Sonntag 13 September 2020, 08:29

Fussball als Mittel zur Stärkung von Frauen

  • All Ladies League nun mit eigener Abteilung für Sport

  • Der Fussball spielt von Anfang an eine entscheidende Rolle

  • FIFA.com sprach mit der Argentinierin, die das Projekt leitet

Als man Carolina García vorschlug, die Abteilung Sport bei der All Ladies League zu übernehmen, einer internationalen Kammer, der mehr als 1.500.000 Frauen in 150 Ländern angehören, zögerte sie keine Sekunde, diese Einladung anzunehmen.

Bei dem Ziel, Frauen auf allen Ebenen zu stärken, wusste García genau, wo man den Hebel ansetzen muss. "Der Fussball sorgt für die größte Aufmerksamkeit", erzählt die 56-jährige Argentinierin mit einem breiten Lächeln gegenüber FIFA.com.

In der öffentlichen Verkündung vom 4. August beschrieb ALL Carolina García als "inspirierende und motivierende Frau, die sich seit mehr als 8 Jahren für alle Frauen auf dem Platz und auch abseits davon einsetzt. Sie ist ein Vorbild in Argentinien und wird auch weltweit immer wieder um Rat und ihre Meinung gefragt."

García will sich indes nicht lang mit solchem Lob aufhalten und wechselt schnell das Thema und wird konkreter: "Die Kammer hatte bereits früher Abteilungen ins Leben gerufen, die sich mit dem Sport im Allgemeinen befassen, jedoch nicht mit einer bestimmten Sportart. Das ist bislang weltweit einzigartig."

Und sie fährt fort. "Ich arbeite schon ein knappes Jahrzehnt daran, den Frauenfussball besser zu positionieren. Die Möglichkeit ist für mich also ideal, um das Eis zu brechen. Ich werde mich auch mit anderen Sportarten wie Rugby, Feldhockey, Tennis und Basketball befassen, aber die Probleme des Frauenfussballs kenne ich gut und da habe ich entsprechende Kontakte. Ich habe also nicht lange überlegen müssen."

Um die Abteilung nun mit Leben zu füllen, arbeitet García eng mit einer anderen Argentinierin zusammen, Lina Anllo, einer auf Compliance spezialisierten Anwältin, die das World Economic Forum führt, ein ebenfalls von ALL in Argentinien ins Leben gerufenes Forum.

Sie haben beide eine Tagesordnung erarbeitet, die nun jedoch aufgrund der Pandemie zunächst auf virtuelle Vorträge beschränkt ist. "Wir beabsichtigen jedoch auch, in der Praxis tätig zu werden, Workshops und Präsenzveranstaltungen zu organisieren, sobald es die Situation erlaubt", erklärt sie.

Die Teilnehmerinnen können sich registrieren lassen, um die Gesprächsrunden kostenlos zu verfolgen. Sie können sogar Fragen stellen, die, sofern sie nicht live beantwortet werden, "uns zeigen, welche Themen wir noch detaillierter behandeln sollten."

Beim Debüt konzentrierte man sich auf die Herausforderungen einer Trainerin im Fussball. Dabei wurden Themen behandelt wie die mangelnden Chancen, die Gehaltsunterschiede zu Männern und auch geschlechtsspezifische Fragen wie die Arbeit mit Spielerinnen während deren Menstruationszyklus.

"Im vergangenen Jahr habe ich an einem Kongress mit Trainerinnen teilgenommen und nicht glauben können, was ich hörte: Von insgesamt 150 Trainerinnen hatten nur acht einen Job. Heute sind es zwar 200, aber das Problem besteht nach wie vor", bekräftigt sie.

García nutzt die Gelegenheit, um das Konzept hinter ihrer Arbeit zu vertiefen. "Man hätte vielleicht ein spektakuläreres Thema wählen können, aber ein Teil der Idee von ALL ist es ja auch, den Frauen, die man am wenigsten hört, eine Stimme zu geben, seien sie nun auf dem Platz präsent oder abseits davon."

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"Dieses Panel", erklärt García, "war absoluter hochklassig besetzt. Teilnehmerinnen waren die Ecuadorianerin Vanessa Arauz, im Guinness-Buch der Rekorde als jüngste Trainerin bei einer FIFA-WM geführt, die Spanierin Patricia Campos, sportliche Leiterin, aber auch beteiligt an verschiedenen Projekten in Afrika, wo sie den Fussball als Instrument zur sozialen Integration einsetzt, und Roxana Vallejos, die in Argentinien das Frauenteam von Rosario Central trainiert."

Der Fussball stand auch im Mittelpunkt der folgenden Gesprächsrunden, erzählt García, eine Frau, die sich gerade erst von ihrem Brustkrebs erholt hat und Teil der Arbeitsgruppe der FIFA bei der FIFA U-17 Frauen-Weltmeisterschaft Costa Rica 2014 war.

"Ein Thema waren die Frauen, die Männermannschaften trainieren, und die Frage, ob das einen Paradigmenwechsel bedeutet. Zu den eingeladenen Gästen gehörten Silvana Villalobos, die einzige Argentinierin, die eine Männermannschaft trainiert, und die Paraguayerin Epifanía Benítez, die alle Frauen-Auswahlmannschaften ihres Landes trainiert."

Thema war auch eine "aktuelle Frage in Argentinien wie die zu befolgenden Protokolle im Fall von geschlechtsbezogener Gewalt, was schon bei einigen Vereinen der AFA berücksichtigt wird", erläutert García. Sie ist großer Fan von Boca Junior und rebellierte damit gegen ihre Eltern: Ihr Vater ist Anhänger von Racing Club und ihre Mutter unterstützt River Plate.

Getreu der Philosophie "Frauen erklären es Frauen" nahmen an der Gesprächsrunde über Frauen in Führungspositionen auch zwei hochrangige Vertreterinnen teil, nämlich Patricia Rodríguez, die erste Frau im spanischen Fussball die einem Liga-Verein vorstand (Elche), und die Paraguayerin Monserrat Jiménez, Leiterin der Rechtsabteilung und stellvertretende Generalsekretärin der CONMEBOL.

García erklärt, dass gegenwärtig die Gesprächsrunden nur auf Spanisch stattfinden, dass man jedoch beabsichtigt, das Ganze demnächst auch live zu dolmetschen. "Damit können wir das Spiel noch offener gestalten", merkt sie an und verwendet eine gebräuchliche Metapher aus dem Fussball.

"Mir gefällt auch die Wendung 'den Ball weiterspielen', denn, wenn wir einmal ein Thema aufgegriffen haben, müssen auch andere Protagonistinnen es aufnehmen und erweitern", betont sie.

García selbst hatte auch #NivelarLaCancha erfunden, was mittlerweile eine Auszeichnung ist, die das WEF Argentina im Dezember dieses Jahres vergibt. "Ich sage eigentlich immer das Gleiche: Dieses Kapitel ist ein erster Beginn, aber die Geschichte schreiben schließlich wir alle".

Hätten Sie's gewusst?

  • Die FIFA hat ein Programm ins Leben gerufen, um die Mitgliedsverbände dabei zu unterstützten, den Frauenfussball weiterzuentwickeln

  • Die FIFA hat ein Handbuch für Führungskräfte im Frauenfussball aufgelegt, das sich an die Verbände richtet, um Frauen zu fördern und zu deren Professionalisierung beizutragen.