Dienstag 16 Februar 2021, 21:42

Fussball und Musik: Eine perfekte Symbiose

  • Andrea Götsch ist die erste Klarinettistin im weltberühmten Ensemble der Wiener Philharmoniker

  • Als Verteidigerin hält sie beim Wiener Sport-Club gegnerische Angreiferinnen in Schach

  • "Ich kann total vom Fussball profitieren"

Schnell, kraftvoll, spannend und abwechslungsreich. So könnte man ein Fussball kurz und knapp in wenigen Worten zusammenfassen. Doch wie würde es klingen, wenn es von einem Orchester musikalisch untermalt werden würde? Ein Fussballspiel als Sinfonie?

"Es ist ja zum Glück kein Spiel wie das andere, und es gibt alle möglichen Varianten. Das könnte man jetzt nicht auf eine Sinfonie beschränken", erzählt Andrea Götsch schmunzelnd in Interview mit FIFA.com. "Was macht ein Fussballspiel spannend? Wenn es ausgeglichen ist, manchmal in diese Richtung und manchmal in die andere tendiert. Es kommt von allem etwas vor, und ich würde es so bunt wie möglich gestalten. Es soll nicht einseitig sein und eine gewisse Entwicklung haben. Welche Instrumente? Es gehört auf jeden Fall viel Kraft dazu, deshalb würde ich viele Blechblasinstrumente einsetzen. Holzblasinstrumente ebenso. Vielleicht auch virtuose Passagen, um Geschwindigkeit und Schnelligkeit zu demonstrieren, die in einem Match vorkommt. Auch Schlaginstrumente, um den Spielrhythmus widerzuspiegeln. Die Idee gefällt mir“, führt sie lachend weiter aus.

Götsch ist die erste Klarinettistin im weltberühmten Ensemble der Wiener Philharmoniker und komponiert selbst. Gleichzeitig sorgt sie in der Abwehr des österreichischen Zweitligisten Wiener Sport-Club für Stabilität. "Der Fussball kam noch vor der Klarinette in mein Leben. Ich habe mit sieben Jahren angefangen Fussball zu spielen, höchstwahrscheinlich auch früher. Mein Bruder hat Fussball gespielt und ich gemeinsam mit ihm gekickt. Mit sieben habe ich dann im Verein angefangen."

Fussball und Musik? Eine perfekte Symbiose für Götsch. Das regelmäßige Training stärkt ihr Lungenvolumen, gibt ihr Kraft und verbessert ihre Atmung. "Ich glaube, dass ich beim Fussball sehr viele Fähigkeiten erlerne und diese beim Klarinette spielen heranziehen kann. Zum Beispiel einen guten Überblick zu haben, schnell zu reagieren oder agieren, das Zusammenspiel und generell Geschwindigkeit, Schnelligkeit und Vorausblick. Dinge, die mir in der Musik helfen", beschreibt die 1994 in Bozen/Südtirol geborene Klarinettistin

"Vielleicht schaffe ich es beim Fussball manchmal leichter - als in der Musik - wirklich komplett abzuschalten und einfach im Moment fokussiert zu sein. Nur auf das Spiel, den Ball, die Mannschaft, den Gegner, uns und die körperliche Aktivität. Es gelingt mir manchmal auch in einem Konzert an nichts anderes mehr zu denken und zu 100 Prozent in der Musik zu sein. Aber ich sitze halt in der Regel auf meinem Platz und kann mich kaum oder nur sehr beschränkt bewegen. Diese frische Luft, dieses komplette Auspowern gibt mir extrem viel. Auf der einen Seite ist es dem Konzerterlebnis sehr ähnlich, auf der anderen Seite ein kompletter Gegenpol - wo ich mal so richtig loslassen und etwas abbauen kann."

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Wie wichtig dieser Ausgleich ist, wurde der sympathischen Südtirolerin bewusst, als der Fussball aufgrund ihrer Verpflichtungen und vermehrter Konzertangebote in den Hintergrund rückte. Nach ihrem Umzug in die Hauptstadt Österreichs spielte sie kaum noch - bis sie von den Wiener Philharmoniker eingeladen wurde, in deren Fussballmannschaft mitzuspielen und gegen andere Orchester anzutreten. Götsch avancierte dabei zur ersten Frau im Team.

"Ich habe gemerkt, dass mir der Fussball gefehlt hat – auch in der Musik. Es hat mir gezeigt, dass ich das Erlebnis mit einer Mannschaft ein richtiges Spiel auszutragen, unbedingt wieder intensiver machen muss. Es gibt mir so viel, dass ich damit nicht aufhören kann. Eine Freundin aus der Schulzeit war beim Wiener Sport-Club und hat mich sozusagen zu diesem Verein gebracht. Es hat von Anfang an sehr gut funktioniert. Natürlich ist es - gerade auch mit der Arbeit - sehr schwierig, da die Termine meistens abends oder am Wochenende sind. Ich versuche so oft wie möglich zum Training gehen zu können, aber manchmal gibt es Wochen, da klappt es vielleicht ein, zweimal oder eben auch gar nicht. Ich bin sehr glücklich, dass der Trainer dies akzeptiert und die Mitspielerinnen es verstehen.“

Und wer weiß, vielleicht werden wir irgendwann der Fussballsinfonie von Andrea Götsch lauschen, die Augen schließen und dabei an ein ganz besonderes Spiel denken...

Pictures courtesy of Wiener Sport-Club (Fotograf Christian Hetterich), Andrea Götsch & © Siwoung Song

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