahre lang für die Ohio State Buckeyes gespielt – das ist für mich eine sehr, sehr lange Zeit, und es war eine großartige Erfahrung. Ich habe den Allzeit-Torrekord des Teams gebrochen. Das war einfach fantastisch. Damals sah einfach alles perfekt aus."

2013: Seattle Reign (USA)"Dort hatte ich zum ersten Mal einen Profivertrag. Und ich war sehr, sehr aufgeregt. Doch obwohl es in unserem Team viele großartige Spielerinnen gab, stimmte die Chemie irgendwie nicht. Ich werde nie vergessen, wie die Trainerin Laura Harvey mich eines Tages an die Seite nahm und sagte: 'Tiff, du bist eine tolle Spielerin, aber du brauchst mehr Erfahrung.' Sie sagte mir, dass sie eine erfahrenere Spielerin holen und mich gehen lassen würde. Ich war sehr aufgebracht. Ich hatte das Gefühl, aus einem Job gefeuert zu werden, den ich liebte. Aber heute sehe auch ich ein, dass ich damals tatsächlich noch nicht reif für die NWSL war."

2013: FC Kansas City (USA) "Bis dahin war ich eigentlich immer einer der Stars meines Teams gewesen. Das Gefühl der Ablehnung war ein echter Schock für mich. Doch nach einigen Tagen riss ich mich zusammen und schrieb den Namen eines Klubs auf, für den ich gern spielen würde. Dieser Klub war Kansas City. Den Zettel mit dem Namen legte ich mir unter das Kopfkissen und dachte ganz intensiv daran. Und tatsächlich riefen sie einige Tage später an und boten mir einen Vertrag an. Den Zettel habe ich heute noch! Damals war Vlatko Andonovski, der heutige Trainer des U.S.-Frauenteams, Trainer von Kansas City. Von ihm habe ich sehr viel gelernt, das war großartig für meine Entwicklung."

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2014: Hoffenheim (GER) "Als Laura Harvey mich von Seattle Rein weggehen ließ, sagte sie mir noch, es wäre der richtige Schritt für mich, ins Ausland zu gehen. Diesen Ratschlag habe ich nicht vergessen. Ich wusste, dass ich athletisch genug war, mich aber technisch und taktisch noch verbessern musste. Hoffenheim war mein erster Klub im Ausland. Das war für mich eine riesige Herausforderung, sowohl beruflich wie auch privat. Der Cheftrainer sprach kaum Englisch und die meisten Spielerinnen auch nicht. Ich wiederum konnte kein Wort Deutsch. Aber manchmal kann man sich eben kaum weiter entwickeln, wenn man nicht in einer ungemütlichen Situation steckt. Ich habe dort jedenfalls sehr viel gelernt, über mich selbst und über Fussball."

2015: Apollon Limassol (CYP) "Als dieser Klub zum ersten Mal zur Sprache kam, dachte ich bei mir: 'Zypern? Muss es wirklich Zypern sein?' Doch ich wusste, dass einige NWSL-Spielerinnen in der spielfreien Zeit dorthin gingen, um in der Champions League zu spielen. Dieser Wettbewerb reizte mich natürlich auch. Ich habe zwar einige Tore erzielt und es lief eigentlich ganz gut, aber wir sind nicht über die Gruppenphase hinaus gekommen. Doch es hat viel Spaß gemacht und gleich vor der Tür war der Strand. In gewisser Weise war es eine fast therapeutische Erfahrung, wieder Tore zu schießen und das Leben zu genießen."

2015-16: FC Ramat HaSharon (ISR) "Eine alte Freundin vom Ohio State College überzeugte mich, nach Israel zu gehen, obwohl ich am Anfang eigentlich völlig dagegen war. Bevor ich dorthin wechselte, habe ich mir selbst das Ziel gesetzt, die beste Torjägerin der Liga zu werden und meinem Klub zum ersten Meistertitel zu verhelfen. Beides ist mir gelungen (38 Tore in 24 Spielen). Es war natürlich eine coole Sache, an diesem historischen Erfolg des Klubs so großen Anteil zu haben. Auch sonst war Israel eine ganz großartige Erfahrung. Ich habe das Tote Meer gesehen und Jerusalem, und ich bin sogar auf einem Kamel geritten. All das hätte ich sonst wohl nie im Leben gemacht."

2016-17: Borussia Mönchengladbach (GER) "Es war eigentlich alles perfekt in Israel. Der Klub wollte, dass ich bleibe, meinen Vertrag verlängere und in der Champions League spiele. Und das Geld stimmte auch. Doch ich denke, wir sind auf der Welt, um uns immer weiter zu entwickeln. Daher sagte ich meinem Agenten, dass ich eigentlich wieder nach Deutschland wollte. Leider war es das erste Jahr nach Borussia Mönchengladbachs Aufstieg in die erste Liga – und wir sind gleich wieder abgestiegen."

2017: FF USV Jena (GER) "Nach dem Abstieg von Borussia Mönchengladbach bekundete der Klub USV Jena Interesse an mir. Ich unterschrieb dort einen Vertrag, um in der ersten Liga bleiben zu können. Doch dann stiegen wir ebenfalls ab! Da hatte ich wirklich kein Glück."

