Donnerstag 22 Oktober 2009, 09:29

Die Wahrheit steckt im Handgelenk

Die FIFA U-17-Weltmeisterschaft Nigeria 2009 rückt näher, und wie bei jedem Jugendwettbewerb steht unvermeidlich eine Frage im Raum: Sind die Spieler wirklich alle höchstens 17 Jahre alt?

Zur Wahrung von Fairness und Chancengleichheit hat die FIFA dazu klare Bestimmungen erlassen. So sind gemäß dem Reglement für die diesjährige U-17-WM alle teilnehmenden Mitgliedsverbände verpflichtet, sicherzustellen, "dass alle Spieler ihrer Teams am oder nach dem 1. Januar 1992 geboren sind."

In der Vergangenheit wurden fälschlicherweise bei verschiedenen Juniorenturnieren zu alte Spieler eingesetzt, die aufgrund ihrer fortgeschritteneren körperlichen Reife oft einen unfairen Vorteil hatten. Bisher konnte das Alter eines Spielers nur anhand des Geburtsdatums in seinem Pass überprüft werden - eine nicht immer zuverlässige Methode.

"Der Einsatz eines Spielers, dessen tatsächliches Alter über der festgelegten Grenze für die Teilnahme liegt, ist meistens nicht auf betrügerische Absichten zurückzuführen", betont Dr. Yacine Zerguini, Mitglied der Medizinischen Kommissionen der FIFA und der CAF. "In manchen Ländern werden fehlerhafte oder überhaupt keine Geburtsurkunden ausgestellt, wofür weder dem Spieler noch seinem Verband ein Vorwurf gemacht werden kann."

Vor diesem Hintergrund beschloss die FIFA, während der FIFA U-17-Weltmeisterschaft in Nigeria die Methode der Magnetresonanztomografie (MRT) des Handgelenks anzuwenden und unter Aufsicht von Medizinexperten der FIFA zufällig ausgewählte Spieler auf diese Weise testen zu lassen.

Der Anfang der Forschungsarbeit, die diesem Test zugrunde liegt, geht auf das Jahr 2003 zurück. Damals begann das Zentrum für medizinische Auswertung und Forschung der FIFA (F-MARC) als Reaktion auf zahlreiche entsprechende Anfragen von Mitgliedsverbänden damit, die Verwendung von messbaren biologischen Merkmalen zur Altersbestimmung zu prüfen.

Im Justizwesen und in der Pädiatrie werden zu diesem Zweck schon seit Jahrzehnten Röntgenuntersuchungen der Wachstumsfugen am linken Handgelenk durchgeführt. Die Wachstumsfugen der Knochen des menschlichen Skeletts sind während des Wachstums offen und schließen sich mit steigendem Alter zu verschiedenen Zeiten. Zur Altersbestimmung von Fussballern ist diese Methode aus ethischen Gründen (Strahlenbelastung) jedoch nicht geeignet.

Prof. Jiri Dvorak, Vorsitzender von F-MARC und Arzt in einer großen orthopädischen Klinik, hatte die Idee, es stattdessen mit der MRT-Methode zu versuchen, die die Spieler keiner Strahlung aussetzt und zudem detaillierte Bilder mit stärkeren Kontrasten zwischen den verschiedenen Gewebearten liefert als jedes andere bildgebende Verfahren. In enger Zusammenarbeit mit der AFC (Dr. Gurchuran Singh), der CAF (Dr. Yacine Zerguini) und der CONMEBOL (Dr. Raúl Madero) führte F-MARC daraufhin bei über 500 Fussballern mit beglaubigten Geburtsurkunden im Alter von 14 bis 19 Jahren aus der Schweiz, Malaysia, Algerien, Argentinien und Senegal MRT-Scans des Handgelenks durch und entwickelte ein sechsstufiges Bewertungssystem für die Verschmelzung der Wachstumsfuge. Die Untersuchungen ergaben, dass diese nur in weniger als 1 % der Fälle vor dem 17. Altersjahr abgeschlossen ist. Zeigt die MRT eine vollständige Verschmelzung, ist der betreffende Spieler somit mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99 % älter als 17 Jahre.

Als Nächstes unterzog F-MARC bei den FIFA U-17-Weltmeisterschaften 2003, 2005 und 2007 zufällig ausgewählte Spieler demselben Test - mit überraschenden Ergebnissen: Die Scans zeigten eine deutlich höhere Verschmelzungsrate (um bis zu 35 %) als in der Referenzgruppe. Die bisher über 1.500 vorgenommenen MRT-Untersuchungen bilden eine solide Grundlage für die Genauigkeit des Verfahrens. Ähnliche Studien sind mittlerweile auch für Frauen und U-17-Spielerinnen angelaufen.

"Eine MRT des Handgelenks ist eine einfache, zuverlässige, nicht invasive und völlig ungefährliche Methode zur Altersbestimmung bei U-17-Wettbewerben", erklärt Prof. Dvorak. „Das Verfahren wird sowohl für die FIFA als auch für die Mitgliedsverbände von grossem Nutzen sein."

Das Exekutivkomitee der Asiatischen Fussballkonföderation (AFC) reagierte rasch auf die Erkenntnisse von F-MARC und verfügte, dass sich alle für die Vor- oder Endrunde der U-16-Asienmeisterschaft gemeldeten Spieler, die nicht zuvor an einem U-13- oder U-14-Turnier der AFC teilgenommen haben, einer MRT des Handgelenks unterziehen müssen, deren Ergebnisse von unabhängigen Experten der FIFA oder der AFC analysiert werden. Dieses Vorgehen erwies sich bisher als sehr erfolgreich: 2008 stellte die AFC nur einen einzigen Fall eines Einsatzes eines möglicherweise zu alten Spielers fest.

Die FIFA ihrerseits legt allen an einem Jugendturnier wie der bevorstehenden FIFA U-17-Weltmeisterschaft teilnehmenden Verbänden nahe, im Vorfeld eigene MRT-Untersuchungen durchzuführen, um die Einhaltung der Altersgrenze zu gewährleisten.

Obwohl solche Tests auf nationaler Ebene noch nicht obligatorisch sind, können die Verbände von ihrer Einführung nur profitieren: Sie erhalten dadurch die Gewissheit, dass ihre Spieler tatsächlich so jung sind, wie es in ihren Pässen steht, und laufen nicht Gefahr, unabsichtlich gegen das Reglement eines großen internationalen Turniers zu verstoßen.

Dieser Artikel entstammt der Oktober-Ausgabe von FIFA World, dem neuen FIFA-Magazin. Sie können jede Ausgabe von FIFA World lesen, indem Sie auf den Link rechts klicken.