Sonntag 20 September 2020, 06:13

Dorador, ein Vorbild, das schon viel erlebt hat

  • Mit 13 Jahren debütierte sie in der ersten Liga und mit 15 im Nationalteam

  • Mit 17 Jahren wurde sie Mutter, setzte ihre Karriere jedoch fort

  • Sie möchte denjenigen den Weg erleichtern, die ihr folgen

Jedes Mal, wenn ihre Brüder sie um etwas vom Nationalteam oder von Alianza Lima bitten, muss Sandy Dorador lachen. "Jetzt auf einmal! Aber als ich als kleines Mädchen mit ihnen spielen wollte, haben sie mich nicht gelassen", erzählte sie lachend, auch wenn ein Körnchen Wahrheit dran ist.

Seit damals sind 25 Jahre vergangen und die 31-jährige Peruanerin hat mittlerweile sehr viel erlebt. Das hat ihre Persönlichkeit geformt und sie schließlich zu einem Vorbild für den Frauenfussball in ihrem Land werden lassen.

"Ich war sechs Jahre alt und sah, wie sie auf einem Platz oder im Park spielten, und ich merkte, dass es mir gefiel. Ich wollte auch dabei sein und gegen den Ball treten, aber davon wollten sie nichts wissen", erinnert sich die Stürmerin in einem Exklusiv-Interview mit FIFA.com.

"Der Machismo war damals sehr stark und die Frauen wurden generell diskriminiert, nicht nur ich. Inzwischen ist es besser geworden, aber wir müssen immer noch gegen alte Ressentiments kämpfen", fügte Dorador dazu, ein wichtiges Gesicht von #QueremosSerVistas, einer Bewegung, die für die Gleichberechtigung der Frauen kämpft.

Die Diskriminierung, die sie damals erlebte, hat sie jedoch nicht entmutigt, sondern ihren Widerstandsgeist geweckt. "Ich konnte mich auch auf die Unterstützung meiner Mutter verlassen und bin dann einfach in ein anderes Viertel gegangen, wo ich mit meinen Freunden gespielt habe. Ich habe gemerkt, wie sehr mir der Fussball gefällt und dass er mir gut tut."

So sehr, dass man sie bereits mit zehn Jahren einlud, in den Fussballturnieren ihres Viertels mit den Jungs zu spielen. "Einige wollten das nicht, weil ich ein Mädchen bin, aber die Nachbarn haben sich für mich eingesetzt und am Ende durfte ich mitspielen."

ly953oy0srqpwnus4qjp.jpg

Spielerin und junge Mutter

Sie war zwölf Jahre alt, als sie über eine Freundin zu ihrem ersten Verein kam, Universidad Católica. Mit 13 Jahren debütierte sie dann in der ersten Liga. Es war jedoch kein ein perfekter Auftakt zur Karriere. "Man stellte mich auf, weil das Reglement eine Spielerin unter 15 Jahren verlangte. Das war eigentlich nicht so gut."

Sechs Monate später wechselte sie zu JC Sport Girl, "ein Verein, der zu meinem zweiten Zuhause werden sollte. Dort habe ich mich weiter entwickelt, den Meistertitel geholt und schließlich 2009 auch erstmals in der Copa Libertadores gespielt." Mit 13 Jahren wurde ich in die peruanischen Auswahlmannschaften berufen und mit 15 debütierte ich im Nationalteam. Dann kam jedoch alles anders…"

"Der Frauenfussball ist selbst heute noch nicht professionell in unserem Land. Damals waren wir noch sehr viel weiter davon entfernt. Zu Hause waren wir zehn Kinder und um meine Mutter zu unterstützen, habe ich nicht nur Taschen und auch Sandsäcke für die Nachbarn geschleppt, sondern auch Turniere um Geld gespielt", erinnert sie sich.

"Eines Tages gab es ein Finale in einem Schlachthof. Das hat mich so sehr mitgenommen, dass ich mich übergeben musste. Meine Freundin sagte mir, dass das nicht normal war, dass ich einen Arzt aufsuchen sollte. Nun, ich habe weiter gespielt und dann haben wir einen Stier gewonnen. Den haben wir dann verkauft und uns das Geld geteilt", erzählt sie.

