Donnerstag 09 April 2020, 14:05

#BeActive: Bewegung ist wichtig – sagt ein Experte

  • FIFA, UN und WHO unterstützen die Kampagne #BeActive

  • Wie wichtig ist Bewegung in Zeiten von

  • Ein renommierter Sport-Physiotherapeut klärt auf

Im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie ist die Bewegungsfreiheit fast überall auf der Welt stark eingeschränkt. Die Menschen müssen zu Hause bleiben und Abstand zu ihren Mitmenschen halten. Gleichzeitig ist es jedoch gerade in dieser Zeit wichtig, aktiv zu sein und sich zu bewegen, damit der Körper fit bleibt. Wie lässt sich dieser Widerspruch lösen?

FIFA.com hat mit Luke Anthony einen ausgewiesenen Experten zu diesem Thema befragt. Der Klinische Direktor von GoPerform, einer auf Sportmedizin, Sportverletzungen und Leistungsoptimierung spezialisierten Facheinrichtung im englischen Reading, verrät in unserem Gespräch nützliche Tipps, wie Fans in aller Welt in Zeiten von Corona auch zu Hause ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit etwas Gutes tun können. Luke Anthony kann auf 19 Jahre Erfahrung im Profifussball und -rugby zurückgreifen. Unter anderem war er mehr als sieben Jahre lang Chef-Physiotherapeut des FC Watford. Anschließend arbeitete er als Sportmedizinischer Leiter beim FC Reading und als Spezialist für Verletzungsprävention bei Norwich City.

FIFA.com: Wie wichtig sind körperliche Bewegung und Aktivität in Zeiten wie diesen, vor allem im Hinblick auf unsere geistige Gesundheit?

Luke Anthony: Die psychologische Komponente spielt eine gewaltige Rolle. Die meisten von uns interagieren ständig mit anderen Menschen – auch dann, wenn sie im Fitnessstudio zusammen mit 50 anderen ihr Programm abspulen. Wenn dieser soziale Austausch mit einem Mal nicht mehr stattfinden kann, hat das meiner Meinung nach starke negative Auswirkungen auf die geistige Gesundheit. Vor allem, wenn dieser Zustand länger als drei Wochen andauert. So viel zu den Normalbürgern. Für Profisportler ist die ganze Sache zehn Mal so gravierend. Okay, Sie gehen also regelmäßig ins Fitnessstudio. Aber zu Hause? Welche Ausrüstung haben Sie da schon? Bestenfalls einen Heimtrainer, ein paar Gewichte und etwas Platz, um Übungen zu machen. Doch es fehlt die persönliche Anleitung durch den Trainer und das gewohnte Equipment. Nun der Unterschied zu einem Fussballspieler: Die Klubs in aller Welt geben ihr Bestes, um ihre Spieler so gut es eben geht zu unterstützen. Sie geben ihnen Trainingspläne an die Hand und versuchen, ihnen Ausrüstung zu beschaffen. Doch ich würde sagen, selbst die engagiertesten Profis bringen unter diesen Bedingungen nur 20 Prozent von dem, was sie in ihrem gewohnten Trainingsumfeld zu leisten imstande sind. Das ist eine riesige Herausforderung.

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Was halten Sie in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen davon, Videospielen nachzugehen?

Eine Runde FIFA auf der PlayStation macht die Akteure weder zu besseren Spielern noch bringt es ihnen aus technischer Sicht etwas. Nach meinem Empfinden geht es dabei mehr um die Interaktion – das gemeinsame Erleben und den Kontakt zu anderen. Bis zu einem gewissen Grad gehen einem in Zeiten des Lockdowns auch die Gesprächsthemen aus. Weder hat man am Vortag etwas Grandioses erlebt noch gab es am Abend ein Fussballspiel im Fernsehen, über das man nun diskutieren könnte. Also braucht es andere Dinge, über die man reden kann. Wenn Videospiele dabei helfen, ist das großartig.

Die WHO empfiehlt Erwachsenen, sich täglich 30 Minuten sportlich zu betätigen – unter anderem durch Online-Sportkurse, Tanzen, aktive Videospiele, Seilspringen oder Übungen für Muskelkraft und Gleichgewichtstraining. Möchten Sie dieser Liste etwas hinzufügen?

