Freitag 04 März 2016, 11:50

Gulati: Mehr Frauen in Führungspositionen kommen dem gesamten Sport zugute

Die Förderung des Frauenfussballs zählt zu den Kernmissionen der FIFA, und in den letzten Jahren gab es zweifellos einen Anstieg der weiblichen Teilhabe an diesem schönen Spiel zu verzeichnen. Allerdings gibt es durchaus noch weiteres Entwicklungspotenzial, selbst in Ländern, die auf diesem Gebiet führend sind, wie der amtierende Weltmeister USA.

Vor seiner Teilnahme an der zweiten Auflage der Frauenfussball- und Führungskonferenz der FIFA, die am Montag, 7. März, im Home of FIFA stattfinden wird, nahm sich Sunil Gulati, Präsident des U.S.-amerikanischen Fussballverbands und Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees, Zeit für ein Gespräch mit FIFA.com. Gesprächsthemen waren die Entwicklung im Frauenfussball und die gesellschaftlichen Veränderungen, die erforderlich sind, um ein weiteres Wachstum dieser Sportart auf der ganzen Welt zu ermöglichen.

FIFA.com: Wie groß ist derzeit unter den Führenden des Weltfussballs das Engagement für eine Stärkung der Rolle der Frauen und eine Erhöhung der Anzahl der Frauen in Führungspositionen? Sunil Gulati: Nicht groß genug, aber es zeichnen sich Verbesserungen ab. Diejenigen, die willens sind und verstehen, dass wir dadurch nicht nur die Teilhabe der Frauen, sondern den gesamten Sport verbessern würden, werden kontinuierlich Überzeugungsarbeit leisten und sich beharrlich dafür einsetzen müssen. Das ist das Ziel und die Herausforderung.

Die Tatsache, dass wir noch immer eine Frauenkonferenz und einen bestimmten Tag benötigen, um auf die stärkere Mitwirkung von Frauen zu drängen, besagt ja schon, dass noch viel zu tun bleibt, oder? Ja, ganz genau. Aus gesellschaftlicher Sicht haben wir unsere Ziele erreicht, wenn wir weder bestimmte Ziele oder Zuteilungen noch reservierte Plätze benötigen. Davon sind wir noch weit entfernt, daher müssen wir emsig auf unsere Ziele hinarbeiten. Die Situation ist von Land zu Land verschieden, und in einigen Fällen gibt es sogar Unterschiede innerhalb der Länder. Es wird einige Zeit dauern, doch bei manchen Dingen ist es gut, wenn man geduldig ist.

Wie schneidet der Fussball bezüglich der Rolle der Frauen im Vergleich zur Gesellschaft ab? Ich glaube, der Fussball ist in vieler Hinsicht ein Spiegelbild gesellschaftlicher Probleme. Für mich ist es nicht überraschend, dass skandinavische Länder und die USA unter den Ländern waren, die in der Anfangszeit der Frauen-Weltmeisterschaft gut abgeschnitten haben. Schließlich hatte sich die Rolle der Frau dort vermutlich zwei Jahrzehnte früher geändert als an einigen anderen Orten. Andere holen jetzt auf, da sich die Rolle der Frau sowie deren Mitwirkung und Schwerpunkte im Sport geändert haben. Das gilt besonders für den Fussball. Ich finde, der Fussball ist ein gutes SinnbiId für gesellschaftliche Probleme und das Gute ist, dass wir das Interesse der Gesellschaft darauf fokussieren können. Der Wermutstropfen ist allerdings, dass die Gesellschaft in vielen dieser Bereiche noch einen weiten Weg zurücklegen muss. Daher müssen wir weiterhin daran arbeiten.

Könnte man sagen, dass die USA besonders aus dem Rahmen fallen, da sich der Frauenfussball in Bezug auf seine Beliebtheit und die Leistungen auf dem Platz stärker entwickelt hat als die Männervariante? Der zweite Teil dieser Aussage, bezüglich der Leistungen auf dem Spielfeld, ist sicherlich richtig. Die Frauenauswahl der USA ist Weltmeister, während die Männer niemals auch nur in die Nähe des Titelgewinns gekommen sind. Was die Beliebtheit und Entwicklungsreihenfolge angeht, so gibt es den Männerfussball hier schon viel länger und es sind wesentlich mehr Mittel in den Männerfussball und seine Profiliga geflossen. Der Frauenfussball konnte auf dem Spielfeld große Erfolge verbuchen, angefangen mit dem Sieg bei der ersten Auflage der Frauen-Weltmeisterschaft 1991. Diese Entwicklung wurde in den USA vor allem auch durch ein spezifisches Gesetz beflügelt, das den Mädchen- und Frauensport auf College-Ebene besonders attraktiv gemacht hat. Daraus haben sich große Veränderungen bei der Förderung des Frauensports an Universitäten ergeben, und die Dynamik hat sich ziemlich verändert. Dennoch gibt es den Männerfussball viel länger und die Betonung lag immer darauf.

Aber könnte man sagen, dass der Fussball in den USA kulturell weniger von einem Männerethos geprägt ist als in den meisten anderen Ländern der Welt? Ja, ich glaube, diese Aussage ist richtig. Wenn wir das ganze kulturell betrachten, sind 45 bis 48 Prozent unserer registrierten Spieler und Spielerinnen Mädchen und Frauen. Das ist einzigartig. Als die FIFA ihre weltweite Studie zum Frauenfussball durchführte, untersuchte sie die einzelnen Konföderationen. Kanada und die USA bildeten jedoch eine separate Untergruppe, da die beiden Länder in Bezug auf die Teilhabe von Frauen und Frauen in Führungspositionen eine einzigartige Stellung einnehmen.

Wie viel davon wird von anderen Ländern und Konföderationen übernommen? Das wird seine Zeit brauchen. Dazu müssen die Personen, die jetzt im Amt sind, eine Führungsrolle übernehmen, und außerdem wird ein kontinuierliches Nachfassen der Führenden der Frauenfussball-Bewegung erforderlich sein. Einige Dinge, die die FIFA unternimmt, werden in diesem Bereich sicherlich hilfreich sein, doch letztendlich sind viele Investitionen erforderlich, und zwar nicht nur in die Nationalteams, sondern vor allem auch an der Basis. Mit Mitwirkung und Chancen fängt alles an. Dies geschieht an einigen Orten viel schneller als an anderen, doch der Weg ist noch weit.

Der Grundpfeiler des Ganzen sollte also nicht unbedingt nur Erfolg auf der Weltbühne sein, sondern die Entwicklung an der Basis? Wenn man erfolgreich ist und es sichtbare Veranstaltungen, sichtbare Erfolge des Frauenprogramms gibt, dann entstehen auch mehr Vorbilder für junge Spielerinnen. Doch es muss Wege für sie geben, dabei zu sein und mitzuspielen. Tatsächlich wird die Förderung der Basis zu einigen dieser Dinge führen, doch beide Bereiche können Hand in Hand gehen. Die Frauen-WM ist ein gutes Beispiel. Als die Frauen-Weltmeisterschaft in den USA stattfand, bewog das Turnier viele junge Mädchen dazu, selbst Fussball zu spielen. Aber sie hatten auch die Möglichkeiten dazu. Es gab einen Mechanismus, ein Medium, und plötzlich waren noch mehr Spielerinnen dabei. Beide Ebenen arbeiten also Hand in Hand.