Dienstag 21 August 2018, 16:58

Sun Wen: "Bin beeindruckt von der individuellen Klasse"

  • Sun Wen ist im Frauenfussball eine Legende

  • Die Ex-Nationalstürmerin der VR China ist eine FIFA-Spielerin des Jahrhunderts

  • Sie sprach mit FIFA.com über die diesjährige FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft

Wenn von großen Namen im Frauenfussball die Rede ist, dauert es meist nicht lang, bis Sun Wen genannt wird. Die Ex-Nationalstürmerin der VR China, die gemeinsam mit der U.S.-Amerikanerin Michelle Akers zur FIFA-Spielerin des Jahrhunderts gewählt wurde, erreichte in Verlauf ihrer 13-jährigen Karriere das höchste Niveau.

Sie nahm an vier FIFA Frauen-Weltmeisterschaften (1991, 1995, 1999 und 2003) sowie an zwei Olympischen Fussballturnieren der Frauen (1996, 2000) teil. 1999 in den USA wurde sie als beste Spielerin der WM mit dem Goldenen Ball von adidas ausgezeichnet und war zudem auch eine der Torschützenköniginnen des Turniers.

Derzeit ist die legendäre Sun Wen zu Gast bei der FIFA U-20-Frauen-Weltmeisterschaft in Frankreich. Dort sprach sie mit FIFA.com über ihre Beobachtungen bei dem Turnier in der Bretagne.

Welche Eindrücke haben Sie bislang bei dieser WM gesammelt? Der Nachwuchsfussball hat sich bei den Frauen enorm entwickelt, insbesondere in Europa. Die individuelle Klasse der Spielerinnen ist deutlich höher als bei den Asiatinnen. Das war einer meiner Eindrücke. Zudem sind die Teams sehr viel konkurrenzfähiger, was für den Frauenfussball sehr gut ist.

Was hat Sie bei diesem Turnier am stärksten überrascht? Die individuelle Klasse, bei den Spielerinnen aus Frankreich und Spanien ganz besonders. Sie sind in technischer und auch in taktischer Hinsicht sehr stark. Die cleversten Spielerinnen sind allerdings die Japanerinnen. Sie wirken viel reifer als ihr Alter vermuten lässt und spielen sehr abgeklärt und mit tollem Teamwork. In dieser Hinsicht sind sie sogar besser als die europäischen Spielerinnen. Sie treffen zudem oft die richtigen Entscheidungen, was in einem Spiel sehr wichtig ist. Sie entscheiden sich fast immer richtig. Es freut mich sehr, dass ich das beobachten konnte.

Was sagen Sie zu den Leistungen der drei europäischen Teams im Halbfinale, also England, Frankreich und Spanien? Wenn man sich deren Leistungen ansieht, erkennt man, dass sie sehr talentierte Spielerinnen mit herausragender Physis haben. Die Französin Emelyne Laurent beispielsweise ist sehr, sehr schnell unterwegs. Die französische Flügelspielerin Sandy Baltimore ist technisch sehr stark und beeindruckt ebenfalls mit starker Fitness. Die Spanierinnen ihrerseits spielen wie die Männermannschaft. Sie sind taktisch besonders gut aufgestellt und auch technisch stark. Die Engländerinnen habe ich nur im Spiel gegen Japan gesehen. Dabei war ich etwas enttäuscht, denn sie zeigten nicht die schnellen Konterangriffe wie in den Spielen zuvor. Dennoch denke ich, dass alle drei Mannschaften eindrucksvoll bewiesen haben, wie stark der europäische Frauenfussball geworden ist.

Die VR China hat den Einzug in die K.o.-Runden knapp verpasst. Was sagen Sie zum Auftritt des Teams? Natürlich ist es etwas enttäuschend für uns, dass wir es nicht in die zweite Runde geschafft haben, doch das ist eine gute Lektion für die Spielerinnen. Sie sind noch sehr jung und haben eine lange Zukunft vor sich, in der sie sich steigern können. Für uns ist das eine gute Möglichkeit, Probleme aufzudecken, so dass wir unser Training und unser Nachwuchssystem optimieren können, um die Probleme zu lösen.

Sie waren in Ihrer Karriere eine Torjägerin der Extraklasse. Haben Sie bei diesem Turnier Stürmerinnen gesehen, die Sie besonders beeindruckt haben? Die Japanerinnen Jun Endo und Riko Ueki sind sehr kreativ und gleichermaßen stark mit dem Ball am Fuß. Und ich bin sicher, dass Laurent sehr großes Potenzial hat und eine tolle Zukunft haben wird. Sie erinnert mich an Kylian Mbappé. Beide sind der gleiche Spielertyp.

Sie haben im WM-Finale und im Olympischen Finale gespielt. Worauf müssen sich die Japanerinnen und die Spanierinnen im Vorfeld des Endspiels am Freitag besonders konzentrieren? Ich bin etwas besorgt wegen der Spanierinnen, die nach ihrem letzen Spiel allzu aufgeregt wirkten. Das ist kein gutes Zeichen für Spielerinnen, die das Finale bestreiten werden. Diese Erfahrung haben wir alle gemacht. Bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 1999 haben wir unser Halbfinale gegen Norwegen mit 5:0 gewonnen und waren danach ähnlich aufgeregt. Man muss selbst dann ruhig und besonnen bleiben und sich auf das nächste Spiel konzentrieren, damit man für die bevorstehende Herausforderung im Finale bereit ist.