Samstag 12 September 2020, 08:06

Martínez überwindet Barrieren und schreibt Geschichte

  • Milagros Martínez ist die erste Trainerin eines Männerteams in Japan

  • Ihr bot sich die Chance nach einer erfolgreichen Karriere im spanischen Frauenfussball

  • In ihrer zweiten Saison bei Suzuki Unlimited holte sie ihren ersten Titel als Trainerin

Zunächst dachte sie daran, ihren Job aufzugeben. Nach einem halben Leben im Frauenfussball in 'ihrer' Fundación Albacete, zunächst als Spielerin, später als Trainerin in der ersten und zweiten Liga und am Ende als Verantwortliche der Akademie, hatte sie das Gefühl, dass man nicht mehr auf sie zählte und das schmerzte sie sehr.

Es tat auch weh, dass das Telefon nicht mehr klingelte. "Nach drei Jahren Trainertätigkeit in der ersten Liga erhielt ich kein einziges Angebot aus Spanien", klagt Milagros Martínez. Dann jedoch wurde sie aktiv, nutzte ihre Vernetzung, begann, ihren Lebenslauf zu verschicken und sich zu bewerben und eines Tages klingelte das Telefon … ein Anruf aus Japan.

"Danach ging alles ganz schnell", erzählt sie lächelnd. Suzuka Unlimited aus der JFL – einer halbprofessionellen Liga im japanischen Männerfussballl – suchte eine Trainerin und Mila musste nicht zweimal darüber nachdenken. "Am Schwierigsten war es, das meiner Mutter zu sagen", erzählt sie und muss dabei lachen. "Ich habe gedacht: 'Das wird ein Drama geben!' Aber jetzt ist sie diejenige, die mir sagt, dass ich nicht mehr zurückkommen soll!"

Nur 13 Tage später saß sie im Flugzeug nach Japan, von wo aus sie nun mit FIFA.com sprach. Gegenwärtig steht sie vor ihrer zweiten Saison als Verantwortliche für das Team und mittlerweile ist sie schon eine Berühmtheit: Als sie im Januar 2019 kam, schrieb sie Geschichte als erste Frau auf der Trainerbank eines Männerteams im Land der aufgehenden Sonne.

"Ich bin nach Tokio gekommen und die Leute blieben stehen, um ein Foto mit mir zu machen. Dann gibt es auch ein kleines Mädchen im Süden Japans, das mir jeden Monat Geschenke schickt. Ich habe sie eines Tages kennen gelernt, als sie zu einem Spiel kam, und sie sagte mir, dass sie eines Tages auch Trainerin werden möchte. Diese Dinge lassen mich meinen Job wirklich schätzen."

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'Lost in Translation', aber glücklich

Natürlich macht die Sprachbarriere das Ganze etwas kompliziert. "Am Anfang im Supermarkt, zum Beispiel. Und dann gibt es immer wieder etwas, das dich sehr überrascht", erzählt sie vergnügt. Daher steht ihr bei ihrer täglichen Arbeit im Verein ein Dolmetscher zur Seite.

Natürlich war es auch in fussballerischer Hinsicht ein Kulturschock. "Als ich am Anfang bei den Jungs in die Umkleide kam, fingen sie an zu lachen oder sie liefen ohne Trikot herum und baten dich um Verzeihung." Es dauerte jedoch nicht lange, bis die Gruppe Vertrauen zu ihr fasste. "Ich fragte sie nach ihrer Familie, nach der Arbeit … Das hat sie doch sehr überrascht. Jeden Tag versuchte ich, mit zwei oder drei Spielern zu reden. Und so habe ich sie allmählich auf meine Seite gebracht."

Auch das Samstagstraining, bei dem es immer irgendein Spiel oder eine Aktivität gibt, um den Teamgeist zu stärken, erwies sich als sehr erfolgreich bei den Spielern. Ein paar von ihnen haben sogar bereits beschlossen, ebenfalls die Ausbildung als Trainer zu machen, nachdem sie Milas Methoden fasziniert haben.

Aus dem Handbuch einer Trainerin

Das Streben nach taktischer Disziplin:

"Technisch sind sie ganz stark. Sie können 20 Minuten lang den Ball kreiseln lassen, ohne dass der Spieler in der Mitte an die Kugel kommt. Aber das auf den Platz zu übertragen, wenn die Bedingungen schwieriger werden, das fällt ihnen schwer. Auch bei der Taktik haben sie große Probleme. Während der Woche lege ich besonderen Wert auf die Taktikschulung, jedoch ohne sie zu überfordern."

Die physische Stärke:

"Manchmal muss ich sie bremsen. Wenn eine Trainingseinheit nach knapp zwei Stunden zu Ende ist, fangen sie noch einmal an zu laufen, weil sie meinen, dass sie noch nicht müde genug sind."

4-4-2 und schnelle Angreifer:

"Am Anfang haben wir versucht, ein 4-3-3-System zu spielen, sind aber dann zum 4-4-2 zurückgekehrt, um mehr die spezifischen Stärken unserer Spieler zu nutzen. Als ich kam, spielten sie sehr direkt, aber jetzt versuchen wir, die Schnelligkeit unserer Spitzen zu nutzen, die wirkliche Geschosse sind, und gleichzeitig mehr Ballkontrolle zu haben."

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Der erste Titelgewinn

COVID-19 hat den Fussballkalender auf der ganzen Welt auf den Kopf gestellt und Japan ist da keine Ausnahme. In dieser Saison haben Mila und ihre Jungs bereits mehr als 100 Trainingseinheiten absolviert, jedoch nur eine Handvoll Spiele. Dennoch gab es bereits Anlass zu großer Freude, denn das Team gewann den Pokal der Präfektur Mie, ein Wettbewerb der zum Emperor's Cup gehört.

Es war der erste Titelgewinn für die Spanierin. "Ich bin wirklich sehr glücklich. Und nach so viel Training ohne Spiele war das wirklich ein tolles Gefühl. Besonders, weil es ein Derby war und wir im letzten Jahr noch gegen den gleichen Gegner im Elfmeterschießen verloren hatten." Am 16. September beginnt die nächste Runde des Wettbewerbs.

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Neue Chancen

Obwohl sie mit ihrer bisherigen Erfahrung bei Suzuka Unlimited sehr zufrieden ist, hofft Mila, auch zu Hause zeigen zu können, wozu sie imstande ist … oder zumindest ein wenig näher an der Heimat. "Das ist Woche für Woche wie ein Masterstudium, man lernt so viel dabei. Aber ja, natürlich würde ich gerne wieder etwas näher an Spanien sein, vielleicht in Europa trainieren und einen anderen Fussball kennen lernen, denn das ist unglaublich bereichernd. Es würde mir zum Beispiel großen Spaß machen, eine Auswahl zu trainieren, auch als Assistenztrainerin …."

Mila fühlt sich als Pionierin, hofft jedoch, dass Fälle wie der ihre bald nicht mehr die Ausnahme sind und dass es für Frauen immer leichter wird, auf höchster Ebene im Fussball Frauen- wie auch Männermannschaften zu trainieren. "Am Ende muss nur eine von uns die Chance bekommen, dafür bereit sein und Erfolg haben. Dann wird alles viel leichter werden." Sie selbst hat eine erste Barriere überwunden und hofft, dass sich neue Gelegenheiten ergeben werden, Geschichte zu schreiben.