2018: Vittsjo GIK (SWE) "Dieser Wechsel war nur auf kurze Zeit angelegt. Der Klub brauchte einfach eine Stürmerin für den Rest der Saison. Allerdings hatte ich in Deutschland eine kleine Operation und rückblickend muss ich wohl sagen, dass ich mir nicht genug Zeit genommen habe, um wieder fit zu werden, denn in Schweden konnte ich nicht wirklich meine Leistung bringen."

2019: Stabaek (NOR)"Auch Norwegen war eine sehr interessante Erfahrung, obgleich ich auch hier mit dem Klub abstieg! Doch abgesehen vom Fussball ist Norwegen einfach großartig – ein wunderschönes Land."

2020: ? "Ich habe wohl zur Genüge gezeigt, dass ich sehr offen bin und so ziemlich überall spielen kann! Aber ich weiß auch aus Erfahrung, dass ich sorgfältig wählen muss. Und eines ist klar: Ich will nicht wieder zu einem Klub, der gegen den Abstieg kämpft, bei dem es nur ums Überleben geht. Wenn ich einen Klub finde, der um die Tabellenspitze mitspielt und wo etwas aufgebaut werden soll, dann würde ich dort gern sesshaft werden."

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Früher Canuck – heute Reggae Girl

Zwischen all den Umzügen und Transfers fand Cameron zudem auch noch die Zeit, ihre Nationalität zu wechseln. Als Youngster gehörte sie zu den aufstrebenden Stars Kanadas. Bei der ersten FIFA U-17-Frauen-Weltmeisterschaft in Neuseeland glänzte sie im roten Trikot Kanadas. Doch aufgrund ihrer bewegten Klubkarriere konnte sie sich nicht an der Seite von Christine Sinclair etablieren – "die bescheidenste Spielerin, die ich kenne" – und geriet immer stärker aus dem Fokus des Nationalteams.

"Schon 2014 hatte Hubert Busby, der heutige Cheftrainer Jamaikas, mich erstmals angerufen und über einen Wechsel zu Jamaika gesprochen", so Cameron, deren Eltern beide von der Karibikinsel stammen. "Ich war durchaus interessiert. Allerdings gehörte ich damals noch zum erweiterten kanadischen Kader und war noch nicht zu dieser Entscheidung bereit.

"Aber ich bin gut mit Nicole McClure befreundet (der Torhüterin, die in Jamaikas WM-Qualifikation zur Heldin wurde), und sie zog mich nach Jamaikas gelungener WM-Qualifikation damit auf und meinte, jetzt wäre wohl der richtige Zeitpunkt, mich dem Team anzuschließen. Eigentlich lachten wir damals noch darüber, doch kurz darauf meldete sich Busby wieder bei mir. Die Gelegenheit, zu diesem Team zu gehören, das Fussballgeschichte schreiben würde, war einfach zu gut. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas beitragen könnte. Und ich bin sehr glücklich, dass ich diese Chance ergriffen habe, denn die Weltmeisterschaft war einfach fantastisch – alles, was ich erwartet hatte und noch eine Menge mehr."

Ausflüge in die Musik

Eine Menge mehr – dazu gehörte auch die Anfrage der FIFA, die von der musikalischen Begabung Camerons erfahren hatte, ob sie einen Rap-Song für Frankreich 2019 schreiben könne. Das Resultat wurde rund um die Welt bekannt und zu einem Song in voller Länge weiter entwickelt. Cameron hatte schon immer eine musikalische Ader neben ihrem fussballerischen Talent.

"Der Song 'Our Time is Now' für Frankreich war einfach ein Riesenspaß. Es war toll, diesen Song zu schreiben und auch meine Teamkameradinnen liebten ihn", erzählt sie. "Mit der Musik habe ich schon angefangen, als ich noch zur Schule ging. Schon damals habe ich ein paar kurze Songs geschrieben – und glauben Sie mir, die waren fürchterlich! Ich mochte Missy Elliott, 50 Cent, Eminem und ganz besonders Missy, sie ist wirklich einzigartig und unglaublich. Aber erst als ich aufs College ging, fing ich an, auch die Sache mit der Musik etwas ernster zu nehmen. Damals ging ich zum ersten Mal in ein professionelles Tonstudio und nahm einen Song mit dem Titel 'Buckeyes Put Your Hands Up' auf, eine Hymne für das Ohio State College.

"Ich habe auch im Ausland damit weitergemacht. Einer meiner Lieblingssongs ist 'For the Love of the Game', denn der Text ('I didn't do it for the money; I didn't do it for the fame; I didn't do it for the glory') fasst ziemlich genau zusammen, was mich selbst und viele andere Fussballerinnen antreibt. Denn im Frauenfussball ist im Allgemeinen nicht viel Geld zu holen. Man braucht also viel Leidenschaft und große Träume, um weiterzumachen."

Diese Leidenschaft lodert in Cameron ganz ohne Zweifel, und ihr Traum hat sie bereits um die halbe Welt geführt. Nun allerdings hofft die 28-Jährige, dass sie einen Klub und eine Stadt findet, in der sie endlich etwas dauerhaftere Wurzeln schlagen kann.