Dienstag 07 Februar 2017, 13:06

Fay: "Es tut gut, die bequemen Pfade zu verlassen"

Carli Lloyd, Christine Sinclair und Homare Sawa gehören zu den Ausnahmespielerinnen, die die überaus beeindruckende Marke von 200 Länderspielen geknackt haben. Schottlands Nationaltorhüterin Gemma Fay hat gute Chancen, sich selbst noch in diesem Jahr ebenfalls in diese exklusive Liste einzutragen. Seit ihrem Debüt in der schottischen A-Nationalmannschaft im zarten Alter von 16 Jahren hat die Rekordnationalspielerin es bereits auf 196 Einsätze gebracht. Und in diesem Jahr sind die Schottinnen erstmals auch bei der UEFA EURO der Frauen vertreten.

"Ich bin ganz besonders stolz darauf, dass ich miterleben kann, wie sich viele der jungen Talente zu tollen Spielerinnen entwickeln, wie sie im Laufe der Jahre ihr Potenzial abrufen. Außerdem bin ich stolz darauf, dass unsere Nationalmannschaft jetzt endlich die Anerkennung bekommt, die ihr meiner Meinung nach für die fantastische Entwicklung gebührt", so Fay gegenüber FIFA.com mit Blick auf ihre lange internationale Karriere.

"Aber eigentlich denke ich nicht sonderlich viel an mein 200. Länderspiel sondern versuche, mich voll und ganz auf mein 197. zu konzentrieren. Im schottischen Kader herrscht eine enorme Konkurrenz. Ob man erst ein einziges oder schon 196 Länderspiele auf dem Buckel hat, spielt da gar keine Rolle. Ich konzentriere mich einzig auf das nächste Spiel und darauf, dass mein Name weiterhin auf der Liste steht."

Veränderungen Fay ist fokussiert, leidenschaftlich und ehrgeizig und daher ist es auch kein Wunder, dass sie mittlerweile kurz vor ihrem 200. Länderspiel steht. Ihr erstes Länderspiel in der schottischen A-Nationalmannschaft bestritt sie bereits 1998. Es war ein Qualifikationsspiel für die FIFA Frauen-WM 1999 gegen die Tschechische Republik. Damals besuchte sie noch die High School.

"Am Sonntag feierte ich mein Debüt für Schottland und am Montag musste ich schon wieder die Schulbank drücken!", erinnert sich die in Perth geborene Torhüterin nicht ohne ein bisschen Wehmut an die damalige Zeit. "Ich weiß noch, dass meine ganze Familie auf der Tribüne war und dass ich ungeheuer stolz war, als unsere Nationalhymne gespielt wurde. Es war einfach fantastisch. Hätte ich damals schon erahnt, welche Möglichkeiten mir dieser Tag für meine Zukunft und mein ganzes Leben eröffnete, wäre ich wohl ziemlich überwältigt gewesen."

Mittlerweile ist Fay 35 und verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz. In ihren 19 Jahren zwischen den Pfosten hat sie die enorme Veränderung des Frauenfussballs in Schottland und auf der ganzen Welt hautnah miterlebt.

"Hätte jemand vor 20 Jahren davon gesprochen, dass wir eines Tages Vollzeit-Profispielerinnen haben würden, dann hätte ich wohl ebenso wie viele andere darüber gelacht. Doch mittlerweile ist das die Realität. Man kann tatsächlich als Fussballerin Karriere machen. Genau so soll es ja auch sein. Frauen werden mittlerweile als Fussballerinnen und grundsätzlich als Sportlerinnen ernst genommen.

In Schottland hat sich das Ansehen des Frauenfussball grundlegend gewandelt. Früher war das ein reiner Amateursport. Heute hingegen ist alles professionell und alle Klubs in der höchsten Liga des Landes trainieren und spielen auf professionellem Niveau. Es hat zwar 20 Jahre gedauert, bis es so weit war, und es liegt noch ein weiter Weg vor uns, keine Frage, aber die Einstellung gegenüber dem Frauenfussball insgesamt hat sich enorm verändert."

Debüt auch in anderen Rollen Fay ist zwar in erster Linie wegen ihres Könnens auf dem Rasen berühmt, doch 2013 demonstrierte sie im britischen TV-Drama Rubenesque auch ihr schauspielerisches Talent. Obgleich sie über keinerlei Erfahrung als Schauspielerin verfügte, spielte sie in der TV-Produktion an der Seite erfahrener britischer Akteure eine Hauptrolle.

"Das hat großen Spaß gemacht, obwohl es etwas für mich völlig Fremdes war", so die frühere Torhüterin der Celtic Ladies. "Fussball spiele ich ja nun schon seit über 20 Jahren, da weiß ich genau, was ich zu tun habe. Aber hier musste ich etwas völlig anderes machen, und das auch noch inmitten sehr talentierter Schauspielerinnen und Schauspieler, die das ihr ganzes Leben lang gemacht hatten. Das war schon sehr nervenaufreibend. Doch ich denke es ist eine gute Sache, die bequemen, ausgetretenen Pfade zu verlassen."

Nach ihrem Debüt als Schauspielerin vor vier Jahren wird Fay nun im Juli 2017 erneut eine Premiere feiern, nämlich ihre erste Teilnahme an einem großen internationalen Turnier. Nach mehreren nur um Haaresbreite, nämlich erst in der Playoff-Runde verpassten Qualifikationen haben die Schottinnen es endlich geschafft und feiern bei der diesjährigen Europameisterschaft in den Niederlanden ihr Debüt bei einem großen Turnier.

"Wir haben immer wieder darüber gesprochen, dass wir oft nur ganz knapp gescheitert sind und dass wir eine andere Mentalität brauchen. Das ist nicht das Wesen des schottischen Fussballs", so Fay. "In einem Qualifikationsturnier waren wir im Playoff wegen der Auswärtstore gescheitert, in einem anderen wegen eines Gegentreffers in der letzten Minute der Verlängerung. Jetzt haben wir es endlich geschafft und wollen ein deutliches Zeichen unserer Fortschritte setzen."

"Die Qualifikation für die EURO 2017 ist eine große Sache, doch nun konzentrieren wir uns auf ein noch größeres Ziel nämlich das Turnier selbst. Wir waren noch nie in dieser Situation, doch wir sind überzeugt, dass dies der Beginn einer tollen Entwicklung für den schottischen Fussball ist, wenn wir uns an unsere Ziele halten und als Mannschaft gut arbeiten."

Im ersten EM-Spiel trifft das Team von Trainerin Anna Signeul im Juli 2017 in den Niederlanden ausgerechnet auf den Erzrivalen England. Das verleiht dem Turnierdebüt der Schottinnen eine besondere Würze. "Einen besseren Auftakt zu unserer ersten Europameisterschaft als ein Duell mit unserem 'Auld Enemy' England hätten wir uns gar nicht wünschen können", so Fay mit einem Lächeln. "Das sorgt ganz bestimmt für den besonderen Kick. Wir alle freuen uns sehr auf dieses Spiel."