Montag 08 Juni 2020, 06:00

Jakabfi: "Man lernt Dinge besser zu schätzen"

  • Zsanett Jakabfi spielt seit 2009 für den VfL Wolfsburg

  • 2007 gab sie ihr Debüt in der ungarischen Frauen-Nationalmannschaft

  • "Ich versuche ein bisschen die deutsche Mentalität weiterzugeben"

Home is where the heart is

Wenn dieser Song von Elvis Presley auf eine Spielerin passt, dann ist es Zsanett Jakabfi. Die gebürtige Ungarin gehört zu den dienstältesten Spielerinnen des VfL Wolfsburg. Erst Anfang des Jahres hat sie ihren Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert und geht damit in ihre zwölfte Saison bei den Wölfinnen.

Gerade einmal 19 Jahre jung war Jakabfi, als es sie 2009 nach Deutschland in die Bundesliga zog. Warum ihr Herz für den VFL schlägt? Darauf gibt es eine klare Antwort: "Es ist die Atmosphäre, die in dieser Mannschaft herrscht", beschreibt sie im Gespräch mit FIFA.com. "Aber auch die Professionalität und der Weg, den wir gemeinsam mit dem Verein gegangen sind – vielleicht nicht mit allen Spielerinnen, aber mit einigen. Das macht diesen Ort für mich sehr besonders und erklärt auch, warum ich so lange hier bin."

Ein Weg, der sich in 13 Titeln widerspiegelt: zwei Triumphe in der UEFA Women's Champions League, fünf Deutsche Meisterschaften und sechs Pokal-Siege. Wenn es nach Jakabfi geht, dürften in dieser Saison drei weitere folgen. Die Wölfinnen sind in allen erwähnten Wettbewerben noch im Rennen und scheinen unbeschadet aus der Corona-Pause gekommen zu sein. Seit dem 29. Mai rollt in der Frauen-Bundesliga wieder der Ball und der VfL macht da weiter, wo er aufgehört hat.

"Wir haben sehr viel Ehrgeiz und klare Ziele. Diese haben wir trotz dieser besonderen Situation nie aus den Augen verloren. Das macht unsere Mannschaft gerade aus", erklärt Ungarns achtmalige Fussballerin des Jahres. "Natürlich kann auf dem Platz nicht alles klappen. Wir haben im seltensten Fall drei Monate Pause, und jedem fehlt natürlich die Spielpraxis. Wir geben unser Bestes, versuchen unser Spiel trotzdem durchzuziehen. Das ist auch der Grund, warum wir diese Spiele souverän gewonnen haben."

Trotz der Siege in der Bundesliga und dem Einzug ins Pokal-Halbfinale ist es diese besondere Situation, die Jakabfi auch nachdenklich stimmt. "Man hatte nicht die Freiheit zu seiner Familie zu fahren. Was ist, wenn etwas passiert? So darf man natürlich nicht denken, aber das war ein bisschen schwierig, ohne die Familie alleine in Wolfsburg in der Quarantäne zu sein", so die Mittelfeldakteurin.

"Die Kunst ist, in jeder schwierigen Situation etwas Positives zu finden. Ich glaube schon, dass es positive Aspekte hatte. Man hat etwas Zeit anzuhalten, sozusagen. Über viele Dinge nachzudenken oder Zeit mit dem Partner zu verbringen. Es sind immer Dinge dabei, die man versucht besser zu machen, wenn man hört, wie viele schreckliche Dinge wirklich in der Welt passieren. Man wird automatisch nachdenklicher und ich glaube auch, dass diese Zeit zu Veränderungen führen wird und man Dinge besser zu schätzen lernt."

Es ist auch ihre Erfahrung, die sie in Deutschland sammeln konnte, die sie zu schätzen weiß und von der die Frauen-Nationalmannschaft ihres Heimatlandes, für die sie 2007 ihr Debüt gab, profitiert. In der FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste der Frauen rangiert das Team derzeit auf Rang 43, belegt in der Qualifikation für die UEFA Frauen-Europameisterschaft Platz 3 in Gruppe F.

"Es hat auf jeden Fall eine Entwicklung stattgefunden. Vielleicht nicht in der Größenordnung, wie wir uns das in Ungarn vorgestellt haben – besonders auch in der Nationalmannschaft", umfasst Jakabfi, in welche Richtung sich der Frauenfussball in Ungarn bewegt. "Es ist in der Liga und der Nationalmannschaft auf jeden Fall viel professioneller geworden. Wir haben jetzt Trainer, die diesen Job hauptberuflich ausüben. Dies sind Schritte, die den Frauenfussball in Ungarn besser machen. Wir haben aber noch einiges vor uns, um an dieses Weltklasseniveau irgendwann anknüpfen zu können."

Die 30-Jährige, die fussballerisch in Deutschland erwachsen wurde, möchte ihren Beitrag leisten, um diesen Prozess voranzutreiben. "Ich versuche das, was ich hier - und ganz besonders beim VfL Wolfsburg – gelernt, miterlebt und mitgenommen habe, in Ungarn weiterzugeben. Ich versuche ein bisschen, die deutsche Mentalität weiterzugeben, um damit auch zu helfen. Es geht um die deutsche Fussballmentalität, um diese Kampfbereitschaft, niemals aufzugeben, diese Robustheit und diesen unbedingten Willen."