Donnerstag 26 November 2020, 15:00

Mertesacker: "Stets authentisch sein"

  • Per Mertesacker leitet die Nachwuchsakademie des FC Arsenal

  • Der Weltmeister von 2014 spricht in diesem Interview über Führungsarbeit

  • Team Building und das Beste aus den Spielern herauszuholen sind die Ziele

Zum Abschluss einer Serie über Führungsqualitäten hat das Performance and Research Team des FC Arsenal in der vergangenen Woche den Ex-Gunner Per Mertesacker zu einem Video-Gespräch vor einem weltweiten Publikum eingeladen.

Mertesacker leitet nach seiner erfolgreichen Karriere als Spieler beim FC Arsenal nun die Nachwuchsakademie des Klubs im Norden Londons. Der mittlerweile 36-jährige frühere Verteidiger gewann mit den Gunners drei Mal den FA Cup und war mehrere Jahre Kapitän des Teams. Er absolvierte 104 Länderspiele für Deutschland und gewann mit dem Team den Titel bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™.

Als was für eine Führungspersönlichkeit würden Sie sich selbst bezeichnen?

Ich versuche, bei allem was ich tue stets authentisch zu sein. Bei jedem meiner Schritte habe ich versucht, mir selbst immer treu zu bleiben. Wenn du dein Umfeld beeinflussen willst, musst du authentisch sein. Du musst zuerst ehrlich zu dir selbst sein. Wo immer ich bin versuche ich, mich selbst und alle Leute um mich herum besser zu machen. Als Führungsfigur ist es wichtig, jeden gleichberechtigt zu behandeln. Das ist nicht immer leicht. Ich will im Umkleideraum der gleiche Typ sein wie bei einer Vorstandssitzung.

Welche wichtigen Eigenschaften machen eine gute und welche eine weniger gute Führungsfigur aus?

Menschen, die über sich selbst reflektieren können und versuchen, Wege zu finden, sich zu verbessern – das liebe ich. Ich bin wirklich sehr daran interessiert, auch selbst besser zu werden, indem ich bewusst agiere und über meine eigenen Handlungen reflektiere. Jeder Mensch macht Fehler oder trifft Entscheidungen, die er später bereut. Ich bin ein absoluter Neuling als Leiter der Nachwuchsakademie, aber ich habe schon gelernt, wie wichtig Zuhören ist.

Weniger reden, mehr zuhören – das musste ich mir erstmal zu eigen machen. Ich hatte eine erfolgreiche Karriere auf dem Spielfeld, aber jetzt brauche ich organisatorisches Können und Management-Fähigkeiten, um alles im Griff zu haben. Da ist es sehr wichtig, gute Leute um sich herum zu haben, von denen man viel lernen kann.

Sie leiten jetzt die Nachwuchsakademie. Was ist wichtig, um ein erfolgreiches Team zu formen?

In Nachwuchsakademien wie unserer arbeiten heutzutage oft mehr als 100 Leute. Das ist eine echt große Organisation, schon allein von der Anzahl der Leute, die man führen und managen muss. Ich will für bestimmte Gedanken und Überzeugungen stehen. Aber das nur für sich selbst oder eben jetzt für all die anderen zu tun, ist eine völlig andere Perspektive.

Natürlich bringe ich meine Erfahrung und meine fussballerischen Kenntnisse ein. Aber man muss eben auch erkennen, wie wichtig die Mitarbeiter sind, um die Botschaft rüberzubringen, damit sie auch bei den Spielern ankommt. Ich befinde mich noch mittendrin in diesem sehr interessanten Prozess und stelle mir jeden Tag die Frage: Wie kann ich um mich herum ein starkes Team aufbauen, das genau für das alles steht, was wir tun wollen?

Per Mertesacker of Germany and teammates celebrate with the World Cup trophy

Wie gehen Sie mit verschiedenen Charakteren um und versuchen, das Beste aus jedem Einzelnen herauszuholen?

Menschen kennen zu lernen und zu verstehen ist in meinem Job absolut unerlässlich. Das ist nicht immer leicht. Ich war 15 Jahre lang ziemlich auf meine eigene Art fixiert. Jetzt arbeite ich mit Menschen zusammen, die viel Erfahrung und großartige Kenntnisse in ganz verschiedenen Bereichen haben. Mein eigenes Wissen ist noch sehr beschränkt, daher brauche ich gute Zusammenarbeit, um die besten Entscheidungen treffen zu können. Dafür ist gute Kommunikation unabdingbar. Man muss versuchen, die besten Arbeitsweisen zu finden und stets die Spieler in den Mittelpunkt zu stellen.

Was sind die wichtigsten Botschaften für künftige Führungsfiguren?

Ich denke, dass wir uns alle gegenseitig auf gewisse Weise beeinflussen. Gerade jetzt zeigt uns die Welt, wie wichtig Werte und Normen sind. Ich möchte, dass andere sehen, dass ich konstant und zuverlässig bin. Künftige Führungsfiguren müssen authentisch und ehrlich sein, sich selbst und anderen gegenüber.

Bei so manchem Youngster kann man beobachten, dass sie anderen die Schuld für Ereignisse in ihrem Leben geben. Das ist ziemlich gefährlich. Jeder hat seine eigenen Träume, und die meisten haben mit viel Erfolg zu tun. Ich will, dass künftige Generationen mehr Fragen stellen. Das ist eine Herausforderung und davon sehe ich noch nicht genug: Junge Spieler reifen heute in einer sehr offenen Umgebung heran. Sie sollten mehr Fragen stellen! Sie sollten einen Peter Čech fragen, warum er 15 Jahre lang so erfolgreich war. Wie hat er das geschafft?

Führungsfiguren sind heute sehr offen. Ich schreibe in meinem Buch sehr offen über meine Schwierigkeiten. Auch Führungsfiguren sind verletzlich und werden das immer sein. Es ist wichtig, offen und ehrlich zu sich selbst zu sein und nicht anderen die Schuld zu geben – das sind Themen, die ich angehen möchte.