Meinen Patienten sage ich immer: Die einfachste Möglichkeit, um fit zu werden, ist Laufen zu gehen. Laufen beansprucht den gesamten Körper. Es trainiert Herz, Lunge, Muskeln und die Beweglichkeit. Darüber hinaus ist man an der frischen Luft und trainiert auch die Koordination. Laufen ist die beste Art sportlicher Betätigung, daran gibt es für mich keinen Zweifel. Das Entscheidende ist jedoch die Abwechslung – sowohl körperlich als auch geistig. Aktuell findet man überall Online-Kurse und viele Möglichkeiten, um zu trainieren. Doch das Wichtigste ist Abwechslung. Abwechslung stärkt den Körper und lässt ihn förmlich aufblühen. Wir wissen beispielsweise, dass fitte Menschen ein besseres Immunsystem haben. Bei Menschen, die sich nur wenig bewegen, ist das Immunsystem hingegen schwächer und sie sind anfälliger für Krankheiten. Ist man krank, gilt wiederum: Je stärker die eigene Verfassung, desto besser kommt man mit der Krankheit zurecht – das gilt im Übrigen für alle Altersgruppen. In Großbritannien wird darüber noch nicht deutlich genug gesprochen. Dabei liegt es doch auf der Hand: Raucher sollten aufhören zu rauchen. Wer gerne ein Glas trinkt, sollte seinen Alkoholkonsum zumindest reduzieren und an einigen Tagen gänzlich auf Alkohol verzichten. Ein Blick auf die eigene Ernährung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sind ebenfalls wichtig. Das sind einfach grundlegende Dinge, die sehr hilfreich sind, um den Körper zu schützen. Bewegung ist jedoch das Wichtigste – sie ist der Schlüssel.

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Können Sie eine Empfehlung aussprechen, wie man in diesen Zeiten den Tag ideal strukturieren sollte, um fit zu bleiben?

Für die Tagesstruktur spielen Routinen eine wichtige Rolle. Ich habe Podcasts angehört und Bücher über Menschen gelesen, die längere Zeit auf engem Raum verbracht haben – zum Beispiel Gefängnisinsassen oder U-Boot-Besatzungen. Eine Sache wurde dabei immer wieder deutlich: Routine ist wichtig. Sie kann mangelhafter Bewegung und ungesunder Ernährung vorbeugen.

Eine wichtige Säule für die Tagesstruktur sind sieben bis acht Stunden Schlaf. Das ist wirklich fundamental. Zur Morgenroutine gehören das Frühstück und etwas Sport – das kann ein Online-Kurs sein oder etwas Gewichtstraining im Garten. Dann braucht man soziale Interaktion. Wenn man allein lebt, muss man moderne Technologien nutzen. Der Mensch muss einfach mit anderen Menschen kommunizieren. Ich habe mich in letzter Zeit beispielsweise mit ziemlich vielen Leuten unterhalten, die ich seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte. Ich führe eine Liste mit Personen, mit denen ich mich lange nicht mehr unterhalten habe. Jeden Tag telefoniere ich mit zwei, drei Leuten, um mich auszutauschen. Etwas Weiterbildung ist auch wichtig. Das kann das Erlernen einer neuen Sprache oder eines Musikinstruments sein. Oder man kann ein Buch lesen bzw. einen Podcast anhören. Denn auch das Gehirn will trainiert und gefordert werden.

Flüssigkeitszufuhr und Ernährung spielen ebenfalls eine große Rolle. Achten Sie darauf, dass mindestens eine Mahlzeit am Tag nahrhaft ist. Natürlich gehört zur täglichen Routine auch Abschalten dazu. Tun Sie also Dinge, die Ihnen Spaß machen. Wenn man all diese Elemente in den Tagesablauf integrieren kann, hat man eine ganz gute Struktur. Doch auch hier gilt wieder: Abwechslung! Denn wenn man die gleichen Dinge immer wieder zur gleichen Zeit macht, könnte es etwas langweilig werden. Eventuell bietet sich eine Checkliste an.

Wenn man auflistet, was man zu tun hat, könnte das einigen Menschen helfen. Das Leben ist kostbar. COVID-19 dürfte uns das ganz besonders bewusst machen. Denn man weiß nie, wann sich vielleicht eine ähnliche Situation wiederholt. Wenn alles gut läuft, kehren wir in einigen Wochen oder Monaten zur Normalität zurück. Dann wünschen wir uns vielleicht wieder, wir hätten mehr Zeit…

Sorgen Sie dafür, dass Sie dann nicht rückblickend sagen müssen: "Was für eine gute Gelegenheit wäre das gewesen, die Dinge zu tun, die ich eigentlich tun wollte". Denken Sie lieber schon jetzt voraus: Was würden Sie später bereuen, in der Zeit, die Ihnen jetzt zur Verfügung steht, nicht getan zu haben?

Im Folgenden fassen wir die Tipps von Luke Anthony für #BeActive #HealthyAtHome noch einmal zusammen:

  • Sieben bis acht Stunden Schlaf

  • Sportliche Bewegung – Laufen ist gut für den ganzen Körper

  • Soziale Interaktion – Familie und Freunde anrufen

  • Weiterbildung – Sprachen oder ein Musikinstrument lernen oder ein Buch lesen

  • Ausreichend trinken

  • Ernährung – mindestens eine Mahlzeit am Tag sollte nahrhaft sein

  • Abschalten – Tun Sie Dinge, die Ihnen Spaß machen

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