Mittwoch 15 April 2020, 06:59

Schnaderbeck bleibt im Rhythmus

  • Viktoria Schnaderbeck ist "fit im Job"

  • Mentale und körperliche Gesundheit enorm wichtig in Krisensituationen

  • Österreichs Kapitänin nutzt die "geschenkte Zeit"

Nichts scheint mehr so zu sein, wie es vorher war. Das Coronavirus hat den Alltag der Menschen durcheinandergewirbelt, unsere Welt auf den Kopf gestellt und uns vor völlig neue Herausforderungen gestellt.

Auch im Fussball steht die Zeit derzeit still, der Ball ruht auf unbestimmte Zeit. Statt Training mit der Mannschaft, Endspurt in den Ligen, Champions League oder Qualifikationsspielen müssen die Spieler und Spielerinnen die meiste Zeit in ihren eigenen vier Wänden verbringen. Das gilt auch für die österreichische Nationalspielerin Viktoria Schnaderbeck, die seit 2018 für Arsenal in England spielt.

"Für mich persönlich ist es auf der einen Seite wichtig, dass ich mich fit halte und parallel auf den Zeitpunkt vorbereite, wenn es wieder losgeht. Es kann ja bedeuten, dass die Liga fortgesetzt wird. Meiner Meinung nach ist jede Spielerin verpflichtet, das Bestmögliche zu tun. Auf der anderen Seite ist es herausfordernd, nicht die Gewissheit zu haben, wann und wie es weitergeht", erklärt sie im Interview mit FIFA.com.

"Wenn ich ehrlich bin, ist es für mich auch wie eine geschenkte Zeit, um einfach mal ein wenig runterzukommen. Ich meine nicht sportlich, sondern mental. Wenn man sich im permanenten Spielrhythmus befindet, befindet man sich auch unter permanentem mentalen Druck. Als Fussballerin bin ich das gewohnt. Da dies nun wegfällt, schafft es Zeit und Raum für Dinge, die man sonst im Alltag nicht machen würde", führt die zweifache Deutsche Meisterin mit dem FC Bayern München weiter aus.

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Probleme mit der Selbstmotivation hat Schnaderbeck glücklicherweise nicht. Die Grazer Ausnahmefussballerin zwangen Knieverletzungen immer wieder zu einer Pause und sie weiß, wie wichtig es ist, sich voll und ganz auf die Rehabilitation zu konzentrieren.

"Ich versuche es abwechslungsreich zu gestalten, mich immer wieder herauszufordern und zu motivieren. Ich muss sagen, das gelingt mir bisher ganz gut", beschreibt sie. "Wir bekommen einen groben Plan von Arsenal, wann und an welchen Tagen wieviel trainiert werden muss. Wir bekommen auch Optionen für das Kraft- und Lauftraining. Letztendlich können wir es auch ein bisschen individuell gestalten. Deshalb ist es bei mir eine Mischung aus Kraft- und Konditionstraining. Für mich ist es wichtig im Rhythmus zu bleiben, und dass ich auch immer wieder einen Ball dazu nehme. Ich bin aktuell bei meiner Freundin in Norwegen, wo die Fussballplätze nicht gesperrt sind, und kann ein Einzeltraining mit dem Fussball absolvieren. Es ist natürlich nicht das Gleiche, wie mit der Mannschaft, aber Ball ist Ball. Kein Lauf macht so viel Spaß, wie mit dem Ball."

Und mit dem Ball lief es zuletzt mehr als gut für Schnaderbeck. Mit Arsenal steht sie im Viertelfinale der UEFA Women's Champions League, mit der Nationalmannschaft in der Qualifikation für die Europameisterschaft an der Spitze der Tabelle. Das wegweisende Spiel gegen Frankreich? Auf unbekannte Zeit verschoben. Vor- oder Nachteil?

"Wir hatten im März einen sehr guten Lehrgang in Spanien mit guten Erkenntnissen. Das Spiel wäre eine gute Möglichkeit gewesen, dies abzurufen und uns zu prüfen. Aber, und das muss man ganz klar sagen, es gibt im jetzigen Moment wichtigere Dinge", so Österreichs Kapitänin. "Es wäre egoistisch zu sagen, dass man es nicht versteht und man nun aus dem Rhythmus kommt. Es geht jedem so. Jeder muss sich nach dieser Situation richten und anpassen. Natürlich wird es zu einem späteren Zeitpunkt wieder eine Herausforderung sein, da man als Mannschaft nicht so eingespielt ist. Aber, das betrifft auch andere Mannschaften. Man muss sozusagen das Beste daraus machen. Ich glaube aber auch, dass wir eine gute Teamstärke haben und dies gut überstehen können. Das ist auch meine generelle Herangehensweise. Gerade in solchen Phasen wie jetzt zeigt sich noch einmal mehr, wie gut ein Team ist – oder eben nicht."

Auch wenn das Team derzeit nicht zusammenkommt, bleibt der Kontakt selbstverständlich bestehen. So müssen die Spielerinnen Videos mit individuellen und Mannschaftsszenen analysieren und sich so mit dem aktuellen Prozesse beschäftigen. "Ich muss in diesem Zusammenhang auch sagen, dass unsere Sportpsychologin ihre Hilfe angeboten hat, wenn man Betreuung braucht, an sich arbeiten oder reden will. Dabei geht es nicht nur darum, negative Prozesse aufzuarbeiten, sondern auch darum, sich im mentalen Bereich weiterzuentwickeln."

Für Schnaderbeck ist es jedoch nicht nur wichtig, sich selbst fit zu halten, sondern auch andere zu motivieren, das selbige zu tun. Die sympathische 29-Jährige ist Botschafterin der Initiative fit im Job, einem Gesundheitspreis, der einmal jährlich von der Wirtschaftskammer Steiermark und der Fachgruppe der Freizeit- und Sportbetriebe veranstaltet wird. Oberste Priorität: Die Gesundheit der Mitarbeiter im Job zu stärken.

"Gesundheit, und damit meine ich nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale, ist für mich ganz wichtig. Sowohl im normalen Arbeitsalltag und eben auch in Krisensituationen. Wenn man körperlich und mental fit ist, kann man Rückschläge - oder eben Krisen - besser überstehen und mit viel mehr Energie an gewisse Dinge herangehen, sei es im Privat- oder Berufsleben."

Wenn man sich im permanenten Spielrhythmus befindet, befindet man sich auch unter permanentem mentalen Druck. Als Fussballerin bin ich das gewohnt. Da dies nun wegfällt, schafft es Zeit und Raum für Dinge, die man sonst im Alltag nicht machen würde.
Viktoria Schnaderbeck