Donnerstag 25 März 2021, 02:18

Gao: "Ich will den jungen Spielerinnen vermitteln, dass Fussball Spaß macht"

  • Gao Hong glänzte bei zwei FIFA Frauen-Weltmeisterschaften im Tor der VR China

  • Sie kehrte 2014 als Trainerin zur FIFA U-17-Frauen-WM zurück

  • "Fussball mit Spaß" ist das Motto der Nachwuchsbeauftragten

Unter Druck fühlen sich viele Menschen unwohl. Gao Hong hingegen empfand und empfindet Druck als positiv. Optimismus war während ihrer gesamten Karriere ein Markenzeichen der früheren Nationaltorhüterin der VR China. Besonders deutlich wurde dies bei ihrer ersten WM-Teilnahme 1995 in Schweden.

Gao wurde erst in letzter Minute in den Kader aufgenommen. Die Chinesinnen fuhren mit großen Ambitionen zur zweiten Auflage des Turniers. Die damals 27-Jährige fuhr als Reserve für die Stammtorhüterin Zhong Honglian nach Schweden. Sie spielte zu jener Zeit für den japanischen Klub Takalasuka.

Beim beeindruckenden 3:3 zum Auftakt gegen den Titelverteidiger USA musste sich Gao mit einem Platz auf der Bank begnügen. Auch beim folgenden 4:2-Sieg gegen Australien saß sie auf der Bank. Da die Chinesinnen mit diesen Resultaten bereits die nächste Runde erreicht hatten, konnte Trainer Ma Yuanan es sich leisten, Zhong im letzten Spiel gegen Dänemark zu schonen und stattdessen Gao zwischen die Pfosten zu stellen.

Gao nutzte ihre Chance und zeigte beim 3:1-Sieg zum Abschluss der Gruppenphase eine nahezu fehlerfreie Leistung. Sie beeindruckte den Trainer so sehr, dass sie auch im Viertelfinale gegen Schweden wieder in der Startaufstellung stand.

"Ich war eigentlich schon im Herbst meiner Karriere - und plötzlich stand ich beim WM-Spiel gegen Schweden in der Startformation", erinnert sich Gao im Gespräch mit FIFA.com. "Ich war fest entschlossen, mein Bestes zu geben und das Spiel von der ersten bis zur letzten Minute zu genießen."

Und genau das tat sie. Gao zeigte erneut starke Leistungen und hielt ihr Team mit einigen Paraden im Spiel. Am Ende stand es 1:1 und die Entscheidung musste im Elfmeterschießen fallen. Gao glänzte auch hier und parierte die Schüsse von Malin Andersson und Annika Nessvold. Damit stand die VR China im Halbfinale und Gastgeber Schweden war draußen - eine gelungene Revanche für die 0:1-Niederlage gegen die Skandinavierinnen in der gleichen Runde der ersten Turnierauflage vier Jahre zuvor in der VR China.

"Ich habe mich während der regulären Spielzeit und auch in der Verlängerung sehr gut gefühlt. Das blieb auch im Elfmeterschießen so. Ich war eigentlich keine ausgesprochene Elfmeterspezialistin. Ich habe mich voll und ganz auf die Schüsse konzentriert und versucht, so viele wie möglich zu halten."

Eigentlich hatte sie vor dem Turnier bereits das Ende ihrer Karriere vor Augen gehabt, doch nun hatte sie sich als neue Stammtorhüterin etabliert. Ihre Karriere kam also erst so richtig in Fahrt, als eigentlich schon das Ende geplant war. Gao spielte eine Schlüsselrolle, als die VR China beim Olympischen Fussballturnier der Frauen von Atlanta 1996 die Silbermedaille holte, ebenso wie beim neuerlichen zweiten Platz bei der unvergesslichen FIFA Frauen-WM 1999 in den USA.

Im Jahr 2000 wechselte Gao in die Vereinigten Staaten und schloss sich dem Team von New York Power an. Hier brachte sie es in der ersten Saison auf 87 gehaltene Bälle und eine Quote von nur 1,11 Gegentoren pro Spiel. In dieser Zeit erweiterte sie ihre Perspektiven enorm.

"Ich hatte zwei sehr angenehme Saisons bei New York Power", erinnert sie sich. "Das Team bestand aus Spielerinnen aus aller Welt. Wir sprachen viele verschiedene Sprachen, doch der Fussball vereinte uns alle. Das Niveau in der WUSA war sehr hoch und das Tempo sehr schnell. Ich habe die Spiele sehr genossen und große Fortschritte gemacht. Das Leben in den USA war fussballerisch und darüber hinaus eine echte Offenbarung."