Am folgenden Tag kam dann der Schock. "Ich habe erfahren, dass ich im vierten Monat schwanger war. Ich wusste damals von nichts, kannte die Anzeichen nicht. Ich wusste auch nicht, wie meine Familie reagieren würde. Sportlich lief alles hervorragend. Mit meinem Verein hatte ich den Titel geholt, spielte im Nationalteam. Trotz der Angst, die ich hatte, dachte ich nie daran aufzugeben. Und dass ich Ucuiel haben konnte, ist ein Geschenk Gottes."

Der Ball, die Familie, die Gegenwart und die Zukunft

Dorador spielte in den Turnieren um die Copa América in den Jahren 2006 und 2010, aber nicht 2014 und 2018. Einmal, weil sie ihren Mutterpflichten nachkam und das andere Mal wegen einer Arbeit. "Ich hatte bereits zwei Jobs sausen lassen wegen der Auswahl. Dieses Mal habe ich der Familie Vorrang gegeben. Das sagt doch viel über den peruanischen Frauenfussball aus", erläutert sie.

"Hier wollen sie Ergebnisse sehen, wissen jedoch nicht, wie unsere Realität aussieht. Was wir vor dem Training machen, ob wir gut frühstücken, auf Kinder aufpassen müssen, zum Mittagessen kommen … Wir sollten an die Jüngsten denken. Natürlich gibt es viel Konkurrenz, aber das alles läuft nicht professionell ab", überlegt Dorador, die heute Kleidung verkauft.

Aber Sandy, die auch für das Futsal-Nationalteam ihres Landes gespielt hat, ist optimistisch. "Mittlerweile erhalten wir viel mehr Unterstützung vom Verband. Die Panamerika-Spiele 2019, die hier stattfanden, haben uns viele Türen geöffnet, auch wenn die Ergebnisse nicht wie erhofft waren", meint sie.

In fussballerischer Hinsicht gibt es in ihren Augen viel Ermutigendes. "Der Brasilianer Doriva Bueno hat unsere Mentalität geändert. Wir versuchen jetzt nicht nur, gegen die Großen zu verteidigen, sondern wir ziehen auch unser eigenes Spiel auf. Wir arbeiten hart und investieren viel Zeit, aber es bringt etwas für die Zukunft", versichert sie und denkt dabei auch an die Zeit nach COVID-19.

Dorador, die eine Ausbildung macht, um Trainerin zu werden, interessiert sich auch für den Job als Schiedsrichterin. Sie erzählt auch von ihrem Rücktritt vom Sport im Jahr 2019, als sie bei Sporting Cristal spielte. "Mein Sohn bat mich, mehr Zeit für ihn und seinen Vater zu haben. Aber dann kam das Angebot von Alianza Lima, ein Verein, dessen Anhänger wir alle sind. Sie haben mir gesagt, ich solle meinen Traum wahr machen."

Sie belohnte das Vertrauen, das man in sie setzte und war eine der erfolgreichsten Torschützinnen ihres Teams in der letzten Meisterschaft und eines der markanten Gesichter der Blanquiazul im Werbevideo der Frauenmannschaft in den Sozialen Netzwerken.

"Alianza ist einer der Vereine, der am meisten in den Sport investiert. Wir sind zwar noch keine Profis, aber man zahlt uns auch während der Pandemie weiterhin Spesen. Mein Weg hierher war wunderschön, aber auch schwierig und lang. Ich hoffe, dass Geschichten wie meine auch dafür sorgen, dass die Mädchen, die nach mir kommen, es etwas leichter haben."

Dorador über …

ihre Vorbilder: "Im Leben meine Mutter, im Fussball Marta. Ich habe in der ersten Auflage der Copa Libertadores gegen sie gespielt und seitdem bewundere ich sie."

ihre Spielweise als Angreiferin: "Ich habe einen guten Torriecher, bin aber auch kampfstark und versuche, immer für gute Stimmung in meinem Team zu sorgen. Ich hasse es aber auch zu verlieren. Ich bin so eine Art Paolo Guerrero oder Luis Suárez."

unvergessliche Momente: "Eigentlich zwei. Mein Sohn Uciel und ein Tor, das ich als Spielführerin der U-20-Auswahl am 4. Januar 2006, meinem Geburtstag erzielte, mit einem Flugkopfball zum 1:0-Sieg gegen Uruguay."

andere Dinge, die ihr gefallen: "Ich höre gerne Musik, vor allem Salsa, während ich sauber mache oder koche. Man sagt auch, dass ich eine gute Köchin bin und ein leckeres "Seco de Pollo" zubereiten kann."