Mittwoch 18 November 2020, 15:11

PSG gegen OL: Der Klassiker wird ausgeglichener

  • Das Spitzenspiel im französischen Frauenfussball lautet Paris Saint-Germain gegen Olympique Lyon

  • Beide Mannschaften treffen an diesem Freitag zum 54. Mal aufeinander

  • Jessica Houara hat für beide Klubs gespielt und analysiert den Klassiker für FIFA.com

Seit einiger Zeit hat sich das Aufeinandertreffen zwischen Paris Saint-Germain und Olympique Lyon zu dem Klassiker schlechthin im französischen Frauenfussball gemausert. Noch spricht die Bilanz zwischen den beiden alles dominierenden Größen in Frankreich eindeutig für Lyon, aber nicht erst vor dem anstehenden neunten Spieltag der aktuellen Saison muss man festhalten, dass der Abstand kleiner geworden ist, wenn nicht gar eine Wachablösung ansteht.

Denn wenn die Pariserinnen gewinnen, übernehmen sie die Tabellenführung und haben zumindest eine kleine Chance auf ihren ersten Meistertitel. Grund genug für FIFA.com, den Klassiker einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Expertin hierfür ist die ehemalige französische Nationalspielerin Jessica Houara (64 Länderspiele), die für beide Vereine gespielt hat (für PSG von 2009 bis 2016 und für OL von 2016 bis 2018).

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Die Ausgangslage

"In meiner Anfangszeit bei Paris gab es noch keine echte Rivalität, weil PSG schlicht gar nicht die Mittel hatte, um konkurrieren zu können", so Houara gegenüber FIFA.com. "Trotzdem waren es für uns die wichtigsten Spiele der Saison, in denen wir bis an die Schmerzgrenze gehen mussten. Nach und nach etablierten wir uns dann als Zweite in der Meisterschaft und Hauptkonkurrentinnen von Lyon."

Der Wandel in der französischen Hauptstadt setzte Anfang 2012 ein, als bei PSG die Investoren aus Katar einstiegen und auch die Frauenmannschaft professionalisierten. Doch trotz erheblicher Zuwendungen zeigten sich zunächst kaum Ergebnisse. "Meiner Meinung nach hat das an der mangelnden Konstanz bei Paris in den ersten Jahren gelegen", sagt Houara. "Jedes Jahr wurden fünf oder sechs Spielerinnen weggeschickt und wir mussten jedes Mal eine neue Mannschaft aufbauen. Lyon hingegen hat nur punktuelle Anpassungen vorgenommen, statt den ganzen Kader durcheinanderzuwürfeln."

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Planung und Infrastruktur

"Paris hat inzwischen einen sehr guten Kader beisammen, aber Lyon macht trotzdem die bessere Transferpolitik", analysiert Houara weiter. "Man nehme nur mal den Abgang von Lucy Bronze im Sommer. OL hat ihn durch die Verpflichtung von Ellie Carpenter kompensiert… und die ist erst 20, bringt aber alles mit, was Bronze auch hatte. Carpenter kann also sogar noch besser werden! Das zeigt, dass die Kaderplanung bei Lyon sehr gut funktioniert."

In Sachen Infrastruktur sieht die Ex-Nationalspielerin die Vereine hingegen "mehr oder minder gleichauf. Der einzige Unterschied ist, dass in Lyon Frauen und Männer dasselbe Trainingszentrum nutzen und sie alles vor Ort haben. Aber das eigentliche Geheimnis des dauerhaften Erfolgs von OL ist eben der Siegeswille und der außergewöhnliche Erfolgshunger. Da wird jedes Trainingsspiel zum Wettbewerb. Diese Mentalität überträgt sich auf jede Spielerin, die neu dazukommt."

Wachablösung?

Durch das 0:0 in Bordeaux am 13. September weist der Hauptstadtklub zwei Punkte Rückstand auf seine Rivalinnen auf, die es auf acht Siege aus den bisherigen acht Saisonspielen bringen. Seitdem spielt PSG allerdings wie entfesselt und hat sogar die bessere Tordifferenz (+35 gegenüber +26).

"Paris ist in Topform und kann am Freitag etwas reißen", glaubt die Expertin. "Es ist einmal gelungen, der Mannschaft einen Punkt abzutrotzen, aber seitdem spielt sie wie aus einem Guss. Und am Freitag kann PSG Tabellenführer werden. Es heißt jetzt schon seit Jahren, die Stunde der Wachablösung sei gekommen, aber am Ende wurde immer Lyon Meister. Paris hat das Zeug dazu, das in dieser Saison zu ändern. Dazu müssen die Spielerinnen vor allem mental den Schritt machen, fest an sich zu glauben und sich zu sagen, dass sie es schaffen."

Es wird ausgeglichener

"Seit drei Spielzeiten ist bei Paris mehr Konstanz drin, und das macht sich bemerkbar", findet Houara. "Paris gehört zu den wenigen Mannschaften, die OL in einem Spiel gefährlich werden können. Seit letzter Saison wird deutlich, dass der Abstand kleiner wird. Die Spiele sind viel ausgeglichener und enden vielleicht mit 1:0 oder müssen übers Elfmeterschießen entschieden werden. Im Gegensatz zu meiner Zeit stellt sich Paris heute nicht mehr nur hinten rein, sondern macht auch gegen Lyon das Spiel."