Freitag 01 Juli 2016, 08:12

Schottland rückt Futsal in den Fokus

Da Schottland in diesem Sommer erneut bei einem großen internationalen Turnier durch Abwesenheit glänzt, stellt der Verband wieder einmal kritische Selbstbeobachtungen an.

Die UEFA EURO 2016 ist das neunte Turnier in Folge, in dessen Qualifikation Schottland gescheitert ist. Da dieses Mal allerdings Mannschaften wie Albanien und Island und zudem die anderen vier britischen und irischen "Heimatnationen" des Fussball allesamt dabei sind, ist das Zuschauen für die Schotten noch schmerzhafter als zuvor. Bislang gab es nach jeder Pleite kritische Selbstanalysen zuhauf – doch bis vor kurzem wurde eine recht offensichtliche Maßnahme zur Verbesserung der Situation konsequent übersehen.

Dabei sind die Referenzen des Futsal mehr als überzeugend. Schon ein kurzer Blick auf die lange Liste der Topstars, die im Futsal ihren technischen Feinschliff entwickelten, reicht aus. Douglas Costa, Max Meyer, Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Xavi und Neymar sind dabei nur die bekanntesten. "Ohne Futsal wäre ich nicht der Spieler, der ich heute bin", hat Ronaldo mehr als einmal bestätigt.

In einem Land mit derart unbeständigem Wetter und einer derart großen Fussballbegeisterung, in der zudem das Spiel in Fünferteams enorm populär ist, sollte sich die Hallenvariante des schönsten aller Spiele doch eigentlich großer Beliebtheit erfreuen.

Alte Strukturen erneuern Doch nach Ansicht des ersten schottischen Futsal-Nationaltrainers ist es genau diese bereits etablierte Spielkultur mit Fünfer-Teams, die dem Futsal bislang ein Schattendasein beschert. So meinte Mark Potter gegenüber FIFA.com: "Ich würde ja gern eine komplexere Antwort auf die Frage geben, warum der Futsal bislang noch nicht in Fahrt gekommen ist, aber letztlich liegt es daran, dass in unserem Land das Spiel mit Fünfer-Teams im Freien traditionell so etabliert ist. Natürlich begrüßt der nationale Verband grundsätzlich jede Form des Fussballs, aber ich persönlich finde, dass Fünfer-Fussball und Futsal nicht unbedingt miteinander kompatibel sind. Viele Jungs sind vollauf damit zufrieden, mit ein paar Kumpels ein Spiel mit Fünfer-Teams zu bestreiten und dann wieder nach Hause zu gehen. Wir hätten viel lieber, dass sich diese Leute in einer regulären Futsal-Liga engagieren."

"Auch das Verständnis für das Spiel muss verbessert werden. Viel zu viele Leute meinen doch, beim Futsal gehe es in erster Linie um Ballakrobatik und zirkusreife Tricks. Die ganze Taktik, die dem Futsal auf Topniveau zugrunde liegt, wird viel zu oft übersehen. Im Profifussball ist derzeit hohes Pressing sehr in Mode. Das kommt aus dem Futsal. Und auch die spanische Mittelfeldraute und die Art und Weise, den Ball zirkulieren zu lasen. Auch das ist Futsal in Reinkultur."

"Neben diesem Mangel an Spielverständnis und Engagement war und ist das größte Problem immer noch das Fehlen geeigneten Spielstätten. Prinzipiell sind zwar genügend Anlagen vorhanden, doch viele Sportzentren wollen nicht in richtige Futsal-Tore investieren oder die entsprechenden Linien auf den Spielfeldern anbringen und so weiter."

"Jetzt aber beginnt der schottische Fussballverband endlich, dem Futsal etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Eine Ligastruktur gibt es zwar schon seit rund 15 Jahren, doch erst in den vergangenen Jahren hat hier mit der Unterstützung des Verbandes eine dramatische Entwicklung eingesetzt. Noch vor zwei Jahren hatten wir nur rund 160 Spieler. Jetzt sind es knapp 750 und wir hoffen, in den kommenden 18 Monaten die Marke von 1.000 Aktiven zu knacken. Es geht jedenfalls deutlich voran."

Wichtige Fussball-Schule Auch die jüngste Umstrukturierung des Futsal innerhalb des schottischen Fussballverbandes aus der Abteilung für Entwicklung in die Abteilung für Leistungssport stellt einen enormen Schritt dar. Leiter der Abteilung für Leistungssport ist der ehemalige schottische Nationalstürmer Brian McClair, der für Manchester United spielte. Er hat sich bereits häufig sehr positiv über die Vorteile des Futsal geäußert. "Futsal hilft den Spielern, ihre individuelle Technik und ihre taktischen Kenntnisse zu verbessern", so McClair. "Das kann nur positiv sein. Die Spieler haben viel mehr Ballkontakte und sind im Angriff ebenso wie in der Abwehr ständig in Eins-gegen-eins-Situationen gefordert."

Das alles ist Potter natürlich längst bekannt – schließlich setzt er sich bereits seit zwei Jahrzehnten unermüdlich für den Futsal in Schottland ein. Doch um den Sinneswandel beim Verband herbeizuführen, war zunächst eine Reise in das Heimatland des Futsal nötig.

Der schottische Trainer erzählt: "Neil McIntosh reiste vor ein paar Jahren nach Brasilien – und nach seiner Rückkehr kam er aus dem Schwärmen für den Futsal gar nicht mehr heraus. Er hatte die enge Verknüpfung zwischen Futsal und der Ausbildung technisch starker Fusballspieler erkannt und Futsal daraufhin in die Entwicklungsabteilung eingegliedert. Als der Verband den Futsal als Hilfsmittel für die Ausbildung von Fussballspielern akzeptierte, wurde die Förderung in Gang gesetzt.

"Ich bin schon seit Langem davon überzeugt, dass der Futsal bessere Fussballspieler hervorbringt. Er kann dazu beitragen, einen Spielertypen zu fördern, den Schottland offenbar nicht mehr hervorbringen kann. So lange ich denken kann, waren es technisch begabte und sehr schnell Flügelspieler, die mich am meisten begeistert haben. Dieser Spielertyp war ein wichtiges Element in der schottischen Fussballkultur. Es wäre fantastisch, wenn es wieder so würde. Umso besser, wenn der Futsal dazu einen Beitrag leisten kann."