Rückkehr zum Fussball

2003 hängte Gao ihre Stiefel dann an den Nagel und verbrachte anschließend einige ruhige Jahre in Kanada. Ihre Liebe zum Fussball kühlte allerdings nie ab. 2009 kündigte sie dann ihre Rückkehr als Trainerin an. Sie belegte den Studiengang Sportwissenschaften an der Universität von Worcester in England und schloss ihn mit einem Master-Abschluss ab. Sie bereiste zahlreiche europäische Länder und besuchte Klubs und Verbände in England, Deutschland und Schweden. Hier traf sie mit zahlreichen führenden Trainerinnen zusammen.

"Ich sprach mit vielen bekannten Trainerinnen, darunter die frühere deutsche Nationaltrainerin Tina Theune, die Schwedin Marika Domanski und Mo Marley vom englischen Fussballverband. Ich verdanke ihnen allen sehr viel, denn sie haben mir großzügig Hilfe und Unterstützung gewährt. Ihr Charisma und ihre Professionalität sowie ihre Leidenschaft haben mich sehr beeindruckt und auf dem Weg zu meiner eigenen Karriere als Trainerin sehr inspiriert", so Gao.

Dank ihrer beeindruckenden Fortschritte als Trainerin wurde Gao für die FIFA U-17-Frauen-WM Costa Rica 2014 als Trainerin ausgewählt.

"Es war ein sehr schönes Erlebnis, wieder bei einem FIFA-Turnier dabei zu sein. Zuvor war ich als Spielerin bei WM-Turnieren dabei gewesen. Dieses Mal nun war ich Trainerin. Als die FIFA-Hymne erklang, war ich ganz aufgeregt. Es fühlte sich an, als wäre ich wieder zurück in den alten Zeiten, wie damals als Spielerin."

Gao arbeitete auch nach dem Turnier weiter im Nachwuchsbereich und wurde im vergangenen Jahr Lektorin im Nachwuchsprogramm 'Chasing Wind', das Nachwuchstrainer und junge Spielerinnen unterstützt.

"Ich will den jungen Spielerinnen vermitteln, dass Fussball Spaß macht. Das ist mein zentraler Ansatz. Jedes Kind ist einzigartig. Wir sollten die Unterschiede respektieren und sie je nach ihren Interessen und Stärken ausbilden. Wir müssen jedem Kind eine Chance geben und sie alle inspirieren. Training und Spiele können körperlich hart und fordernd sein, doch mental werden sie Spaß dabei haben."

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Tränen der Freude

Gao hat in all den Jahren auf und abseits des Feldes stets eine furchtlose und selbstbewusste Figur abgegeben. "Spaß am Fussball" ist sozusagen ihr Lebensmotto. Doch natürlich gab es auch bei ihr eher enttäuschende und traurige Momente - insbesondere der verpasste Weltmeistertitel 1999 in den USA.

Auch hier war Gao wieder beim Elfmeterschießen beteiligt - dem wohl unvergesslichsten in der Geschichte des Frauenfussballs. Dieses Mal allerdings gehörte sie zu den Verliererinnen, nachdem Brandi Chastain den alles entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte.

"Meine Erinnerung an dieses Elfmeterschießen ist eher vage und undeutlich", sagt sie. "Das war kein schönes Gefühl. US-Trainer Tony DiCicco hat mich nach dem Elfmeterschießen kurz umarmt und getröstet. Das ist eigentlich das einzige, woran ich mich wirklich erinnern kann.

Rückblickend habe ich auf jeden Fall von der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft profitiert. Wegen der FIFA Frauen-WM hat sich der Frauenfussball in vielen Ländern enorm entwickelt. In meinem Land hat der Frauenfussball unzähligen Frauen neue Chancen verschafft und neue Wege eröffnet, mich selbst eingeschlossen. Wir konnten unsere Träume verwirklichen, unser Talent zeigen und unseren Charakter in den Spielen unter Beweis stellen.

Bevor ich Fussball spielte, war ich Arbeiterin in einer Textilfabrik und spielte Basketball für ein Team vor Ort. Dank des Fussballs wurde ich von einer Amateurin zu einer Spielerin, die ihr Land auf der Weltbühne vertreten konnte. Ich bin dem Fussball sehr dankbar und stolz auf meinen Status als Fussballerin."

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